1980, College Milieu in Cambridge, Psychiater stößt an seine Grenzen
von GersBea
Kurzmeinung: Psychiater versucht einen lang zurückliegenden Todesfall zu entwirren – nett zu lesen
Rezension
Dieser mit Intelligenz und ungewöhnlicher Spannung geschriebene Roman erzählt die Geschichte eines ebenso psychologischen wie kriminalistischen »Falls«. Er beginnt mit einer scheinbar alltäglichen Situation: Dr. Welchmann, ein erfahrener Psychiater in Cambridge, übernimmt einen neuen Patienten mit einem interessanten Symptom. Alex Brinton, ein junger Student, leidet unter einer zwanghaften Angst – er kann die Treppe im Seminar nicht hinuntergehen.
Dr. Welchmann leitet routinemäßig die Analyse ein und deckt schließlich die traumatische Erfahrung seines Patienten auf: Alex Brinton musste als kleines Kind beobachten, wie seine Mutter die Kellertreppe hinunterstürzte – oder gestoßen wurde – und dabei starb.
Als Dr. Welchmann sich entschließt, den Rat eines Kollegen: »Wecken Sie keine schlafenden Hunde« zu überhören, begibt er sich in das unabsehbare Labyrinth einer Familientragödie, die mehr und mehr auch ihn selbst, sein Leben, sein Zuhause, seine Ehe betrifft. Er, der lediglich ein Symptom mitrationalen Mitteln kurieren wollte, hat nun mit seinen eigenen Geistern zu kämpfen…
Julian Gloag ist mit Schlafende Hunde lügen eine hervorragende Synthese des psychologischen Romans mit dem Detektivroman gelungen. Das Geschehen, voller Schocks, Überraschungen und Logik wie das Unbewußte selbst, lässt den Leser nicht mehr los.
Der Autor (Klappentext):
Julian Gloag wurde in London geboren. Nach seinem Studium in Cambridge ging er für längere Zeiten in die Vereinigten Staaten, wo er zuletzt als Verlagslektor in New York arbeitete. Seit 1963 freier Schriftsteller; lebt heute mit seiner Frau und zwei Kindern in Paris. Schlafende Hunde lügen ist nach Als ob nichts geschehen wäre und Die sanfte Tote sein dritter Roman.
Rezension:
Dr. Hugh Welchmann ist ein nikotinsüchtiger Psychiater in Cambridge. Zusammen mit seiner kalten beziehungsunfähigen Frau Julia wohnt er im kalten blumenlosen Landhause Hillside. Die englische Oberschicht mit ihrem klassenspezifischen Smalltalk, ihren gesellschaftlichen Konventionen und »Spielchen« sind detailreich beschrieben und gut getroffen: ständig wird ein Drink genommen und massenhaft geraucht ;-).
Der Kriminalfall wird aus verschiedenen Sichten geschildert: der der Betroffenen und Verdächtigen und vor allem aus dem Blickwinkel des Psychiaters.
Mit jeder neuen Tatsache, jeder neuen Erläuterung von Beteiligten zerfallen die bisherigen Erkenntnisse in viele kleine Mosaiksteinchen und werden mühsam wieder neu zusammengesetzt.
Hugh verliert seine professionelle Distanz und mischt sich aktiv in die Ermittlungen ein – nicht zu seinem Vorteil. Am Ende steht er vor dem Scherbenhaufen seines bisherigen Lebens.
Dieses ständige Drehen und Wenden der Tatsachen fand ich einerseits ermüdend und mitunter sehr langatmig, andererseits war ich oft überrascht und wollte unbedingt wissen wie die Geschichte ausgeht.
Ich vergebe 4 Sterne mit einer Tendenz zu eher 3,5 Sternen.