Dieser Roman führt nach Indien, und zwar in die späten 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts, in den beginnenden Widerstand (Gandhi), aber auch in eine Zeit moralischer Umbrüche, die die Prüderie des viktorianischen Zeitalters allmählich hinter sich lassen. Die Frauenrollen werden vielseitiger, auch wenn immer noch Konventionen die Freiheiten eingrenzen. Aber allein schon, dass drei junge, unverheiratete Frauen allein nach Indien reisen, wäre sicher fünfzig Jahre zuvor undenkbar gewesen.
So ist dann auch vieles offen - abgesehen von der bereits arrangierten Ehe Roses, die aber auch nicht das Gefängnis bedeutet, das sich zunächst abzeichnet, als beide Partner - jeder für sich - feststellen, dass sie eigentlich gar nicht bereit sind. Sie finden dann aber doch zueinander: diese Entwicklung ist eine der stärksten Wendungen in diesem Buch, da sie eher untypisch für dieses Genre ist, das man vielleicht grob „exotische Liebesgeschichte“ nennen könnte. Meist sucht und findet die Frau die große Liebe, nachdem sie zuvor total unglücklich verbandelt oder allein war. Hier wird aber gezeigt, wie aus Naivität und Zwängen heraus eine reife und starke Verbindung entsteht.
Auch Vivas Beziehung zu Frank ist nicht geradlinig, aber doch eher typisch für ein romantisches Buch. Allerdings ist Vivas Geschichte wohl das dramatischste Element in diesem Buch, auch sicher der Teil, der am schwersten verdaulich ist, da er das Elend der einheimischen Bevölkerung, insbesondere der Kinder, drastisch aufzeigt. Außerdem gerät Viva in die Wirren des Widerstands (leider nicht Gandhis, sondern der gewaltsamen Ausprägung) und leistet harte Seelenarbeit bei der Bewältigung ihrer Vergangeheit.
Dann ist da noch Victoria, kurz Tor, die kein Glück mit den Männern hat, obwohl - oder gerade - weil dies ihr Hauptthema ist. Sie bewegt sich zwischen Selbstzweifeln und wilden Erlebnissen, bis sie am Ende sehr unverhofft einfaches, tiefes Glück mit Toby findet.
Insgesamt empfand ich diesen Roman als zu lang, was seine starken Passagen oft wieder verblassen ließ. Auch der Stil hatte eine ambivalente Wirkung auf mich. Er ist nicht überbordend emotional und auch nicht sonderlich explizit, trotzdem handelt er von großen Gefühlen und Sinnlichkeit. Unterm Strich ist es sicherlich kein Page-Turner, aber ein intensives Buch, wenn man sich darauf einlässt.