Oh je, das war nix
Ich muß vorab sagen, daß ich nicht unbedingt zur Zielgruppe gehöre und deshalb manche meiner Kritikpunkte einen passionierten Liebesromanleser vielleicht nicht so stören würden. Ich habe das Buch im Alter von 13 geschenkt bekommen, weil ich damals alles Greifbare über den amerikanischen Bürgerkrieg verschlungen habe. Nun habe ich das Buch erneut gelesen und festgestellt, daß sich die Geschmäcker ändern.
"Wie Staub im Wind" ist kein historischer Roman, sondern ein Liebesroman mit historischem Hintergrund. Die Geschichte beginnt im Herbst 1863 in der von den Nordstaaten besetzten Stadt New Orleans. Das historische Setting ist nicht übel dargestellt, wenn auch die Lebensbedingungen nach zweieinhalb Jahren Krieg im Süden nicht unbedingt realistisch beschrieben werden. Hinzu kommt ein ziemlich schwerer historischer Fehler, als dargestellt wird, wie die Südstaaten einige Tage nach Präsident Lincolns Ermordung kapitulieren. Daß diese Kapitulation vor der Ermordung erfolgte, ist absolutes Bürgerkriegsgrundwissen und ich verstehe nicht, wie ein solcher Fehler ins Buch finden konnte. Es wäre so, als ob in einem Weltkriegsroman das Weltkriegsende auf 1946 verlegt worden wäre.
Ein Teil der Handlung zu Beginn spielt in einem Lazarett und dies wird alles recht anschaulich dargestellt. Überhaupt ist der erste Teil des Buches mit Abstand der beste. Der Stil liest sich recht flott, man ist gleich in der Geschichte drin und die weibliche Hauptperson, Alaina, ist mit ihrer praktischen und direkten Art durchaus unterhaltsam, erweckt Interesse beim Leser. Der männliche Hauptcharakter, Cole, ist natürlich hinreißend gutaussehend und es wird keine Möglichkeit ausgelassen, seinen muskulösen Körper zu erwähnen (was irgendwann eher nervte als unterhielt). Er hat einige interessante Facetten.
Auch Alaina ist selbstverständlich umwerfend schön und die Männer verfallen ihr reihenweise. Erstaunlich viele davon sehen es dann als logische Konsequenz, sich ihr körperlich aufzuzwingen, oder es zumindest zu versuchen. Das war dann auch der erste Aspekt, der mir am Buch nicht zusagte. Die Autorin Woodiwiss - wie ich nun las - begründete das in meinen Augen etwas fragwürdige Subgenre, das "bodice ripper" genannt wird, und, um Wikipedia zu zitieren: "in dem sexuelle Gewalt in romantisierter Form dargestellt wird."
So ist das erste intime Beisammensein der beiden Hauptpersonen letztlich eine Vergewaltigung, und wenn eine Siebzehnjährige ihrer gewaltsamen Entjungerung letztlich noch richtig lustvoll etwas abgewinnen kann, dann ist das nicht so ganz mein Fall. So geht es zwischen den beiden dann auch erst mal weiter - der muskulöse Held hat sich recht schwer im Griff und eine Fast-Vergewaltigung folgt der nächsten, was der Liebesbeziehung letztlich dann aber keinen Abbruch tut. Dahinter gehen dann auch die interessanteren Facetten seines Charakters ziemlich unter.
Die zunächst unterhaltsame Handlung wird schließlich ein wenig hanebüchen, unterstützt von zu vielen Zufällen. Es war aber immer noch leidlich unterhaltsam. Im zweiten Teil des Buches fällt die Handlung aber dann auch ab. Cole und Alaina führen immer wieder Dialoge, in denen sie sich entweder beleidigen oder anzügliche Bemerkungen machen, eine nach der anderen. Sonst haben sie sich wenig zu sagen, welcher Art ihre Anziehung nun sein soll, wird nicht ganz klar (körperlich, ja, das wird immer wieder klar, aber mehr kommt da nicht rüber). Alainas demonstrative Ablehnung Coles, gemischt mit Gedanken an seinen muskulösen Körper, wirkt anstrengend und wird zudem nicht hinreichend begründet (die körperlichen Übergriffe sind nämlich schon mal nicht das Problem). Wir erfahren bei jeder Gelegenheit, wie sehr sie ihn verabscheut und es wirkt wie damals auf dem Schulhof, wo man entrüstet verneint hat, auf xy zu stehen.
So liest man sich durch die Sticheleien und Doppeldeutigkeiten und rollt genervt die Augen, denn man weiß ja, wie es ausgehen wird und der Weg dahin ist einfach zu unglaubwürdig, redundant und enervierend. Als dann Cole noch den unendlich albernen Satz sprach: "Was du brauchst, kann nur ein Mann dir geben, und dieser Mann werde ich sein!" (natürlich mitten in einem seiner Vergewaltigungsversuche) mußte ich laut lachen und ab dann habe ich das Buch eher überflogen.
Im letzten Viertel legt die Handlung wieder etwas zu, wird mir wieder zu weit hergeholt und so war ich dann ganz froh, als ich das Buch zur Seite legen konnte. Die (knappen) zwei Sterne sind für den ersten Teil, und für einige herausblitzende gute Ideen, die aber leider für meinen Geschmack sehr schlecht umgesetzt wurden.