Cover des Buches Irrlichtfeuer (ISBN: 9783426519431)
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Rezension zu Irrlichtfeuer von Julia Lange

Urban Fantasy vom Feinsten

von Leseratt vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Erfrischend anders – vielschichtige und interessante Figuren, eine eher düstere Welt und keine Spur eines epischen Kampfes gegen das Böse

Rezension

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Leserattvor 6 Jahren

Das dominierende Element dieser düsteren und rücksichtslosen Welt ist das Irrlicht, das als Leuchtmittel und Bausubstanz insbesondere für die reiche Oberschicht eine wichtige Rolle spielt. Seine Förderung ist gefährlich und es kommt immer wieder zu Unfällen, wegen seines hohen Wertes wird es von kriminellen Banden mit Vorliebe über den Schwarzmarkt vertrieben und daher gut bewacht. Zudem kann das Irrlicht bei Menschen übersinnliche Fähigkeiten auslösen – wenn diese die Operation und dessen Toxizität überleben. Erhalten sie danach nicht regelmäßig eine Dosis, zeigen sich schwerwiegende Mangelerscheinungen.

Zu Beginn des Buches geschieht ein weiterer schwerer Unfall mit Irrlicht, und in den aufkommenden Unruhen agieren verschiedene Gruppen, die jeweils ihren eigenen Zielen nachgehen und oft auch gegeneinander kämpfen. Dabei verändert sich immer wieder die Perspektive, die Ereignisse werden aus dem Blickwinkel verschiedener Personen betrachtet. So ergeben sich interessante Einsichten in die Problematik und die teilweise sehr unterschiedlichen Ziele der Parteien. Die Hauptperson ist die junge Alba, die vom Fliegen träumt und Irrlicht für die Herstellung ihrer Schwingen braucht. Dabei wird sie gegen ihren Willen in die Auseinandersetzung hineingezogen und muss sich entscheiden, wie weit sie für ihren Traum zu gehen bereit ist. Im Laufe des Buches macht sie eine sehr interessante und größtenteils realistische Entwicklung durch. Sehr erfrischend ist das komplette Fehlen eines Kampfes Gut gegen Böse. Zwar gibt es ein gemeinsames Feindbild, aber davon abgesehen weisen die meisten der auftretenden Figuren oder Gruppierungen sowohl gute als auch schlechte Eigenschaften und Verhaltensweisen auf und sind daher sehr zwiespältig. Die meisten haben nur ihre eigenen Interessen und Ziele im Sinn und würden dafür über Leichen gehen. Es ist keine schöne Welt, die da beschrieben wird, aber eine sehr real wirkende. Romantik, große Gefühle oder Humor sucht man hier vergebens, dennoch wirkt die Geschichte nicht bedrückend oder deprimierend, sondern lässt sich leicht lesen und gut verfolgen. Neben kleineren Höhepunkten umfasst ein Spannungsbogen die ganze Geschichte, der eine klare Richtung angibt ohne das Ende vorwegzunehmen. Die Welt, die Schreibweise und die Handlungen und Beschreibungen der Personen passen zueinander.

Ein paar negative Aspekte sind jedoch auch zu nennen. Es treten sehr viele Figuren aus unterschiedlichen Gruppen auf, an die man sich erst gewöhnen muss und die man zunächst leicht durcheinanderbringt. Hilfreich ist das Personenverzeichnis am Ende des Buches. Die zahlreichen Perspektivwechsel sind zwar sehr interessant, stören aber auch etwas und erschweren gerade am Anfang die Orientierung. Zwar sind die Charaktere oft sehr vielschichtig, allerdings zeichnet die meisten eine gewisse Hartherzigkeit aus, die es schwierig macht, sie zu mögen oder sich gar mit ihnen zu identifizieren. Verstärkt wird dies durch den oft gegenseitigen Hass. Als letzten Punkt möchte ich noch ein paar nicht weiter schwerwiegende Logiklücken nennen und auch mit dem Ende war ich nicht ganz zufrieden.

Das ist jedoch Jammern auf hohem Niveau: „Irrlichtfeuer“ hat mich sehr gefesselt, es ließ sich gut und leicht lesen und die Spannung blieb bis zum Schluss erhalten, da ich mir nie sicher sein konnte, wie die Geschichte ausgeht. Die düster gehaltene Welt und die vielschichtigen, auch negativen Charaktere unterscheiden es von typischen Büchern der Fantasy. Trotz der genannten negativen Aspekte gebe ich ihm daher fünf Sterne und empfehle es allen, die Urban Fantasy mögen, auf eine romantische Liebesgeschichte verzichten können und zwiespältige, wenig idealistische Charaktere schätzen.

Anmerkung zu „Irrlichtkinder“: Diese Kurzgeschichte spielt vor den Ereignissen in „Irrlichtfeuer“ und beschreibt die Entstehung der darin auftretenden Irrlichtkinder. Ich habe sie nach dem Buch gelesen und empfand sie als recht interessante Zusatzinformation, denke aber, dass sie nicht geeignet ist, um in die Welt einzusteigen. Es wird wenig erklärt und da sie als Vorgeschichte dient, hat sie ein offenes, nicht befriedigendes Ende. Zudem sagen einem die auftretenden Personen nichts, sodass man vermutlich keine nähere Bindung zu ihnen aufbauen kann. Mein Rat daher: „Irrlichtfeuer“ zuerst lesen und dann entscheiden, ob die Vorgeschichte interessiert.

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