Antoine lebt in einem kleinen Dorf auf Korsika. Da die Dorfbewohner kaum mehr als Beleidigungen an ihn richten, erzählt der etwas geistig behinderte aber sehr empathische Mann seine Lebensgeschichte einem kaputten Plastikstuhl. Und die ist alles andere als leichte Kost.
Diskriminierung, Schläge, Spott, Hunger, falsche Verdächtigungen und sehr wenig Liebe dominieren sein Leben. Der Vater säuft, den Geschwistern ist er peinlich, die Mutter starb bei seiner Geburt. Niemand will sich kümmern, schon gar nicht seinen Defiziten angemessen. Dabei ist Antoine herzlich, gutmütig und gar nicht so blöd, wie alle denken. Nur Florence nimmt ihn ernst, doch als das Mädchen stirbt, steht er schnell als der Schuldige da.
Antoines Sprache als Ich-Erzähler ist sehr passend: Simpel, ein wenig durcheinander, ehrlich. Leider ist die Geschichte insgesamt ein wenig vorhersehbar und für meinen Geschmack zu sehr in die Tragik-Schiene geraten und daher leider recht eintönig.
Die Erzählperspektive hat mir wirklich gut gefallen aber weniger Leid und vielleicht noch ein weiterer Erzähler hätten der Geschichte gut getan. Insgesamt also ein interessanter Roman mit Abstrichen.
Julie Estève
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Julie Estève
Ich, Antoine
Lola
Ich, Antoine: Roman
Vee Speers
Neue Rezensionen zu Julie Estève
Die Idee dieses Buches ist ganz spannend.
In einem Dorf im Korsika der 80er scheinen die Uhren anders zu ticken. Da lebt Antoine, der Trottel, der Spasti, der Blödmann, der Dorfdepp, von Inklusion hat da noch keiner gehört. Statt Verständnis gibt es Schläge von seinem Vater und ist etwas passiert, hat man den Schuldigen gefunden, bevor man einen suchte.
In einfacher, gewöhnungsbedürftiger Sprache erzählt hier Antoine, wie es ihm so erging, erinnert sich auch, wie es war, als die kleine Florence starb und er ins Gefängnis kam.
Seine Geschichte ist tragisch und erschütternd, dennoch hat mir ein bisschen was gefehlt, was mich komplett mitgenommen hätte. Vielleicht hätte es ein klein wenig mehr Ambiente benötigt, eine andere Perspektive, oder sonst irgendwas, was das Setting vertieft. Hier bekommt man Antoine pur, und der ist nun mal eher schlicht. Auch der derbe Erzählstil wirkt auf Dauer mehr ermüdend als mitreißend.
Dieses Buch ist durchaus lesenswert, aber ein Highlight ist es nicht. Das selbe Thema ist in „Meine Königin“ von Jean-Baptiste Andrea sehr viel eindringlicher verarbeitet worden.
Antoine Orsini lebt in einem Dorf auf Korsika. Zeit seines Lebens ist er Außenseiter, dem Spott und der Gehässigkeit seiner Mitmenschen ausgesetzt. Denn Antoine ist mental retardiert. So spricht Antoine lieber mit Bäumen und verbringt seine Zeit mit „seinem besten Freund“, einem Diktiergerät.
Als Jugendlicher nimmt er eine Art Beschützerrolle für die 16-jährige Florence ein. Doch als diese eines Tages tot in Pinienwald gefunden wird, sieht man in Antoine sofort den Schuldigen und er kommt für Jahre ins Gefängnis.
„Ich, Antoine“ ist ein sehr unangenehmer Roman, den die französische Schriftstellerin Julie Estève vorgelegt hat. Antoine ist eine Zumutung. Er ist ungepflegt, penetrant und vulgär. Mit Sicherheit kein liebenswerter tumber Tor, sondern ein handfestes Ekel. Diesen Protagonisten zu mögen ist kein leichtes Unterfangen.
Die Geschichte beginnt mit Antoines Beerdigung. Das ganze Dorf hat sich versammelt, nicht aus Trauer oder Pietät.
„Die Vögel und der Wind schweigen, während die Versammlung ihre geheuchelten Tränen vergießt. Endlich sind wir ihn los, denkt sie.“
Danach erfolgt in verkürzter - passend zu Antoines kognitivem Defizit - und derber Sprache, Antoines Erzählung seiner Lebensgeschichte. Der unzuverlässige Erzähler hält sich nicht an einen Zeitrahmen, kommt vom heute ins gestern und wieder zurück, ganz wie es seine Gedankensprünge zulassen.
seiner Kürze ist das Buch immens eindrucksvoll. Was hier auf so wenigen Seiten erzählt wird: die mangelnde Inklusion, Alkoholismus, physische und sexuelle Gewalt. Dieses Buch ist quälend, abstoßend, ein einziger Schwall an Ungerechtigkeit und Trostlosigkeit. Ein Dorf der Chancenlosen, so rohe Menschen, dass es in der Geballtheit kaum auszuhalten geht. Wenn am Buchrücken von „ergreifender Menschlichkeit“ die Rede ist, dann geht es nicht um (Mit)Menschlichkeit. Julie Estève macht schonungslos das Versagen einer Gesellschaft und eine unschöne Realität sichtbar. Das ist es was dieses Buch ausmacht.
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