Cover des Buches Unter deutschen Betten (ISBN: 9783426783979)
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Rezension zu Unter deutschen Betten von Justyna Polanska

Rezension zu "Unter deutschen Betten" (J. Polanska)

von Anchesenamun vor 11 Jahren

Rezension

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Anchesenamunvor 11 Jahren
Zum Inhalt:
Justyna Polanska - Der Name ist natürlich nur ein Pseudonym. - kam mit Anfang 20 von Polen nach Deutschland, arbeitete dort erst als Au-Pair, dann als Bedienung und letztendlich als selbstständige Putzfrau. Seit nunmehr über 10 Jahren putzt sie in deutschen Haushalten und hat dort schon vieles erlebt. Einige dieser Erlebnisse hat sie in diesem Buch verarbeitet.

Meine Meinung:
Wenn man sich die Rezensionen bei Amazon anguckt, stellt man fest, dass das Buch viel Stoff für Diskussionen geliefert hat und die Autorin auch jede Menge negativer Kritik einstecken musste. Viele Leute - egal, ob Deutsche oder Polen - fühlen sich über einen Kamm geschert, manchen stößt sauer auf, dass Justyna Polanska ihr Geld illegal verdient usw.usf. Ich versuche meine Meinung unabhängig von diesen Diskussionen wiederzugeben.

Zuerst einmal zu Schreibstil und Aufbau: Das Buch ist einfach gehalten, in einer Umgangssprache, die jeder versteht. Warum auch nicht? Das soll sicherlich nicht zeigen, dass die Autorin als Putzfrau oder Ausländerin sich nicht gewählt ausdrücken könnte (Zumal ich gelesen habe, dass sie wohl auch Ghostwriter hatte.), vielmehr ist das Buch Unterhaltungsliteratur und muss hier nicht mit anspruchsvollen Werken konkurrieren. Gehalten ist es in einzelne, meist kurze Kapitel (1-4 Seiten). Bei mir ist das ja immer so eine psychische Sache... wenn die Kapitel kurz sind, dann lese ich viel länger bzw. mehr, weil ich nicht gerne mitten im Kapitel aufhöre, und dann denke ich mir: "Ach, das nächste Kapitel ist auch so kurz, das geht noch... und das geht auch noch..." Weiß jemand, was ich meine? ;-) Jedenfalls bin ich dementsprechend schnell mit dem Buch fertig gewesen.

Inhaltlich hat mich das Buch nicht so überzeugt. Die absoluten Kracher blieben aus, der "gnadenlos authentische Blick hinter die Fassade der sauberen Deutschen" hat mich nicht beeindruckt. Wirklich schlimme oder erstaunliche Sachen waren nicht dabei, auch wenn sich die Autorin tatsächlich einiges an üblen Dingen hat gefallen lassen müssen in all den Jahren. Andererseits wissen wir ja alle, wie scheinheilig gerade die Reichen und Schönen sind. So verwunderlich ist es also nicht, dass gerade Richterinnen, Polizeiobermeister und andere Gutverdiener es nötig haben, eine Putzfrau schwarz anzustellen oder sich aus irgendwelchen unsinnigen Gründen weigern, das erarbeitete Gehalt vollständig auszuzahlen. Dass die Leute eine Putzfrau behandeln, als sei sie minderbemittelt, sie ignorieren, herumkommandieren,... das konnte ich mir auch schon denken. Denn eine Putzfrau steht auf der sozialen Leiter nunmal leider ganz weit unten, und das darf ich sagen, denn sowohl meine Mutter als auch meine Schwester sind Putzfrauen (gewesen). Man kann sich auch denken, dass irgendwelche feinen Herrschaften zuhause den größten Saustall haben. Trotzdem ist es natürlich ein "Boah"-Gefühl, das alles mal aus Sicht einer Putzfrau zu erfahren, und manchmal habe ich mich auch fremdgeschämt oder war einfach nur fassungslos angesichts der Dreistigkeit mancher Menschen. Wenngleich ich nicht denke, dass Justyna Polanskas Erfahrungen "typisch deutsch" sind, sondern dass dies wohl jede Putzfrau in jedem Land so erlebt haben wird.

Ich teile die Meinung vieler Amazon-Rezensenten nicht unbedingt, dass die Autorin arrogant ist. Sie verhält sich ihren Kunden gegenüber doch idR. sehr freundlich und lässt sich vieles - meiner Meinung nach auch ZU vieles - gefallen. Natürlich kommen da ab und an irgendwelche Klischees über Polen oder Deutsche vor, aber ich hatte nie das Gefühl, die Autorin möchte diese bestätigen, ganz im Gegenteil. Auch weiß sie durchaus zu differenzieren: Es gibt auch genügend nette Deutsche, die faire Arbeitgeber sind. Aber wer möchte schon sowas Unspektakuläres lesen? Natürlich sind es die Arschlöcher und Perversen, die die besten Stories liefern.

Einen roten Faden hat das Buch nicht. Die Geschichten werden völlig willkürlich durcheinander erzählt. Da hätte man vielleicht ein bisschen mehr Struktur reinbringen können. Manche Sachen fand ich auch einfach nicht interessant. Z. B. das Kapitel mit den Putztipps. Sicherlich hilfreich, wenn man sie denn mal gerade braucht, aber dafür gibt es andere Quellen. Z. B. der Blog der Autorin, auf den sie auch verweist, allerdings trotzdem erstmal 13 Seiten lang ihre besten Putztipps zusammenfasst, von denen mir allerdings einige wirklich ein bisschen zu... nun ja... elementär erscheinen, z. B. dass man gegen Wollmäuse unter Möbelstücken durch reglemäßiges Saugen ankommt, "indem man einfach die Bürste vom Staubsauger abmacht und das Rohr unters Bett schiebt"...

Einige Sachen finde ich auch überflüssig. Z. B. einen einseitigen SMS-Austausch mit einem ihrer schwulen Kunden, der völlig belanglos für den Leser ist. Andere Kapitel müssten nicht unnötig in die Länge gezogen werden. Wie z. B. der nervige Typ, der Justyna unbedingt zum Nacktputzen überreden möchte. Sie wimmelt ihn ab, lässt sich aber erstmal auf Diskussionen ein und schreibt darüber 3 Seiten lang. Oder der nette, hübsche Mann, der sich dann als Schwuler herausstellt. Für Justyna Polanska damals eine große Sache, denn in Polen hat man starke Vorbehalte gegen Schwule. Aber eigentlich völlig unspektakulär für den Leser. Man wartet bei vielen Geschichten auf einen Höhepunkt, der aber einfach nicht kommt. Dazu noch zwischendurch Geschichten über die Anfangszeit der Autorin in Deutschland, u. a. ihr Liebeskarussel, bis sie ihren jetzigen Ehemann kennenlernte. Vielleicht nicht völlig uninteressant, aber eigentlich hat das in diesem Buch nichts zu suchen.

Ein bisschen sauer aufgestoßen hat mir das natürlich auch, dass Justyna Polanska schon seit über 10 Jahren ihr - scheinbar nicht ganz unüppiges - Gehalt komplett schwarz verdient. Eigentlich wollte sie sich nur genug Geld zusammensparen, um dann studieren zu können. Das hat sie aber scheinbar auch nach 10 Jahren noch nicht getan, obwohl sie scheinbar durchaus gut von ihrem Schwarzgeld leben kann. Immerhin ist der Autorin klar, dass es nicht ganz korrekt ist, was sie da tut. Sie gibt an, dass sie einmal pro Woche einer alten Frau unentgeltlich im Haushalt hilft und das als ihren Beitrag zum deutschen Sozialsystem ansieht. Das ist dann doch etwas lächerlich. Ich verstehe durchaus, dass man als Putzfrau schlecht verdient und nach Zahlung all der Abgaben kaum was übrig bleibt, wenn man selbstständig ist. Meine Schwester hat jahrelang als Putzfrau in Privathaushalten geputzt, sie hat geackert wie eine Blöde und kam dann doch nach Abzug der Steuern und Versicherungen gerade mal auf Null raus. Aber gerade eben, weil es solche Leute wie Justyna Polanska gibt, die die Preise für Putzfrauen drücken, haben ehrlich arbeitende Menschen keine Chance, von dieser Tätigkeit leben zu können. Natürlich trifft das noch mehr auf die Leute zu, die sich gerne den Luxus einer Haushaltshilfe leisten, aber nicht bereit sind, ein paar Euro mehr pro Stunde zu zahlen, damit diese auch von ihrem Verdienst nach Abzug der Sozialabgaben leben kann und deshalb nur die billigeren Schwarzarbeiter einstellen wollen. Es wundert mich eigentlich sehr, dass Justyna Polanska nach so langer Zeit und nicht spätestens nach Erscheinen ihres Buches (Pseudonym hin oder her) erwischt wurde. Doch ich schweife zu sehr ab...

Alles in Allem ein Buch, das man mal eben schnell gelesen hat und das sicherlich ganz gut unterhält. Ob man dafür unbedingt 8,99 € ausgeben möchte, muss man selbst entscheiden. Aber wenn es einem gerade in die Hände fällt, z. B. in der Bücherei oder in einem Tauschregal, kann man es auf jeden Fall mal mitnehmen und reinschmökern.
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