Der Roman ist ein komplexes Geflecht, in dem vier Einzelschicksale miteinander verwoben sind: Die Wäscherin Angèle will eigentlich raus aus dem öden Provinzdasein, doch ihre schwerhörige Chefin braucht sie. Guéret könnte ihr Weg in eine neue Existenz sein. Der aber, Opfer unkontrollierbarer Begierde, vergreift sich, in Unkenntnis ihrer Gefühle, grausam an ihr und begeht dann in einer absurden Abwärtsspirale gleich ein noch größeres Verbrechen. Er ermordet einen vermeintlichen Zeugen. Guéret fühlt sich gehetzt, taucht unter. Die Frau, für die er als Hauslehrer tätig war, ist ihres Ehemanns überdrüssig und heimlich in ihn verliebt. Er verabscheut sie, lässt sich aber trotzdem von ihr verstecken. Wird sie ihn aber wirklich decken oder am Ende doch verraten? Und wird Angèle, die brutal Entstellte, die Identität des Täters nicht doch irgendwann enthüllen? Widersprüchliche, widerstreitende Gefühle bestimmen Greens tragische Helden und Heldinnen. Fest steht nur eines: Egal, wie schlecht es einem geht, in der Haut von Guéret möchte niemand jemals auch nur einen Tag lang stecken!
Greens großer Wurf ist ein Kompendium menschlicher Verworfenheit, eine Exemplifikation des Genesis-Verdikts: "Das Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf", meisterhaft im Beleuchten von Innenansichten mittels erlebter Rede. Ein beklemmendes Buch, ein Werk, das unter die Haut geht, allerdings in Anbetracht der völligen Abwesenheit von Hoffnungsschimmern als Antidepressivum ungeeignet ist.
Julien Green
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
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Rezension zu "Von fernen Ländern" von Julien Green
Georgia 1850: Nachdem die Familie der jungen Engländerin Elizabeth von einem schweren Schicksalsschlag getroffen wird, wird die junge Frau zu reichen Verwandten in den amerikanischen Süden geschickt, wo sie zu einer wohlerzogenen und kultivierten Frau erzogen werden soll. Mit ihrer Ankunft in Georgia ändert sich das Leben des jungen Mädchens schlagartig und sie wird in eine Welt hineingezogen, von der sie zuvor nur träumen konnte. Durch ihre Ankunft auf der herrschaftlichen Baumwollplantage Dimwood verändert sich das bisher ruhige Leben der Hausbewohner schlagartig. Mit ihrer ausgesprochenen Schönheit und Eleganz, ihrem Geist und ihre Intelligenz, aber auch ihrer Sturheit, ihrer Geradlinigkeit und ihren modernen Ideen stiftet sie zunehmend Unruhe. Das alte Leben in England war so viel anders und beschaulicher und vieles in der neuen Welt schockiert Elizabeth und die Dekadenz und Falschheit der illustren Gesellschaft machen ihr zu schaffen. Und auch ihre romantischen Gefühle drohen Elizabeth zu Fall zu bringen.
Der Schreibstil hat mich wirklich beeindruckt. Bunt und mit dem süßen, schweren Duft der Magnolien in der Nase wird der Leser in die Zeit des vermeintlichen Glanzes der Südstaaten versetzt. Ich konnte schon fast die schwüle Hitze eines drückend heißen Sommertags während des Lesens auf meiner Haut spüren und die moosbewachsenen Bäume sehen, die von der Sommerhitze niedergedrückt werden. Über dem ganzen liegt aber auch noch eine drückend düstere Stimmung, die den Untergang dieser dekadenten Gesellschaft, der jeden Moment über Elizabeth und die anderen Charaktere hereinbrechen könnte, greifbar macht. Wirklich begeistern konnten mich auch die Charaktere, die außergewöhnlich facettenreich und einzigartig gestaltet sind. Jeder scheint irgend ein dunkles Geheimnis mit sich rumzutragen, das er am liebsten sofort tief im Inneren der Seele vergraben würde. Ein wenig störte mich allerdings, wenn Elizabeth hin und wieder eine ihrer kindischen, naiven Phasen bekam. Allerdings muss man sagen, dass durch diesen Wechsel zwischen trotzigem, für Kinder typischem Verhalten und dem einer aufgeschlossenen intelligenten Dame von Welt, die bereits das Erwachsenenalter erreicht hat, das Verhalten Elizabeths als Sechzehnjährige authentisch und realitätsnah widerspiegelt. Positiv beeindruckt wurde ich auch von der überragenden Recherchearbeit des Autors. Das Leben der Oberklasse mit ihren frivolen Veranstaltungen und strengen Regeln, aber auch wie andere Gesellschaftsschichten wie der "Poor white Thrash" oder die Sklaven von ihnen behandelt wurden, wird äußerst authentisch dargestellt. Besonders gefallen haben mir auch die Beschreibungen der angespannten politischen Lage in den USA vor dem Sezessionskrieg, die sich über das ganze Buch zogen und mehr das Gefühl eines nahenden Unglücks verstärkten. dabei wurden die Sachverhalte auch spannend und interessant erläutert ich habe wirklich etwas über die politischen Geschehnisse der damaligen Zeit gelernt. Gefallen hat mir auch, dass damalige politische Größen wie Henry Clay erwähnt wurden, und deren Bedeutung in der Geschichte. Einzig und allein störte mich ein wenig, dass es im Buch immer wieder zu etwas langatmigen Stellen kam, die meinen Lesefluss beeinträchtigten, was das Buch aber nicht minder lesenswert macht.
Die Geschichte ist eine große Empfehlung an alle, die sich gerne mit der Geschichte Amerikas im 19. Jahrhundert auseinandersetzen und gerne historische Romane lesen. Allerdings sollte man für das Buch schon ein wenig Wissen über die damaligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse haben. Der Schreibstil und die Recherchearbeit haben mich dermaßen beeindruckt, dass dies definitiv nicht mein letztes Buch von Julien Green gewesen sein wird.
Rezension zu "Die letzten Dinge" von Iris Radisch
Ich hatte es so verstanden, wie mir die Einleitung vorgegaukelt hat, dass sich alte Menschen - hier nur Schriftsteller - zum Alter äußern und dass man aus diesem Buch etwas mitnehmen könnte, weise Gedanken, Anregungen, Überlegungen.
So habe ich es aber nicht empfunden. Friederike Mayröcker sagt: "Wo ich nichts exzerpieren kann, lese ich auch nichts." (126) Demnach hätte ich dieses Buch überhaupt nicht lesen müssen. Um bei der Wahrheit zu bleiben: ab ungefähr der Mitte habe ich die Interviews nur noch überflogen, mache der Befragten als sehr unsympathisch und unglücklich empfunden wie z.B. den Polterer Reich-Ranicki, und habe mich gewundert, dass sie aus ihrer Alterssicht so wenig zu diesem Thema zu sagen haben und dass es bei einigen um Gott und Religion geht. Vielleicht lag es aber auch an den Interviewfragen?
Wer sich für die Äußerungen alternder Schriftsteller interessiert (Grass, Walser, Butor, u.a.), dem mag das Buch etwas bieten. Mir hat es nicht gefallen. Ich dachte: Thema verfehlt.
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