Kurzmeinung:
Andere Umstände von Julia Zejn ist eine gelungene Graphic Novel über Beziehungen, Familienplanung, ungewollte Schwangerschaft und deren Auswirkungen. Wie auch mit ihrem ersten Comic "Drei Wege" konnte mich die Autorin auch mit diesem Werk wieder begeistern. Das Thema ist ernst und in dem Comic sehr gut bearbeitet und dargestellt. Außerdem liebe ich einfach den Zeichenstil der Künstlerin.
Meine Meinung:
In dem Buch begleiten wir Anja. Sie ist Ende Zwanzig, Doktorandin und seit einiger Zeit mit dem DJ Olli zusammen. Die beiden sind sehr unterschiedlich und in ihrem Zusammenleben gibt es Höhen und Tiefen. Als Anja ungewollt schwanger wird, stellt das das Paar und Anja insbesonderem vor eine große Entscheidung.
Die Handlung ist schnell erzählt. Das Wesentliche passiert in den Zwischentönen. Wir tauchen ein in den Alltag der Protagonisten, und in ihre Gedankenwelt. Die Autorin lässt uns teilhaben an Ängsten und Träumen, an Wünschen und Überlegungen. Schon auf den ersten Seiten erfahren wir, dass Anja schwanger ist und das sie darüber nicht glücklich zu sein scheint. Nach und nach erfahren wir, wie es dazu kam und welche Grüne es für Anja gibt, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt eigentlich keine Kinder wünscht. Da ist zum Beispiel der Zeitpunkt, mitten in ihrer Arbeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin, oder ihr Partner Olli, ein Tagträumer und nicht der zuverlässige Partner, den sie sich zur Familiengründung wünschen würde, um nur einige Beispiele zu nennen.
Es geht viel um Beziehungen und wie sie sich durch die Umstände verändern. Seien das Freundschaften, die sich auseinanderleben, oder Liebesbeziehungen, die sich durch Schwangerschaft oder gemeinsame Kinder verändern. Und natürlich geht es ganz zentral um ungewollte Schwangerschaft und um das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper.
Der Ton ist dabei sensibel und unaufgeregt. Durch die vielen dunklen, grau-schwarzen Farben wird eine Schwere deutlich, die Anja alleine tragen muss und die sie zeitweise von den anderen isoliert. Sie hadert mit sich, zweifelt. Fragt sich, ob sie sich gegen ein Kind entscheiden darf, wenn der Kollege und seine Frau schon so lange erfolglos versuchen, schwanger zu werden. Zejn lässt sich Zeit, diese Geschichte langsam zu erzählen, gibt der Protagonistin Raum, sich zu entwickeln. Nach und nach kommen auch wieder mehr Farben hinzu und Anja trifft ihre Entscheidung und findet ihren Weg.
Fazit:
Mit "Andere Umstände" hat Julia Zejn eine Graphic Novel geschaffen, die in schönen Bildern ein ernstes Thema behandelt. In den Seiten steckt ganz viel Emotion. Wir dürfen nah heran an die Protagonisten, dürfen eintauchen in ihr Leben und ihre Gedanken. Ihre emotionale und persönliche Entwicklungen begleiten wir in kurzen Texten, feinen Strichen und bunten Farben.
Für mich ist es ein klares Bekenntnis zu Selbstbestimmung und schafft Verständnis für die Situation von Frauen, die ungewollt schwanger werden, und der Entscheidung, die sie für sich treffen.
Ich kann euch den Comic sehr ans Herz legen.
Julia Zejn
Alle Bücher von Julia Zejn
Drei Wege
Andere Umstände
Neue Rezensionen zu Julia Zejn
Kurzmeinung:
Drei Wege von Julia Zejn ist einfach großartig. Drei Frauen, drei Geschichten, eine wunderschöne Graphic Novel. Mit jeweils 50 Jahren Abstand und in jeweils einer anderen Farbe wird der Lebensweg einer der drei Frauen in wunderschönen Zeichnungen dargestellt. Ganz große Leseempfehlung.
Meine Meinung:
Ok, ich werde euch hier jetzt ordentlich was vor schwärmen und ihr müsst das jetzt einfach aushalten. Und euch im besten Falle anstecken und begeistern lassen. Denn O-M-G ist diese Graphic Novel wunderschöne. Ich habe mich sofort in die feinen Zeichnungen verliebt.
Wir verfolgen drei junge Frauen auf ihrem Weg durchs Leben.
Zunächst wäre da Ida, die im Jahr 1918 als Dienstmädchen im Haus einer wohlhabenden Arztfamilie arbeitet und dort den Ende des ersten Weltkrieg erlebt.
Dann Marlies, die in den 68ern die erste Liebe erlebt und anfängt, gegen ihre Eltern zu rebellieren.
Und schließlich Selin, die 2018 gerade ihr Abitur gemacht hat und nicht so richtig weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Von ihren Eltern und ihren Freunden bekommt sie Druck, sich zu entscheiden. Doch sie lässt sich erstmal treiben und muss ihren Weg erst noch finden.
Besonders gut gefallen hat mit der wirklich wunderschöne Zeichenstil. Die Zeichnungen sind gar nicht so, wie ich sie aus anderen Comics kenne, sondern viel feiner und weicher. Sehr gelungen fand ich auch, dass jede der drei Frauen eine eigene Farbe bekommen hat. So konnte man trotz der Zeitsprünge und Perspektivwechsel sofort erkennen, in welcher Geschichte man sich gerade befindet.
Auch die Stimmung und die Probleme und Anforderungen der jeweiligen Zeit werden sehr gut dargestellt.
1918 ist Deutschland im Krieg, die Lebensmittel knapp. Frauen müssen viel Leisten, und sich ansonsten fügen.
1968, die Studentenbewegung protestiert gegen noch vorhandene vorhandene faschistische Strukturen, Kinder begehren gegen ihre Eltern auf, wünschen sich ein anderes politisches System. Die Rechte der Frauen werden gestärkt und alte Rollenbilder langsam (!) aufgeweicht.
Und schließlich 2018. Der Druck auf junge Frauen ist noch da, auch wenn vielleicht in anderer Form. Hier geht es um Selbstdarstellung in Zeiten von Social Media. Um den Druck der (Leistungs-) Gesellschaft, schon so früh zu wissen, wer man ist und was man mit seinem Leben machen möchte, um dann entsprechend seine Leistungen erbringen zu können.
Die drei Geschichten werden abwechselnd erzählt und schließlich fein miteinander verwoben.
Fazit:
"Drei Wege" von Julia Zejn ist ein wunderschöner Graphic Novel, der die Lebenswege von drei völlig unterschiedlichen Frauen aus drei sehr verschiedenen Generationen verfolgt. Sehr gut werden die Stimmung und Probleme der jeweiligen Zeit eingefangen und ausgedrückt, wie sich diese auf die persönliche Entwicklung der drei Frauen auswirken. Das alles wird eingefangen von wunderschönen, feinen Zeichnungen und einem authentischen Erzählton.
»Drei Wege« ist eine Graphic Novel, die drei Frauen im zeitlichen Abstand von je 50 Jahren darstellt. Ihre Lebensläufe werden nicht linear dargestellt, sondern die Frauen wechseln sich in Kapiteln ab. Ida, Marlies und Selin, drei junge Frauen zeigen uns die Welt in der sie leben.
Ida lebt zu Beginn 1918 im letzten Jahr des Ersten Weltkrieges in Berlin und ist als Dienstmädchen in der besseren Gesellschaft angestellt. Das Familienoberhaupt, ein Militärarzt, befindet sich im Krieg. Freundlich aufgenommen wird sie in die Familie integriert, darf am Tisch mitessen, unterhält sich mit der Frau des Hauses am Abend bei einem Gläschen ... bis der Mann heimkehrt und die patriarchische Ordnung wieder herstellt. Der Unterschied der armen Menschen, der Masse und der reichen Privilegierten wird hier anschaulich dargestellt durch die schwierigen Verhältnisse in Kriegszeiten.
Marlies, lernt der Leser im Jahr 1968 kennen. Sie stammt aus einer Arbeiterfamilie, liest gern und arbeitet in einem Café. Sie würde lieber eine Ausbildung zur Buchhändlerin machen, was der Vater für unnötig hält, weil sie wie die Schwester bald heiraten wird. Sie lernt den Literaturstudenten Wolfgang aus elitären Verhältnissen kennen, der sich im Berliner SDS engagiert und sich nach dem Dutschke-Attentat mit Marlis` Vater über die BILD-Zeitung streitet. Studentenunruhen und der Marxismus-Theorien sind Neuland für Marlis. Sie will auch Gleichberechtigung, glaubt nicht daran, dass sich mit der Befreiung der Arbeiterklasse die Gleichberechtigung von Mann und Frau einziehen wird, wie Wolfgang erklärt.
Selin lebt in der heutigen Zeit und hat gerade ihr Abitur bestanden. Ihre beste Freundin Alina will in Amerika studieren - was denn sonst. Selin und ihr bester Freund Finn wissen so gar nicht, was ihr Ziel ist, sie lassen sich treiben mir finanziellem Rückhalt der Familie. Die Zukunft macht ihnen Angst, obwohl sie abgesichert erscheint. Finn erklärt Selin, eine Frau kann heute machen, was sie will. Kann sie das und überall auf der Welt? Diese Generation steht im Glauben gleichberechtigt zu sein, schaut nicht hin, vernachlässigt das, wofür Generationen von Frauen vorher hart gekämpft haben. Eine feinfühlige Buchhändlerin empfiehlt Selin als Geschenk für eine Freundin, die gerade einen Selbstmordversuch versuchte, Erich Fromms »Haben oder Sein« zu lesen, um wieder Orientierung im Leben zu finden.
Marlis trifft auf Selin wie auch auf Ida. Sie ist die Verknüpfung der Generationen. Drei junge Frauen müssen Entscheidungen treffen, ihren Lebensweg zu gestalten. Drei Gesellschaftsbilder, historische Ereignisse, aber auch die Entwicklung der Frauenbewegung wird automatisch mitgeliefert. Die Zeichnungen sind minimalistisch, wenn es um die Person direkt geht, opulent, wenn es die Zeitgeschichte zeigt, wie Wohnungseinrichtung, Essen, Straßenbilder. Kriegsgeschehen und Straßenkämpfe wirken düster und bedrohlich. Julia Zejn schafft es, mit ihren Bildern Atmosphäre zu schaffen – ein Bild kann mehr als Worte ausdrücken. Ich finde, die Grafiknovelle ist spannend, trifft emotional, beleuchtet historisch die Rolle der Frau in der Gesellschaft, eine geglückte Kombination, die nachdenklich macht.
Julia Zejn, studierte Kommunikationsdesign mit Schwerpunkt Illustration und Animation. Seit 2013 arbeitet sie freiberuflich als Illustratorin, unter anderem für diverse Theaterproduktionen und als Live-Zeichnerin. Sie lebt und arbeitet in Leipzig.
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