Jutta Lindekugel

Lebenslauf

Jutta Lindekugel hat 2002 am Lehrstuhl für Ukrainistik in Greifswald promoviert. Seither ist sie neben verschiedenen Festanstellungen in Passau, Genf und Köln freiberuflich als Übersetzerin aus dem Ukrainischen, Autorin von Artikeln und Drehbüchern, Veranstalterin von Lesungen und als Gruppenbegleiterin in einem renommierten Geschichtsmuseum tätig.

Quelle: Verlag / vlb

Neue Bücher

Cover des Buches Die Ukraine (ISBN: 9783442763207)

Die Ukraine

Erscheint am 27.08.2025 als Gebundenes Buch bei btb.

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Neue Rezensionen zu Jutta Lindekugel

Cover des Buches All die Frauen, die das hier überleben (ISBN: 9783709981986)
B

Rezension zu "All die Frauen, die das hier überleben" von Natalja Tschajkowska

buchlesenliebe
Ein Leben in der Hölle

(TW: Physische|psychische|sexuelle häusliche Gewalt) 

„Aber nur ich weiß, was diese Träne bedeutet: eine Träne der Müdigkeit, des Schmerzes, der Qualen, des Leidens … Eine Träne der Erlösung“ (S.365). 


Es sind die Einsamkeit, der Wunsch nach Absicherung, die Sehnsucht nach einem festen Partner an der Seite sowie ein gewisses Sicherheitsdenken, die Ich-Erzählerin Marta nach dem Tod ihrer Mutter dazu veranlassen, im Jahr 2016 eine recht überstürzte und sogenannte Konvenienzehe mit Maksym einzugehen. Einen Mann, den sie kaum kennt. Doch Maksym erweist sich zunächst als gebildet, zuvorkommend, höflich und karrierebewusst. Die Liebe? Sie wird schon noch kommen, davon ist Marta überzeugt. 

Schon bald entpuppt sich Maksym jedoch als menschliches Monster und für die junge Frau beginnt eine erschütternde mehrjährige Odyssee durch die Hölle. Maksym offenbart sich zunehmend als egozentrisch, despotisch, selbstsüchtig, brutal in seinen Worten und Handlungen, unberechenbar, kontroll- und alkoholsüchtig, würdigt Marta in ihrer menschlichen Würde herab, ist nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht, entfremdet seine Frau von ihren Freund*innen und ist vor allem gewaltbereit. Von nun an durchziehen diverse Formen der Gewalt Martas Leben und manifestieren sich in unerträglichen Ausprägungen, sei es verbal, physisch, psychisch, ökonomisch, sozial oder sexuell determiniert. 

Doch bereits auf den ersten Seiten | durch den Klappentext suggeriert, erfahren wir ganz spoilerfrei als Leser*innen, dass Maxim tot ist und 2021 zu Grabe getragen wird. Wie kam es zu seinem mysteriösen Tod? Welche Umstände begleiten dieses Ereignis? In welcher sukzessiven Weise geraten Frauen in toxische Abhängigkeit und bleiben jahrelang darin verhaftet? Welche Bedeutung hat es, die persönliche Freiheit erst durch den Tod einer anderen Person zurückzugewinnen? Wie gelang es Marta, sich und ihren Sohn letztendlich aus dieser langjährigen Gewaltbeziehung zu befreien? Welche Rolle spielt das Re-Empowerment in diesem Prozess? Diese Fragen stehen unter anderem im Zentrum des lesenswerten Romans der ukrainischen Autorin Natalja Tschajkowska.

Die Autorin vermittelt durch die Innenperspektive ihrer starken Erzählerin wertfrei und ohne Tabuisierungen die sichtbaren und unsichtbaren Narben häuslicher Gewalt. Der Roman zeigt dabei eindrücklich die tiefgreifenden Auswirkungen auf Martas Psyche, ihr Selbstwertgefühl, ihren Kampf mit Scham und Schuldgefühlen, ihre Suche nach Entschuldigungen, die Ablehnung von Hilfe bei gleichzeitig fehlender Unterstützung im sozialen Umfeld, ihre Vermeidung von Provokationen, um die gewalttätige Seite ihres Mannes nicht zu wecken und der harte Kampf um die Rückeroberung ihres Selbstwertes|-wirksamkeit. Auch der patriarchalisch geprägte und alkoholsüchtige Vater spielt vor diesem Hintergrund für die Reinszenierung von Martas Kindheitserfahrungen eine entscheidende Rolle. 

„All die Frauen, die das hier überleben" bewegt zutiefst, verlangt sicherlich eine gewisse emotionale Widerstandskraft und eine Resilienz. Gleichzeitig birgt er Hoffnung, so viel sei versprochen. Für mich ein unverzichtbares literarisches Zeugnis über häusliche Gewalt, weibliche Unterdrückung, Misogynie sowie gesellschaftliche Missstände, das für die komplexen Dynamiken von Gewaltpartnerschaften und deren Auswirkungen auf weibliche Opfer sensibilisiert. Große Leseempfehlung! 


Übersetzt aus dem Ukrainischen von Jutta Lindekugel. 

Wie man in eine Gewaltbeziehung reinrutscht

Dieser Roman ist ein Paradebeispiel wie ein psychopathischer, gewalttätiger, toxischer Ehemann schrittweise und konzertiert vorgeht, um seine Frau zum wehrlosen Opfer zu machen und ihr jeglichen Ausweg strategisch verbaut. Er prügelt in der Beziehung natürlich nicht sofort los, sondern lässt nach und nach seine Masken fallen. Auch vom Standpunkt der Leserschaft sind die Grenzüberschreitungen allmählich und nur marginal, immer ein bisschen mehr Übergriffigkeit, sodass man sich ebenso geistig an den psychischen Missbrauch gewöhnt und dann von den körperlichen Übergriffen gar nicht mehr so überrascht ist.

Großartig hat die Autorin diese sich nach und nach entwickelnde Gewaltbeziehung geschildert und den allmählichen Weg in die unentrinnbare Falle. Zu Beginn gibt es nur kleine Hinweise und Irritationen, die sich dann schrittweise steigern und in einem höchst gewalttätigen Finale münden.

Hier wird der toxische Ehemann Maksym, sehr gut skizziert, der generalstabsmäßig vorgeht, indem er nach und nach seine Frau Martha auch chirurgisch von ihren Freunden und der Familie trennt, die er angeblich nicht leiden kann. Er inszeniert Streit und nimmt seiner Frau jeden Rückhalt, weil sie sich auf seine Seite stellen muss. Kleine Hinweise auf einen psychopathischen Charakter gab es natürlich auch, – aber die Liebe halt – besser gesagt der Wunsch der Protagonistin mit sehr geringem Selbstbewusstsein, dass die Beziehung funktionieren muss, weil das eine persönliche Bankrotterklärung wäre. Da ist man schon bereit, die unangenehmen Bauchgefühle runterzudrücken und zu kuschen. Erst als Maksym Martha komplett im Eck hat, als sie schwanger wird, natürlich nicht mehr arbeitet und sie ihm zudem das Haus überschrieben hat, damit er sich besser fühlt, zeigt er sein wahres Gesicht. Zu dieser Zeit hat Martha aber schon alle Brücken durch die Intrigen von Maxim zu allen anderen Leuten abgebrochen, schämt sich nur noch und versucht, die täglichen Gewaltorgien irgendwie zu überleben und die Spuren in der Öffentlichkeit zu vertuschen.

Das Finale ist irgendwie ein Happy End, denn Martha beginnt, sich zu wehren und sich aus der hoffnungslosen Situation zu befreien.

Was neben der grandiosen Sprache auffällt, ist der Umstand, dass Gewalt nicht vordergründig dargestellt ist, sondern wabert. Abwertung, Angst und Schrecken prägen diesen Roman über weite Strecken, bis es letztendlich zur Entladung in Gewalt kommt. Ein sehr gutes Psychogramm einer Missbrauchs-Beziehung.

Fazit: Sehr heftiger Roman, aber absolut lesenswert. Nichts für zarte Gemüter. Von mir gibt es eine Leseempfehlung.

Cover des Buches All die Frauen, die das hier überleben (ISBN: 9783709981986)
miss_atticoss avatar

Rezension zu "All die Frauen, die das hier überleben" von Natalja Tschajkowska

miss_atticos
Das erste Kapitel hat mich diese grausame Geschichte durchhalten lassen.

Marta heiratet ziemlich überstürzt Maksym und wird nach und nach immer mehr von ihrer Familie und von Freunden abgeschottet. Mit einer Leichtigkeit wird Marta in eine Abhängigkeit bugsiert. Die genauen Hintergründe, warum sie sich so schnell und vor allem auf diesen Typ Mann eingelassen hat, werden nicht näher erläutert. Es ist einfach nicht zu fassen. Sämtliche Warnungen werden zwar wahrgenommen, aber bald darauf verdrängt. Im ersten Viertel habe ich sogar überlegt, das Buch abzubrechen. Ich habe es kaum ausgehalten, dass sich Marta auf solch eine Ehe einlässt, dass sie es zulässt, wie er mit ihr umgeht. Gegenseitige Zuneigung ist gar nicht zu spüren. Die Ehe eingegangen, um den Ansprüchen der Gesellschaft zu entsprechen. Maksym ist ein wahr gewordener Albtraum. Ein erstes Vermissen ist zu spüren, als er auf Dienstreise ist. Ein halbes Jahr später gibt es dann die erste Liebeserklärung. Wird es besser? Wird er sich bessern? Kann eine Schwangerschaft die Beziehung zueinander retten? Nein, natürlich nicht. Aber Marta hat keine Kraft, diesen Mann aus ihrem Leben zu verbannen. Sie ist sämtlichen Arten von Gewalt ausgesetzt. Das einzig Gute ist das erste Kapitel. Das hat mich durchhalten lassen.

„All die Frauen, die das hier überleben“ von Natalja Tschajkowksa kann ich nur eingeschränkt weiterempfehlen. Lest es nur, wenn ihr euch dazu in der Lage fühlt und keinerlei Gewalt erfahren habt. Mein Leseerlebnis hat sich vor ein paar Wochen noch intensiviert, weil eine Reportage über häusliche Gewalt im TV lief. Ein grausames, erdrückendes und extrem intensives Buch. Auch nach Wochen fällt es mir schwer, hier die richtigen Worte zu finden. 

„Ich werde von einer Vielzahl widersprüchlicher Empfindungen erfasst: Panik, Vergnügen, Scham, Hilflosigkeit ... Aber schließlich kehrt Frieden in mir ein. Endlich passiert etwas.“

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