Cover des Buches Die Seiten der Welt (ISBN: 9783841421654)
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Rezension zu Die Seiten der Welt von Kai Meyer

Interessante Ideen, schwache Umsetzung

von Melanie_Vogltanz vor 7 Jahren

Kurzmeinung: Fantasy mit interessanten Ideen, die aber nicht mit anderen Werken Meyers mithalten kann.

Rezension

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Melanie_Vogltanzvor 7 Jahren
Die Bücher, die ich bisher von Kai Meyer gelesen habe ("Die Alchemistin", "Das zweite Gesicht", "Asche und Phönix") waren alle mehr oder minder nach meinem Geschmack und konnten mich gut unterhalten. "Die Seiten der Welt" sind die erste Ausnahme der Regel.

Die Grundideen sind spannend und lassen den Leser eine fantasievolle Welt erwarten, die ein Buchliebhaberherz erfreut. Die Eingangsszene in der großen Bibliothek unter dem Anwesen von Furias Vater bietet auch einen guten Einstieg und verspricht genau das: verspielte Fantasy, die sich aus der Liebe zum Buch speist, Spannung und eine Prise Humor. Leider wird dieses Versprechen nicht eingelöst.

Die Gründe, warum mich das Buch nicht packen konnte, sind vielfältig. Zum einen wären da die Charaktere. Kai Meyer gibt sich sehr große Mühe, das Aussehen seiner Figuren möglichst detailreich zu beschreiben, schafft es aber nicht, sie wie wirkliche Menschen darzustellen, die über bloße Platzhalter hinausgehen. Die Mädchen Cat und Furia sind in ihrem Charakter extrem austauschbar, die beiden weiblichen Villains in ihrem Handeln und Reden fast ident. Der einzige Charakter, der mir wirklich gefallen hat, war Furias Bruder Pip mit seiner Clownphobie, dessen Perspektive allerdings nur einen winzigen Teil des Buchs ausmacht. Kai Meyer wirft viele Figuren ins Spiel und tötet sie relativ beiläufig der Reihe nach wieder, ohne dass dabei große Gefühle beim Leser aufkommen (zumindest bei mir war es so). Charaktere, die er mühsam aufbaut und Neugier im Leser wecken, sterben außerhalb der Haupthandlung und ohne besonderen Grund oder Feuerwerk. Manchmal scheint er sogar zu vergessen, dass er eine Figur noch gar nicht mit Namen eingeführt hat, und baut den Namen in den Erzähltext einfach mittendrin ein, ohne dass eine Vorstellung erfolgt wäre oder jemand den Namen erwähnt hätte. Sein Versuch, die Schwarz-Weiß-Zeichnung von Fantasycharakteren zu unterwandern und seine Figuren mit Grauschattierungen zu unterlegen, ist zwar erkennbar, aber nicht sehr erfolgreich.

Viel Zeit und Mühe scheint hier in das Wordbuilding geflossen zu sein. Wir erfahren sehr viel über die Magie der Bilbiomantik, über die verborgenen Refugien, über Seelenbücher, Leere Bücher und Exlibri. Vieles allerdings bleibt vage und verwirrend, besonders die Grenzen der Kraft eines Bibliomants, die sich auch immer wieder zu verschieben scheinen.

Das alles wäre zu verkraften, wäre das Buch wenigstens spannend. Das ist es im ersten Drittel, danach ist es nur noch ein Wechsel zwischen viel zu langen und unwichtigen Fluchtszenen und Dialogen, die sich immer wieder im Kreis drehen und in denen ohnehin Bekanntes endlos wiedergekaut wird. Die wirklich zentralen Stellen der Handlung wie etwa Pips Rettung werden dafür fast nachlässig kurz abgehandelt. Mehrmals war ich stark in Versuchung, das Buch abzubrechen, wollte der Geschichte dann aber doch noch die Chance geben, mich positiv zu überraschen. Das ist leider nicht passiert.

Alle Bücher, die ich bisher von Kai Meyer gelesen habe, waren eher im Bereich der Dark Fantasy angesiedelt. Bei den "Seiten der Welt" hatte ich den Eindruck, dass da ein Jugendbuch hätte entstehen sollen, dem jedoch Kai Meyers Vorliebe für blutige Szenen ein wenig in die Quere kam, und so steht brutales und sinnloses Morden oft in schrägem Kontrast zu kitschigen Klischees, bei denen man nicht genau weiß, ob man lachen oder weinen soll. Das Endergebnis ist ein Buch, das selbst nicht genau zu wissen scheint, was es ist und was es sagen will, und so bleibt man auch verwirrt und unbefriedigt zurück.

Fazit: Obwohl das Potenzial für mehr durchaus vorhanden ist, sagen mir "Die Seiten der Welt" leider gar nicht zu. Die restlichen Bände werde ich wohl nicht lesen.




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