Rezension zu "Klingende Saiten" von Julia Rösner
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Bei diesem Roman handelt es sich um den dritten und voraussichtlich auch letzten Teil der Denisa-Reihe, die aus “Licht im Nebel”, “Die letzte Seite” und “Klingende Saiten” besteht.
Denisa hat sich nach dem Begräbnis von Mias Vater von ihrer Freundin verabschiedet, um den Geheimnissen ihrer eigenen Familie auf die Spur zu kommen, die inzwischen nur noch aus ihrem völlig fremden Vater besteht. Nach der ersten Kontaktaufnahme spürt Denisa sofort, dass ihr Vater Theo froh ist, sie kennenzulernen, doch seine neue Familie scheint etwas zu verbergen. Was ist es, und warum verhält sich Theo immer wieder so seltsam? Denisa muss die Wahrheit ertragen lernen, und die zarten und Geborgenheit spendenden Gefühle einer neu entbrennenden Liebe helfen ihr dabei.
Die Denisa-Reihe beginnt in der Weihnachtszeit mit Teil eins, entwickelt sich im anbrechenden Frühling mit der Krankheit von Mias Vater in Teil zwei in eine komplett neue Richtung weiter und dreht sich nun, nachdem es Sommer geworden ist, wieder ganz um Denisa. Sie reist durchs halbe Land, in einen kleinen Ort, in dem sie laut Internetrecherche ihren Vater Theo vermutet. Blühende, wuchernde Natur umgibt uns in diesem Teil ebenso wie eine gemütliche Dorfatmosphäre und die Idylle eines typisch italienischen Restaurants.
Denisa wirkt auf mich in diesem Abschnitt der Geschichte viel gelöster und offener als zuvor, was sicher an den vielen Erlebnissen liegt, die sie seit dem Tod ihrer Oma bereits hinter sich hat und die sie aus ihrem Alltagstrott herausgeholt haben und ihr gezeigt haben, dass das Leben noch viel mehr zu bieten hat. Doch die Suche nach ihrem Vater ist für Denisa mehr als nur der Versuch, einen Menschen kennenzulernen, der für sie Familie sein könnte. Sie versucht dabei auch, herauszufinden, wer sie selbst ist, und was sie über ihre Oma denken soll, die ihr nie von ihrem Vater und nur wenig von ihrer Mutter erzählt hat. Wozu die ganze Geheimniskrämerei? Es gilt, die Rätsel rund um ihre Eltern zu lüften.
Und völlig unerwartet taucht auch eine neue Liebe in Denisas Leben auf. Ein Mensch, der es schafft, Denisa Geborgenheit und Wärme zu geben, ihr aber durch seinen Familienclan und dessen Zusammenhalt klar und deutlich vor Augen führt, dass sie selbst keine Familie hat außer diesem Vater, den sie kaum kennt, und wie wichtig es auch deshalb für sie ist, ihn nicht auch zu verlieren.
Dieses Buch thematisiert die schwierige Situation, vor der Kinder stehen, wenn ein Elternteil eine neue Familie gegründet hat, zu der sie nicht dazu gehören. Das Gefühl, unerwünscht zu sein, oder wie ein störender Fremdkörper in eine Familie einzudringen, umgibt Denisa immer wieder. Dabei werden auch die Beweggründe der anderen Familienmitglieder sichtbar und nachvollziehbar, doch zwischendurch blitzen auch die Vorteile auf, die eine Patchworkfamilie mit sich bringen kann.
Im zweiten Handlungsstrang erkennen wir, dass Denisa auch in ihren außerfamiliären Beziehungen viele Hürden zu überwinden hat, was auf ihren Mangel an Erfahrungen zurückzuführen ist, und vielleicht auch seinen Ursprung in ihrem Leben mit ihrer Oma, ganz ohne Geschwister hat. Sie erkennt, wie schön es sein muss, eine große Familie zu haben, die zusammenhält und auf die man vertrauen kann, und hadert immer wieder mit ihrem eigenen Schicksal.
Dennoch ist auch sie nicht allein, sie wird um viele Erkenntnisse reicher und zeigt Mut dazu, ihre Zukunft zu gestalten und neue Wege zu gehen, auch wenn sie ihre Vergangenheit nun mal nicht ändern kann.
Ich empfand diesen Teil der Geschichte sehr locker geschrieben und flüssig zu lesen, die Dialoge wirken echt und passen zu den Menschen, der sprachliche Ausdruck war nicht zu kompliziert, aber dennoch sehr abwechslungsreich und anregend gestaltet. Die Autorin hat sich meiner Meinung nach in dieser Reihe von Buch zu Buch gesteigert, und mir hat der abschließende Teil wieder sehr gefallen. Sie übermittelt eine hoffnungsvolle Botschaft durch ihre Geschichte, die Mut macht und dazu animiert, ungewohntes Terrain zu betreten und sich voll und ganz auf das Leben mit seinen vielen Möglichkeiten einzulassen.