Justin Torres

 3,7 Sterne bei 20 Bewertungen
Autor*in von Wir Tiere, Blackouts und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Justin Torres ist der Autor von Wir Tiere, das mit dem VCU Cabell First Novelist Award ausgezeichnet, in fünfzehn Sprachen übersetzt und verfilmt wurde. Sein Roman Blackouts gewann den National Book Award for Fiction und ist nominiert für den National Book Critics Circle Award for Fiction. Er wurde von der National Book Foundation zu einem der "5 Under 35" ernannt, war Wallace-Stegner-Stipendiat an der Stanford University, Stipendiat am Radcliffe Institute for Advanced Study der Harvard University und Stipendiat am Cullman Center der New York Public Library. Seine Kurzgeschichten sind in The New Yorker, Harper's Magazine, Granta, Tin House und The Washington Post erschienen. Er lebt in Los Angeles und ist außerordentlicher Professor für Englisch an der UCLA.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Justin Torres

Cover des Buches Wir Tiere (ISBN: 9783442749553)

Wir Tiere

(15)
Erschienen am 10.08.2015
Cover des Buches Blackouts (ISBN: 9783988160232)

Blackouts

(2)
Erschienen am 02.05.2025
Cover des Buches Blackouts (ISBN: 9780374293574)

Blackouts

(1)
Erschienen am 10.10.2023

Neue Rezensionen zu Justin Torres

Cover des Buches Blackouts (ISBN: 9783988160232)
M

Rezension zu "Blackouts" von Justin Torres

Marcello
Ein poetisches Puzzle aus Erinnerung und Auslöschun

Justin Torres’ zweiter Roman schöpft seine Inspiration aus "Sex Variants: A Study of Homosexual Patterns" (1941), einem medizinisch-psychiatrischen Werk, das auf Interviews mit queeren Menschen des frühen 20. Jahrhunderts basiert. Diese Stimmen geben Einblicke in ihre Gedanken zu Sexualität, Familie und Identität, zugleich sind sie durchzogen von der damaligen Pathologisierung, vom Versuch der „Heilung“ und dem gesellschaftlichen Druck, „normal“ sein zu wollen.

Blackouts greift diese historische Ebene auf und macht daraus eine literarische Auseinandersetzung mit einem Teil queerer Geschichte, der bruchstückhaft, nicht linear und immer wieder von Vergessen, Auslöschung und Verzerrung bedroht ist. Torres zeigt darin auch die harten Seiten dieser Geschichte: Sexarbeit, die Verzweiflung über mangelnde Akzeptanz, suizidale Gedanken – und zugleich die Sehnsucht nach Verständnis und Zugehörigkeit.

Die Rahmenerzählung führt ins "Palace", ein Heim in der Wüste, wo der sterbende Juan Gay lebt. Der Erzähler (gelegentlich "Nene" genannt) besucht ihn und Juan übergibt ihm die Aufgabe, das unvollendete Lebenswerk der queeren Forscherin Jan Gay (alias Helen Reitman) weiterzutragen. Viel des Geschehens besteht aus Gesprächen, Erinnerungen, Fragmenten, dem Erzählen von Geschichten, dem Versuch Lücken zu füllen.

Der Roman selbst ist wie eine Collage: Bilder, redigierte Texte und Dialoge verweben sich. Die Grenzen zwischen Fiktion und historiographischem Material verschwimmen. Nicht alles wird erklärt – die Leerstellen und "Blackouts" sind Teil des Sinns. Der Tod von Juan ist dabei mehr als eine narrative Begebenheit. Er steht für das Verschwinden im größeren Sinn und für die Frage, wie Menschen mit Abwesenheit und Vergänglichkeit umgehen.

Stilistisch ist Blackouts experimentell, fragmentarisch, poetisch. Die Sprache ist kunstvoll, stellenweise mit literarischen, philosophischen und biblischen Anklängen. Torres schreibt ein Buch über Erinnerungslücken, Auslöschung, aber auch über Wiederaufleuchten und Weitererzählen.

Ich habe große Hochachtung vor diesem Projekt und seiner Ambition, eine bedrohte queere Vergangenheit literarisch sichtbar zu machen. Die Sprache ist wunderschön poetisch, die Idee beeindruckend – und dennoch hat mich das Buch nicht ganz so begeistert, wie ich es mir gewünscht hätte. Aus Respekt vor seinem Wagemut, der darin steckenden Recherchearbeit und seiner sprachlichen Schönheit gebe ich Blackouts einen Bonus-Stern.

Cover des Buches Blackouts (ISBN: 9783988160232)
Hyperikums avatar

Rezension zu "Blackouts" von Justin Torres

Hyperikum
Dieses Buch ist eine Bereicherung

Der „Palast“ erhob sich als stattliches Gebäude aus dem Wüstensand. Es musste einmal ein Hotel oder ein Pflegeheim gewesen sein, hatte seine beste Zeit jedoch lange hinter sich gelassen. Der abblätternde Putz bot einen Blick auf rote Backsteine. Hier hatte der Mann, den er besuchen sollte, ein Zimmer gemietet. Der Mann hielt sich am Türrahmen fest, als er die Treppe heraufkam, der Körper ausgezehrt, fast skelletiert, aber in seinen Augen brannte ein Feuer. Er würde bei ihm bleiben, solange es dauerte, versprach er dem Fremden, der sich Juan nannte. Aber eigentlich, und das wusste auch Juan, konnte er nirgends hin. Juan war auf der Suche nach Miss Jan Gay gewesen, deren Nachname auch seiner war. Die Suche hatte Juan lange in Beschlag genommen und er sollte sein Projekt zu Ende bringen. 

Sie waren sich früher schon einmal begegnet, das Leben hatte sie für wenige Wochen zusammengeführt, als er siebzehn war. Damals schon hatte Juan verbraucht und verlebt ausgesehen, mit seiner fleckigen Haut und dem faltigen Gesicht. Sie trafen in einer Einrichtung aufeinander, er zu reif für sein Alter. Sie frisierten die Regeln und brachten ihn bei den Erwachsenen unter. Es machte ihn stolz, auf eine erwachsene Art geistesgestört zu sein. Sie waren Staatsmündel gewesen und standen unter ständiger Beobachtung.

Das Projekt, das er weiterführen sollte, bestand aus einer Aktenmappe mit losen Seiten, Fotografien, Zeitungsartikeln und Notizzetteln. Ein bis zwei Bände mit Forschungsstudien seien damals veröffentlicht worden mit dem Titel: „Sex Variants. A Study in Homosexual Patterns“. Allerdings nicht unter dem Namen der Urheberin Jan Gay. Drei Männer hatten sich ihre Studien angeeignet. Juan wollte der Welt zeigen, dass es Jan und ihre wichtige Arbeit gab.

Fazit: Justin Torres hat eine ungemein feinsinnige Geschichte erzählt, die teils auf historischen Ereignissen, teils auf Fiktion beruht. Seine beiden Protagonisten sind homosexuell und sind von Puerto Rico nach Amerika gekommen. Die lesbische Jan Gay kam ursprünglich aus Deutschland nach Amerika und forschte in den 30er-Jahren zum Thema Homosexualität. Sie wollte die gesellschaftliche Sichtweise, queere Menschen als psychisch krank und kriminell zu stigmatisieren, auflösen. Wie bei so vielen begabten Frauen dieser Zeit haben Männer sich deren Aufzeichnungen angeeignet und zu eigen gemacht. Der Autor webt die Geschichte Jans geschickt in die Existenzen der beiden Männer ein. Und ich erfahre über deren kurzes Zusammensein alles über deren Herkunftsgeschichte, die sie sich, wie in luziden Träumen in den heißen Nächten nebeneinanderliegend, erzählen. Die Stimme des Autors ist so fesselnd, dass ich durch dieses Kunstwerk, mit zahlreichen schwarz-weiß Fotos und den Textausschnitten aus Jans Studien, regelrecht gerauscht bin. Justin Torres hat die Gabe Poesie, Humor, Pathos, Spannung, Lebensweisheit und Melancholie wohldosiert an den richtigen Stellen einzustreuen. Ein ganz wichtiges Buch zur Historie der Homosexualität und für mich eine echte Bereicherung. 

Cover des Buches Wir Tiere (ISBN: 9783442749553)
KasiaJaeckels avatar

Rezension zu "Wir Tiere" von Justin Torres

KasiaJaeckel
Tiefer Nachhall garantiert! Ein Mustread...

Auf der Buchrückseite kann man eine Empfehlung der Vanity Fair lesen:
Ein unwiderstehlicher wilder Roman über das Erwachsenwerden, der Ihnen das Herz brechen wird.“ Zitatende.

Bevor der Roman mein Herz gebrochen hat, hat er es erfüllt. Erfüllt mit dem Blick eines heranwachsenden Jungen, der mit einiger inneren Distanz auf sich und seine Familie blickt.

Die Message

Man entwickelt früh im Buch das Gefühl, dass der Ich-Erzähler der Autor selbst ist und dass er zwei Dinge auf den Weg mitgeben will. Zum einen, wie tief er seine Familie liebt und zum anderen was für einen zähen, wilden und undankbaren Sumpf seine Herkunftsfamilie gebildet hat.

Sein naiv-kindlicher und dennoch gnadenlos sezierender Blick stellt dem Leser alle Familienmitglieder vor. Im Zentrum steht aber die Beziehung zu seinen beiden Brüdern. Die drei Brüder bilden eine Front gegen die Eltern, die nur mit Mühe gegen die Herausforderungen einer Latinomigrantenherkunft ankämpfen. Kontinuierlich droht die Arbeitslosigkeit. Sowohl bei Mutter als auch bei Vater. Gleichzeitig malocht sich zumindest die Mutter in undankbarer Schichtarbeit in einer Brauerei den Buckel krumm. Die Bewältigungsmechanismen der Eltern auf ihre schwierigen Lebensumstände erscheinen zunächst typisch – Alkoholkonsum gehört zum Alltag, lautstarke Konflikte bis hin zu punktueller Gewalt ebenso.

Trotzdem ist das Buch kein typisches „böses Ghetto“-Drama!

Mit Fortschreiten der Geschichte lernen wir die Eltern als auf ihre Art liebende, fürsorgliche Eltern kennen, die sich selbst verloren haben im Sog des Lebens und der Armut.
Es ist wundervoll, wie wir durch den Blick des Kindes mitgenommen werden in die Reaktionen der Brüder und vor allem des Erzählers. Ich bin lange keinem so nachvollziehbaren Erzählpfad gefolgt, der mir aufzeigt, wie kindliche Interpretation funktioniert und kindliche Stressbewältigung.

Die Brüder sind bei weitem keine hilflosen Opfer. Sie sind jeder für sich und alle drei zusammen eine Instanz. Am besten lasse ich an der Stelle den Autor selbst zu Wort kommen:

Zitat

„Als wir Brüder waren, waren wir die Musketiere. ‚Einer für alle! Und alle auf einen!‘, schrien wir und fochten mit unseren Gabeln.
Wir waren Monster – Frankenstein, Frankensteins Braut, Frankensteins Baby. Wir bastelten Zwillen aus Buttermessern und Gummibändern, kauerten unter Autos und schossen mit Kieselsteinen auf weiße Frauen – wir waren die drei Bären, die sich an Goldlöckchen wegen des fehlenden Breichens rächten.
Die Gottezahl ist Drei.
Wir waren die Gotteszahl.“ Zitatende.

Stil

Nicht zuletzt bedient der Autor meine Vorliebe für knappen Schreibstil, wohlgewählte Sätze und unglaublich berührende Metaphern/Bilder. Eine tolle Metapher des „in den Himmel Fallens“ ist auch wunderbar auf dem Cover der Hardcoverversion des Buches umgesetzt. Mittlerweile ist das Cover der Taschenbuchversion anders, nimmt aber ebenso eine Geschichte von vielen auf.

Es gibt in dem Buch keine Einleitung oder auch klassische Spannungskurve. Der Leser wird ebenso grob und wüst in die Welt dieser Familie hineingeschleudert, wie die Protagonisten eben sind. Jedes Kapitel für sich erzählt einen Aspekt und eine neue Minigeschichte.
Alle zusammen formen ein immer schärferes Bild. Ein Bild von Ausbruchsversuchen und ein Bild einer liebevollen, völlig überforderten Familie. Bis zum Ausklang oder Schluß des Buches, welches dann eine kleine Überraschung inkl. Selbstoffenbarung des Erzählers birgt. Nun, ich habe es zumindest nicht kommen sehen.

Fazit

Das Buch hinterlässt einen tiefen Nachhall bei mir und ich gebe aus ganzem Herzen die bestmögliche Bewertung, die ich mir denken kann. Alle Daumen gereckt, keine Fragen oder „Abers“ offen.

Für Dich, mein/e werte/r LeserIn, habe ich nur eine Message: Les´das Buch!
Wenn Euch meine Rezension gefällt, freue ich mich über Blogbesuch auf www.nichtohnemeinbuch.com

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