Cover des Buches Eine Klasse für sich (ISBN: 9783570100158)
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Rezension zu Eine Klasse für sich von Julian Fellowes

Rezension zu "Eine Klasse für sich" von Julian Fellowes

von M.Lehmann-Pape vor 13 Jahren

Rezension

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M.Lehmann-Papevor 13 Jahren
Erlebnis der Eleganz Nicht nur die Geschichte , die Figuren und die dargestellten Ereignisse samt Atmosphäre greifen zurück auf eine vergangene, der Zeit anheim gefallene Lebenshaltung. Auch die Form, der Stil, den Fellowes zur Darstellung wählt, ist bereits ein elegantes und geschliffenes Erlebnis für sich. Mit vielerlei bildlichen Darstellungen, meist ebenso diskret und indirekt andeutend genutzt wie seine Protagonisten es gewohnt sind (auch wenn „eine Nase wie Pinocchio“ zeigt, dass Fellowes auch ganz direkt zu beschreiben versteht) und einem hohen Wortschatz inmitten durchgehend versierter Formulierungen, gelingt es Fellowes, seinem Rückblick auf die Zeit des Abgesangs der klar getrennten Klassengesellschaft Englands eine angemessene und wunderbare Form zu geben. Im Zug einer Rahmenhandlung in der Gegenwart, in jener der Ich-Erzähler des Buches Damian, einen alten Freund-Feind nach 40 Jahren wieder trifft, mit dem es im Rahmen eines, lange Zeit nur angedeuteten, Affronts zum Bruch kam und jenem dann zusagt, sich auf die Suche nach einem eventuellen Sohn aus jener Zeit (mit einer der Damen aus höherer Gesellschaft, die in Frage kämen) zu machen, setzt Fellowes einen intensiven Rückblick auf jene Zeit in der „höheren Gesellschaft“ Englands in den Raum. Denn der Ich-Erzähler erinnert sich. Ausführlich und ohne zu große Wehmut an die Ereignisse damals zurück. Vor allem an jene jungen Frauen, die er selbst alle kannte und bei deren einer er mit Damian durchaus in einer inneren Konkurrenz stand. Zurückhaltend und distinguiert, versteht sich. Eine Zeit, in der eine „festliche Gesellschaft an einem lauen Sommerabend immer etwas von einem Versprechen hatte. Auch wenn es meistens nicht eingelöst wird“. Das Ende der 60er Jahre ist es, das im Zentrum des Buches steht. Eine Zeitenwende, in der einerseits zwar der Frack noch als angemessene Kleidung für Abendanlässe gilt, andererseits aber die „neue Welt“ sich im Rahmen der Pop-Art und der Befreiung von alten Konventionen ankündigt. Eine „neue Welt“, die Fellowes in der Person des Damian bestens integriert vor Augen führt. Einer, der smart, geschickt und strategisch vorzugehen versteht und dennoch hohen Wert auf den Zugang zur besseren Gesellschaft sucht. Eine Gesellschaft, die sich zur „Saison“ rüstet, zur Vorstellung der Debütantinnen. Seinesgleichen vorgestellt werden, untereinander Kontakte knüpfen, die feinen Unterschiede in den eigenen Kreisen erkennen lernen, das ist, was im Raume steht. Und das ist, was jener Damian gründlich für seine eigenen Zwecke ausnutzt. Einer, der eben nicht mehr innerlich an Konventionen gebunden ist, sich dennoch sehr wohl zu benehmen weiß und die Herzen der jungen Frauen im Sturm erobert. Daher gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, wer jene mögliche Mutter eines Sohnes ist, die ihm vor Zeiten einen bitteren Brief geschrieben hat. In die Welt herrschaftlicher Häuser, versnobten Adels und skurriler Eltern entführt Fellowes treffsicher anhand von Teegesellschaften, Cocktailpartys, festlichen Diners und Bällen. Und zugleich in die Welt neu entstehender Clubs, Tanzcafes, mit denen zugleich auch eine andere Lebenshaltung bis hin zur französisch angehauchten Küche England eroberte. Nicht nur eine Erinnerung an längst vergangene Zeiten ist es zudem im Buch, die Fellowes beschört, sondern die Geschichte selber bildet den Abgesang einer Zeit ab, in der über Jahrhunderte hinweg geltende Regeln und für alles festgelegte Konventionen ein Ende finden. In den stillen Momenten des Buches wird deutlich, welch gewaltiger Einschnitt in die gesellschaftlichen Gefüge jener Zeit der zweite Weltkrieg bedeutet hat. Wunderbar leicht und elegant erzählt, in jede einzelne Figur mit Sorgfalt die entsprechende Atmosphäre hineinlegend, ist Julian Fellowes wiederum ein literarisch hochwertiges Buch gelungen, in dem er weder vergangenen Zeiten hinterher weint noch der vermeintlich modernen Welt den absoluten Vorzug gibt. Beide Welten hatten und haben ihre Kraft und ihre Berechtigung. Sehr empfehlenswert.
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