Justin Torres’ zweiter Roman schöpft seine Inspiration aus "Sex Variants: A Study of Homosexual Patterns" (1941), einem medizinisch-psychiatrischen Werk, das auf Interviews mit queeren Menschen des frühen 20. Jahrhunderts basiert. Diese Stimmen geben Einblicke in ihre Gedanken zu Sexualität, Familie und Identität, zugleich sind sie durchzogen von der damaligen Pathologisierung, vom Versuch der „Heilung“ und dem gesellschaftlichen Druck, „normal“ sein zu wollen.
Blackouts greift diese historische Ebene auf und macht daraus eine literarische Auseinandersetzung mit einem Teil queerer Geschichte, der bruchstückhaft, nicht linear und immer wieder von Vergessen, Auslöschung und Verzerrung bedroht ist. Torres zeigt darin auch die harten Seiten dieser Geschichte: Sexarbeit, die Verzweiflung über mangelnde Akzeptanz, suizidale Gedanken – und zugleich die Sehnsucht nach Verständnis und Zugehörigkeit.
Die Rahmenerzählung führt ins "Palace", ein Heim in der Wüste, wo der sterbende Juan Gay lebt. Der Erzähler (gelegentlich "Nene" genannt) besucht ihn und Juan übergibt ihm die Aufgabe, das unvollendete Lebenswerk der queeren Forscherin Jan Gay (alias Helen Reitman) weiterzutragen. Viel des Geschehens besteht aus Gesprächen, Erinnerungen, Fragmenten, dem Erzählen von Geschichten, dem Versuch Lücken zu füllen.
Der Roman selbst ist wie eine Collage: Bilder, redigierte Texte und Dialoge verweben sich. Die Grenzen zwischen Fiktion und historiographischem Material verschwimmen. Nicht alles wird erklärt – die Leerstellen und "Blackouts" sind Teil des Sinns. Der Tod von Juan ist dabei mehr als eine narrative Begebenheit. Er steht für das Verschwinden im größeren Sinn und für die Frage, wie Menschen mit Abwesenheit und Vergänglichkeit umgehen.
Stilistisch ist Blackouts experimentell, fragmentarisch, poetisch. Die Sprache ist kunstvoll, stellenweise mit literarischen, philosophischen und biblischen Anklängen. Torres schreibt ein Buch über Erinnerungslücken, Auslöschung, aber auch über Wiederaufleuchten und Weitererzählen.
Ich habe große Hochachtung vor diesem Projekt und seiner Ambition, eine bedrohte queere Vergangenheit literarisch sichtbar zu machen. Die Sprache ist wunderschön poetisch, die Idee beeindruckend – und dennoch hat mich das Buch nicht ganz so begeistert, wie ich es mir gewünscht hätte. Aus Respekt vor seinem Wagemut, der darin steckenden Recherchearbeit und seiner sprachlichen Schönheit gebe ich Blackouts einen Bonus-Stern.









