Durch Zufall bin ich auf Julia Glass' wundervolle Familiengeschichte "Three Junes" gestoßen, eigentlich weil ich auf der Suche nach einem passenden Titel für die Themen-Callenge war. Belohnt wurde ich mit viel mehr als nur einem Häkchen auf der Liste :)
Das Buch erzählt die Geschichte der McLeods, deren Oberhaupt Paul – Eigentümer und Herausgeber des schottischen Tagesblatts "Yeoman" – nach dem Tod seiner Frau Maureen Griechenland mit einer Reisegruppe erkundet, um sich auf andere Gedanken zu bringen. Dabei freundet er sich nicht nur mit seinem Tourguide Jack an, sondern trifft überdies auf die charmante junge Künstlerin Fern.
Der zweite Teil des Buches ist aus der Sicht Fennos, Paul und Maureens ältestem Sohn, geschildert, der sich vor einigen Jahren in New York niedergelassen hat. Nach seinem Studium eröffnet er anstelle einer Karriere in der Academia eine Special-Interest-Buchhandlung für Ornithologie, "Plume", im Haus eines befreundeten Professors. Bald darauf macht der unaufgeregte Fenno die Bekanntschaft des exzentrischen Opernkritikers Malachy, der im Haus gegenüber wohnt und ihm aufgrund seiner AIDS-Erkrankung die Obhut seines geliebten Papageis überträgt. Aus anfänglichem beiderseitigen Unbehagen erwächst alsbald eine nicht alltägliche, dafür aber umso tiefergreifende Freundschaft.
Auch Tony spielt eine wichtige Rolle, sowohl in Fennos, als auch in Ferns Leben, wie sich im dritten Part herausstellt. Fenno, der sich im Gedenken an zahlreiche an AIDS verstorbene Bekannte und Freunde in sexueller Abstinenz übt, lernt den charismatischen Fotografen und Housesitter bei einem seiner allmorgendlichen Spaziergänge durch New York City kennen und gerät schnell in seinen Bann.
Auch Fern blickt auf eine wildromantische Zeit mit Tony in Paris zurück, bevor ihr bewusst wurde, dass er sich neben ihr mit manch einem jugendlichen Adonis unter der Bettdecke vergnügte. Zurück in den Vereinigten Staaten, einige Jahre sind ins Land gezogen, verbringt Fern – schwanger von ihrem unwissenden griechischen Freund – ein Wochenende bei ihrem nunmehr platonischen Bekannten Tony, der ein Haus in den Hamptons sittet. Als wenig später Fenno eintrifft, dessen Vater Paul Fern auf ihrer Jahre zurückliegenden Griechenlandreise kennengelernt hat, schließt sich der Kreis...
Nicht zu Unrecht hat Julia Glass im Jahr 2002 den National Book Award for Fiction erhalten. "Three Junes" ist ein fesselndes Triptychon, das von lebenslangen Familienbanden ebenso wie von starken Gegensätzen lebt.
Von der anmutig-ruhigen Oberfläche, erinnernd an einen geheimnisvollen "Loch" in den schottischen Highlands, entführt Julia Glass den Leser immer weiter in die Tiefe, seziert mit feiner Klinge das Seelenleben ihrer Protagonisten, legt ihre intimsten Sorgen und Hoffnungen offen.
Eine Katastrophe für den einen ist für den anderen nichts als ein leiser Hauch und doch betrifft es ihn, beeinflusst es seinen Lebensweg. Was der eine sich weigert zu sehen, belastet den anderen, nimmt ihm die Unbeschwertheit seiner Jugend.
Auf knapp 400 Seiten bringt Glass eine Bandbreite kontroverser Themen – von AIDS über Euthanasie und Leihelternschaft bis hin zur Lockerbie-Tragödie – aufs Tapet, der Plot wirkt dennoch an keiner Stelle gewollt oder konstruiert. Vielmehr regt die Lektüre zum Nachdenken, gelegentlich auch zum Nach-Recherchieren an.
In Anbetracht der hinzu kommenden anspruchsvollen Sprache und dem virtuosen Einsatz von Flashbacks eine unbedingte Leseempfehlung. Ein tolles Buch!
Julia Glass
4 Sterne bei 3 Bewertungen
Autor*in von Three Junes und Three Junes.
Alle Bücher von Julia Glass
Three Junes
Erschienen am 02.10.2003
Three Junes
Erschienen am 02.05.2006
Neue Rezensionen zu Julia Glass
Neu
Gespräche aus der Community
Neu
Bisher gibt es noch keine Gespräche aus der Community zum Buch. Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.
Community-Statistik
in 4 Bibliotheken