Ich hätte nicht gedacht, dass ich per Buch noch mal Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett intensiv durchleben würde. Mutter sein und Mutter werden sind zwei unterschiedliche Lebensphasen. Bestimmt werden sie häufig von äußeren Einflüssen, Meinungen und Rahmenbedingungen. Haben wir überhaupt die Möglichkeit ist besser zu machen?
MTTR bedeutet „Meantime to Recover/Repair“ - wer immer sich das als Titel hat einfallen lassen – Chapeau!
In diesem Buch setzt sich Teresa Borsig intensiv mit ihrer zukünftigen Rolle auseinander. Sie ist schwanger und will das Kind abtreiben, überlegt es sich aber in letzter Minute anders. Ab hier dürfen wir teilnehmen, an ihren Gedanken, ihrer Vergangenheit und der Interpretation des Verhaltens anderer. Schnell habe ich gemerkt, dass Teresas Thema die Abgrenzung ist. Sie möchte vor allem nicht, wie ihre Mutter sein. Sie scheint in einer kalten Umgebung aufgewachsen zu sein und fragt sich, ob sie überhaupt in der Lage ist, ein Kind liebevoll Zu ziehen. Alles möchte sie anders machen. Zu keiner Bubble möchte sie gehören. Weder zu den Eltern, die sich intensiv auf die Geburt vorbereiten, noch zu den nachlässigen oder konservativen Müttern die Ansichten vertreten, die an das Nachkriegsdeutschland erinnern. Den ganzen Klimbim rund um das große Geschäft „Schwangerschaft“ möchte sie nicht mitnachen. Jeglicher Druck von außen beschäftigt. Sie lässt sie aber vermeintlich auch kalt. Manchmal wird das etwas unglaubwürdig. Allerdings wissen wir auch, dass immer contra zu sein, einen emotional m oft nicht weiter bringt. Genauso geht es Teresa.
Wir sind auch bei der Geburt des Kindes dabei, welches sie nicht in einem der gefragten Geburtshäuser bekommt, sondern in einem herkömmlichen Krankenhaus. Und wir begleiten sie in der ersten Lebensphase ihres Kindes.
Hervorragend hat Julia Friese hier die Lebensumstellung von Teresa geschildert. In kurzen, knappen Sätzen, die teilweise nicht zu Ende geführt sind manchmal nur aus einem Wort oder zwei bestehen, bohren wir uns in die neue Materie hinein. Das ist am Anfang sehr gewöhnungsbedürftig, aber wirklich gut gelungen, nachdem man sich an diesen Stil gewöhnt hat. Das Buch wirkte einen unglaublichen Sog auf mich aus und mutierte wie ein Pageturner. Wir sind ganz nah dabei. Wir sind in Teresas Kopf. Wir dürfen an allen Gedanken teilhaben. Man merkt sehr schnell wie ambivalent sie denkt, wie verunsichert sie ist.
Außerdem begegnen wir Menschen aus ihrer nahen Umgebung. Ihre Arbeitskollegin Yelda, die selber schon Mutter ist und die ab dem Moment von Teresa Schwangerschaft wie ein Magnet auf sie wirkt. Mit all dem Wissen und der Erfahrung. Im Gegensatz dazu wird die Beziehung zu ihrer besten Freundin Isabell schwieriger, denn sie führt ein ganz anderes Leben, weit weg von Schwangerschaftsstreifen und Windeln. Natürlich ist auch ihr Freund Erk ein nicht, unwesentlicher Bestandteil dieses Romans. Doch er bleibt mir blass und wirkt eher hilflos und fehl am Platz. Mal abgesehen davon, dass er auch nicht ehrlich im Umgang mit seiner Exfreundin ist. Wie kann er ( und später Teresa) so ein Verhalten hinnehmen? Und diese dann anschließend auch noch besuchen? Unglaublich!
Am allerschlimmsten fand ich die Eltern von Theresa und Erk. Durch und durch toxisch sind Sie mit ihren Ansichten in den 60er Jahren hängen geblieben und genau das ist der Punkt, der mir an dem überhaupt Buch nicht gefällt. Es ist wirklich aus der Zeit gefallen. Es müssten ja Eltern meiner Generation sein und da finde ich mich null wieder und auch in meiner Umgebung kenne ich niemanden, der so drauf ist.
Auch die Geburt, der Umgang mit der frischgebackenen Mutter im Krankenhaus sollte, wenn überhaupt nur noch sehr selten in unserer Gegenwart so vorkommen. Ich habe meine Kinder vor 30 Jahren bekommen und habe eine den Schwangeren zugewandte und innovative Geburtshilfe und Betreuung erhalten. Auch damals gab es schon Hebammen die nach Hause kamen, ganzheitliche Vorbereitungskurse, und auch ich habe meine Kinder getragen und bei mir im Bett liegen gehabt. Entweder sind in diesen 30 Jahren extreme Rückschritte in das „Wirtschaftswunder Deutschland“ passiert, oder die Autorin hat schlechte Erfahrung gemacht. Angehende Eltern sollten das Buch nur mit dem Wissen lesen, dass Geburtsstationen heutzutage sehr auf die Bedürfnisse der Gebärenden eingehen. Hier in diesem Buch sind im Krankenhaus alle ( und nicht nur da) unfreundlich, unverschämt und ignorant!
Die Übergriffe, die hier teilweise im Krankenhaus stattfinden, würden heutzutage sofort Anwält auf die Matte holen. Theresa das wirkte dort wie eine rechtlose Person, mit der man machen kann, was man will, der man nichts erklären muss und die dem dortigen Personal vollkommen ausgeliefert ist. Nun gehört es zum Teil auch zu Theresas Charakterzügen nicht rechtzeitig die Hand zu einem deutlichen „STOPP“ zu heben und dafür dann irgendwann unangemessen auszuflippen.
Vielleicht habt ihr es zwischen den Zeilen rauslesen können - das Personal des Buches ist durchgehend unsympathisch und trieft vor Gift und Microaggression, (bis auf vielleicht Yelda). Aber vielleicht ist das genau der Reiz des Romans, dass Kopfschüttel und nicht glauben wollen, dass das wahr ist! Mir hat es irgendwie Spaß gemacht😅
So, jetzt seid ihr gewappnet, es auch mal zu versuchen.😉