Cover des Buches Corpus Delicti (ISBN: 9783442740666)
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Rezension zu Corpus Delicti von Juli Zeh

Eine Kritik am System

von CocuriRuby vor 8 Jahren

Rezension

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CocuriRubyvor 8 Jahren

Ich finde den Schreibstil etwas gewöhnungsbedürftig und ich stehe dem ein wenig zwiegespalten gegenüber.

Zum einen finde ich, dass die Sprache recht gewählt, aber nicht überfordernd oder aufgesetzt ist (meistens jedenfalls) – das fand ich angenehm.

Auf der anderen Seite, finde ich diesen Stil zwar sehr präzise, aber fast unterkühlt, geradezu steril. Als hätte die Autorin selbst keinen emotionalen Zugang zu ihrer eigenen Geschichte gefunden – somit ich als Leser, auch nicht.

Das gleiche gilt für die Charaktere. Sie sind so geschildert, dass man keinen wirklichen Zugang zu ihnen bekommt. Sie sind nicht unbedingt unsympathisch, aber sympathisch sind sie eben auch nicht.

Die Charaktere sind eigentlich nur Mittel zum Zweck. Sie sollen durch das was sie tun und sagen, eine Aussage oder eine Kritik vermitteln.

Dort liest man die Konstruktion der Autorin deutlich heraus. Ich finde das, aber interessante Weise nicht unbedingt negativ. Bis auf ein paar Dialogen am Ende, da empfand ich diese Konstruktion auch manchmal anstrengend.

Dieses Buch ist in meinen Augen eine klare Kritik an dem System. Hier dargestellt durch das System der „METHODE“, der hier erschaffenen Gesellschaft.

Besonders interessant an dem Buch ist das Gesundheitssystem. Gesundheit ist schließlich etwas wünschenswertes, aber in dieser Gesellschaft wurde das zur Perversion überspitzt.

Es gib hier ebenfalls das Bild des „durchsichtigen Menschen“, aber eben auf der Gesundheitsebene. Alles wird überwacht und es gibt Strafdelikte, weil man z.B. nicht körperlich Aktiv genug ist, Krankheiten wurden ausgerottet, selbst die Toiletten messen automatisch in den Ausscheidungen, ob die Werte vom normalen abweichen.

Das schlimmste daran ist, dass das nicht undenkbar ist. Ich musste sofort an die Idee der Krankenkassen denken, die durch Belohnungsmaßnahmen den perfekten, gesunden Patienten anlocken wollen, indem man seine körperlichen Daten preis gibt.

Ich finde es faszinierend, wie durch diese Überspitzung, eine subtile Kritik gegen unsere herrschenden Systeme vermittelt wird.

Es gibt allerdings auch Thesen, die für mich keine Substanz hatten. Ich konnte den Ausführungen zwar folgen (glaube ich zumindest), kann ihnen aber nicht zustimmen.

Ein zusätzliches kleines Highlight war für mich ganz klar „die perfekte Geliebte“. Diese Figur ist ein regelrechter Stilbruch. Sie passt im wahrsten Sinne, nicht ins Bild. Aber ich mochte ihr Sinnbild der Idee, die der Protagonistin in den Kopf gepflanzt wurde und vor allem mochte ich den Humor, der durch diese Figur eingebracht wurde.

Fazit

Ich finde die Kritik am System faszinierend. Das Buch bietet einen dort sehr viele Denkanstöße.

Den Stil finde ich allerdings recht gewöhnungsbedürftig – er ist sehr speziell und nicht an allen Ecken angenehm.

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