Zunächst zur Vorleserin: Ich habe Julia Franck schon häufiger live und im TV gesehen und war ganz sicher, dass sie das Buch selbst vorliest. Den Namen der tatsächlichen Vorleserin, Kathrin Wehlisch, habe ich zunächst für ein Pseudonym gehalten. Anders gesagt: Das Buch ist so gelesen, dass das "Ich" absolut authentisch klingt. Assoziativ, mit vielen Zeitsprüngen, gibt Julia Franck Einblicke in ein Leben, das für den Außenstehenden spannend, weil absolut außergewöhnlich ist. Gleichzeitig wird kaum ein Leser die Autorin um ihr Heranwachsen bei einer lieblosen Mutter und zwischen Armut und Bildungsbürgertum beneiden. Tröstlich ist, dass wir als Leser wissen, wie gut Julia Franck schließlich ihre Lebensaufgaben bewältigt hat. Ein bewegendes Hörerlebnis!
Julia Franck
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Julia wird in Ostberlin geboren. Von Anfang an sind sie und ihre Zwillingsschwester auf sich allein gestellt, werden kurz nach der Geburt in eine Pflegefamilie gegeben, in der sie geliebt und umsorgt werden, nur um kurze Zeit später wieder aus dieser vertrauten Umgebung herausgerissen zu werden. Was folgt sind 8 Jahre zwischen Tagesmüttern und Kinderheimen, bis ihre Mutter beschließt, in den Westen zu fliehen. Julia, ihre drei Schwestern und ihre Mutter landen zunächst im Notaufnahmelager Marienfelde, kurze Zeit später zieht die Familie auf einen alten Bauernhof in Schleswig-Holstein um. Julia fehlt so vieles: Allem voran Liebe und Geborgenheit, aber auch ein Rückzugsort, Stille, Stabilität. Mit 13 Jahren gelingt es ihr, sich aus dem Chaos des Bauernhofs zu befreien, sie zieht nach Westberlin - doch die Scham über ihre Herkunft und die Sehnsucht nach Ruhe bleiben. Bis sie Stephan trifft, in dem sie endlich Leben und Liebe findet.
In "Welten auseinander" schreibt Julia Franck autofiktional über die ersten rund 20 Jahre ihres Lebens, sie verarbeitet eine turbulente, schmerzhafte Kindheit und große Verluste. Diese bewegten Jahre skizziert sie nicht chronologisch, vielmehr nimmt sie aus der Rahmenhandlung ihrer Beziehung mit Stephan immer wieder Abzweigungen in die Vergangenheit, stellt ihre verschiedenen Familienmitglieder vor, erzählt anhand von Tagebucheinträgen von ihren Gedanken aus dieser Zeit. Das Schreiben war Julias Anker, die Flucht in Fantasiewelten ihr Ausweg aus der Kälte und dem erzieherischen Versagen der Erwachsenen um sie herum. Durch diese Erzählweise ist es mir manchmal schwer gefallen, am Geschriebenen dran zu bleiben, gerade weil ich die Rahmenhandlung um Julia und Stephan lange Zeit nicht mochte, der Kreis schließt sich erst am Ende des Buches. Auch die Fülle an Figuren hat mir nicht gefallen, viele von Julias Verwandten, gerade aus älteren Generationen, blieben doch sehr blass. Nichts desto trotz bin ich beeindruckt, sowohl von der jungen Julia, als auch von der Autorin, die so mutig ihre Geschichte erzählt. Kein leichtes Buch, aber eins, das man so schnell nicht vergisst.
"Die Zusammenballung des Tragischen und wie es sich von einer Generation in die nächste ausbreitete, uns prägte, jeden für sich, in mir und meinem Gedächtnis Raum griff, schien mir für Literatur zu viel, eine Zumutung." (S. 254) – So sinniert die Protagonistin in Julia Francks autobiografischen Roman Welten auseinander über den Vorschlag einer mütterlichen Freundin, die eigene Kindheit und die Familiengeschichte zum Thema eines literarischen Textes zu machen und entscheidet sich gegen eine erzählerische Verarbeitung des eigenen Lebens. Vorerst. Denn Jahre später, genauer gesagt im Jahr Herbst 2021, „beglückt“ Frau Franck die Leserschaft dann doch mit einem neuen Werk, das zwar als Fiktion gekennzeichnet ist, dessen Inhalt aber auffällig viel mit dem Leben von Julia Franck gemeinsam hat, wie ein rasches Überfliegen des Wikipedia-Artikels deutlich macht.
Und so erzählt sie nun vom Aufwachsen als Tochter einer Mutter, die zwar insgesamt über die Jahre 5 Kinder gebärt, sich aber der Mutterrolle gänzlich entzieht. Beinahe verwahrlost, vor allem aber auf sich selber gestellt wächst Protagonistin Julia mit ihren vier Schwestern auf einem Bauernhof in Schleswig-Holstein auf, nachdem die Familie zuvor offiziell aus der DDR ausgereist ist. Armut, Dreck, Lärm und Gleichgültigkeit prägen die frühe Kindheit genauso wie die Zerrissenheit zwischen Ost und West. Im Osten befindet sich immer noch die Großmutter, eine kämpferische Kommunistin, die tief von der deutschen Geschichte geprägt ist; im Westen – genauer West-Berlin – baut sich der Teenager ein Leben unabhängig ihrer Kernfamilie auf, macht Abitur, studiert, verliebt sich und hält sich dabei mit Gelegenheitsjobs über Wasser.
Sicherlich Julia Francks Leben, aber auch das ihrer Vorfahren, bietet einen guten Stoff für eine Erzählung – einen Stoff, wie ihn eben nur das Leben schreibt. Doch leider kam von der Tragik, den emotionalen Verletzungen, aber auch den politisch-historischen Dimensionen, die dieser besonderen Familie zugrunde liegen, nur wenig bei mir an. Francks Stils, der vermutlich als analytisch-sezierend angelegt ist, ist distanziert und unnahbar, die Geschichte der Familie wird immer wieder auf Kurzbiografien und reines Namedropping reduziert, die Darstellungen der kindlichen Lebenswelt wiederholen sich und nutzen dabei ab. Zudem verwendet Franck eine Sprache, die zwar poetisch wirkt, in Verbindung mit des Inhalts aber gespreizt daherkommt: Kunstvoll soll die eigene Vergangenheit geborgen werden, dabei vergrößert die Erzählstimme aber kontinuierlich die Distanz zwischen literarischem Bericht und Erlebniswelt.
Vielleicht ist mein Problem, dass ich bis auf Die Mittagsfrau nie etwas von Frau Franck gelesen habe und meine Neugier auf die Person hinter diesem Erfolgsroman gering war. Beim Lesen habe ich mich immer wieder gefragt, was es mich eigentlich angeht, was ist dieser Familie passiert ist. Zwar verzichtet Julia Franck auf einen anklagenden Ton, inhaltlich wäscht sich dennoch die dreckige Wäsche ihrer Familie vor einem Millionenpublikum – und dies in ermüdender Wiederholung. Interessant wird der Roman nur n den Stellen, wenn die Erzählerin reflektiert, wie dieses besondere Aufwachsen sie zum Schreiben gebracht hat: Hier liegt die Stärke der Geschichte und der vielversprechende Ansatz für eine besondere Coming-of-Age-Story, der jedoch nicht genutzt wurde.
Welten auseinander ist ein persönliches Buch, in dem Frau Franck sicherlich vieles verarbeiten konnte. Ich persönlich hatte von diesem erzählten Leben jedoch nichts, für mich bleibt es ein über 350 Seiten langes Um-sich-selber-Kreisen.
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Die 📚 findet ihr im Anhang. Da ich meine Bücher selten zweimal lese, möchte ich mindestens jeden Monat ein gebrauchtes, gelesenes (meistens) Taschenbuch verschenken. Ich hänge die Bücher an. Bei mehreren Interessenten lose ich aus. Teilweise sind es sehr gut erhaltene fast neue Bücher aber auch Mängelexemplare oder der Buchschnitt ist auch schon mal etwas nachgedunkelt, aber nicht stinkig oder schmutzig. Die Bücher, die noch zu haben sind, hänge ich unten an. Ihr könnt hier einen Beitrag schreiben oder euch per pn melden, wenn ihr Interesse habt. Falls ihr Fragen habt, meldet euch ruhig. Als BÜCHERSENDUNG verschicke ich kostenfrei, wenn es teurer wird nehme ich Portokosten.
Zusätzliche Informationen
Julia Franck wurde am 20. Februar 1970 in Ost-Berlin (Deutschland) geboren.
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