Cover des Buches Der grüne Blitz (ISBN: 9783866481800)
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Rezension zu Der grüne Blitz von Jules Verne

Humorvoll und lesenswert

von SiCollier vor 10 Jahren

Rezension

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SiColliervor 10 Jahren
Für gewöhnlich wird gewarnt, bevor man ein Bombardement beginnt. Man lebt hier gefährlich! (Seite 123)

Meine Meinung

Mit Jules Verne verbinde ich in erster Linie Abenteuer, Science Fiction, Reise - ob nun „20.000 Meilen unter den Meeren“ oder zu Land mit dem „Kurier des Zaren“. Ganz sicher aber habe ich nicht an einen Liebesroman gedacht. Bisher jedenfalls. Nun, es hat sich vielleicht nicht gerade als Bildungslücke, auf jeden Fall aber als Fehler herausgestellt. Denn Jules Verne konnte auch das: einen leichtfüßigen, humorvollen, von der ersten bis zur letzten Seite gut unterhaltenden Liebesroman schreiben. Schade, daß es anscheinend nur diesen einen, der früher schon unter dem Titel „Der grüne Strahl“ erschienen ist, gibt.

Zu Beginn möchte ich besonders die äußerst gediegene Ausstattung des Buches hervorheben: Leineneinbahd, Fadenheftung (!), Lesebändchen, stabiler Pappschuber - eine wahrhaft bibliophile Ausstattung, die das Herz eines jeden Bücherfreundes höher schlagen läßt. Dabei sollte man dann auf Seite 83 ein Lesezeichen einfügen - dort befindet sich nämlich die Landkarte zu den im Buch beschriebenen Reisen.

Es handelt sich um eine Neuübersetzung, inwieweit selbige sich von der früheren unterscheidet, vermag ich nicht zu beurteilen. Das gute an dieser Übersetzung ist, daß sie zu keiner Zeit als solche erkennbar ist. Beim Lesen hatte ich stets das Gefühl, einen im Original deutschen Text zu lesen, der schon durch die Wortwahl und den Schreibstil in die Zeit der Handlung entführt.

So bin ich auch relativ schnell „in der Geschichte angekommen“, die schon zu Beginn einen humorvollen Roman mit teilweise schrulligen Figuren verspricht. Diese Erwartungen werden nicht enttäuscht. Die beiden Onkel Sam und Sib etwa ergänzen sich so gut, daß sie meist nur in Halbsätzen sprechen, die vom jeweils anderen ergänzt werden. Nicht zu vergessen die Schnupftabaksdose, die immer gut gefüllt sein sollte.

Aber im Vergleich zu Aristobulus Ursiclos, dem von ihnen ausgesuchten Heiratskandidaten sind sie von geradezu ausnehmender Normalität! Es wäre gewißlich eine eigene Untersuchung wert, wie denn Aristobulus Ursiclos zu seinem Namen gekommen ist. Denn weder konnte ich etwas aristokratisches in seinem Gehabe noch allgemein etwas an einen Bären erinnerndes bei ihm entdecken, zumal der Autor geruht, ihn eher mit einem Affen zu vergleichen. So herrlich überspitzt dieser staubtrockene, jeglicher Romantik abholde Wissenschaftler auftritt, ist dem geneigten Leser vermutlich bald klar, daß er eher nicht die Wahl der ihm zugedachten Braut wäre.

Diese, Miss Helena Campbell, ist eine aufgeweckte junge Frau, die durchaus weiß, was sie will - und wie sie es erreichen kann. Vor allem bei ihren beiden Onkeln, die ihr keinen Wunsch abschlagen können. Und so willigt sie auch ein, zu heiraten - aber nicht bevor sie den „Grünen Blitz“ gesehen hat, dessen Sichtung nach einer alten Legende befähigen soll, sich in Gefühlsdingen nie mehr zu täuschen und nicht mehr getäuscht zu werden. Nach der Beobachtung dieses Ereignisses können man dann auch über Aristobulus Ursiclos sprechen.

Der weitere Roman besteht in der Reise zu einem zur Beobachtung geeigneten Meeresufer sowie den Versuchen, den grünen Blitz zu sehen. Es wäre kein Roman von Jules Verne, wären nicht eine Unzahl von - gut lesbaren! - Beschreibungen verschiedenster Naturphänomene (die sich im Nachwort als durchweg richtig herausgestellt haben) bis hin zu dramatischen Rettungsaktionen vorhanden. Wobei die erste auf See schon eine Ahnung für den Ausgang des Buches aufkommen läßt.

Im Nachwort von James Hamilton-Paterson erfährt man einiges zur zeitlichen Einordnung und den historischen Hintergründen des Romans, dessen Handlung zwar frei erfunden ist, aber deren grünen Blitz es zu meinem Erstaunen tatsächlich gibt! In der Folge dieses Buches wurde er mehr und mehr bekannt und schaffte es sogar bis nach Hollywood, etwa in den dritten „Fluch der Karibik“-Film. Eric Rohners Film „Le rayon vert“ (Das grüne Leuchten), der bei den Filmfestspielen Venedig den Goldenen Löwen gewann, beruht übrigens ebenfalls auf diesem Buch von Jules Verne. Und dieses Nachwort bringt mich auch zu meinem einsamen Kritikpunkt: Das Einzige, was ich am Ende nicht gebraucht hätte, war die persönliche Bemerkung von James Hamilton-Paterson in seinem letzten Absatz. In ihrer Nüchternheit kommt die den Äußerungen und Erklärungen eines Aristobulus Ursiclos näher, als ich es mir zum Abschluß dieses ansonsten wundervollen Buches wünschen würde.

Denn, das ergibt sich schon aus der Bezeichnung „Liebesroman“, am Ende gibt es ein erfreuliches Ereignis zu vermelden, das sowohl die beiden Onkel Sam und Sib, als auch Miss Campbell und ihren Bräutigam aufs Höchste zufriedenstellt. Wer aber denn nun dieser Bräutigam ist - nun, ich möchte niemanden des Vergnügens berauben, das in diesem wohlfeilen Buche selbst nachzulesen, und werde an dieser Stelle daher eisern schweigen.


Kurzfassung

Ein humorvoller Liebesroman des Altmeisters Jules Verne, der in die Welt der schottischen Hebriden des späten 19. Jahrhunderts entführt. Auch heute noch liebens- und lesenswert.
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