Kai Sichtermann

 4,6 Sterne bei 19 Bewertungen

Lebenslauf

Kai Sichtermann wurde 1951 in Kiel als Sohn eines Rechtsanwalts und einer Malerin geboren. In Lübeck besuchte er eine Musikschule. 1969 zog er nach Berlin, wo er Rio Reiser kennenlernte. 1999 schrieb er zusammen mit Jens Johler und Christian Stahl die Scherben-Biografie „Keine Macht für Niemand“. 2002 gründete er zusammen mit Angie Olbrich das Duo „Angels Blue“. 2010 erschien sein zweites Buch „Kultsongs & Evergreens“. Zusammen mit seiner Schwester Barbara Sichtermann veröffentlichte er 2017 das Buch „Das ist unser Haus – Eine Geschichte der Hausbesetzung“. Mit der Formation „Kai & Funky von Ton Steine Scherben mit Gymmick“ tourt er noch immer durch Deutschland.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Kai Sichtermann

Cover des Buches Keine Macht für Niemand (ISBN: 9783847512165)

Keine Macht für Niemand

 (12)
Erschienen am 01.12.2013
Cover des Buches Keine Macht für Niemand (ISBN: 9783896024688)

Keine Macht für Niemand

 (5)
Erschienen am 01.10.2003
Cover des Buches Das ist unser Haus (ISBN: 9783351036607)

Das ist unser Haus

 (2)
Erschienen am 17.02.2017

Neue Rezensionen zu Kai Sichtermann

Cover des Buches Das ist unser Haus (ISBN: 9783351036607)
Sommerregens avatar

Rezension zu "Das ist unser Haus" von Barbara Sichtermann

Lässt mich schwer beeindruckt zurück!
Sommerregenvor 7 Jahren

"Einen Mieter schmeißt man raus, fünfzig nehmen sich ein Haus"

Seit den 1970er Jahren tobte in immer Städten der Häuserkampf. In diesem Buch wird der Fokus auf Berlin, Frankfurt, Hamburg, Köln, Freiburg, Tübingen, München, Monheim, Hannover und Göttingen gelegt, aber auch die DDR und Ostberlin sowie dem nahen Ausland in Form von Dänemark, den Niederlanden, der Schweiz und Österreich wird Beachtung geschenkt.
Nachdem die von den gegen die Pantoffelrepublik ihrer Eltern fröhlichen Widerstand leistenden Studenten geforderte Revolution ausblieb, Wohnungsnot und ein Leerstand, der "nicht aubleiben [konnte], wenn die Entmietungsstrategien der Spekulanten mit dem Planungswirrwarr der Bürokratien und unsicheren Finanzierungsaussichten zusammenstießen"(S.14) prägend für die Zeit waren, verfolgte eine ganze Generation, heterogen wie sie nur sein kann, das Ziel nach Autonomie - man wollte zusammen leben und arbeiten.
"Ihr habt eure Baupläne ohne uns gemacht" (Wandparole in Berlin, S.260) Eigentum verpflichtet und das Grundrecht auf Wohnraum besteht, so heißt es, doch fand sukzessive eine fatale Gentrifizierung statt und Spekulanten ließen wertvollen Wohnraum verfallen. Doch ihrer zahlreichen Gegner und Widersacher zum Trotz wuchs die Hausbesetzerbewegung und gewann an an Einfluss. "Im Laufe des Jahres 1981 kam es in 153 Städten zu 595 Besetzungen durch 12900 Menschen." (S.298) Die Taten der Besetzerszene zogen immer größere Kreise und haben ihre Auswirkungen bis in die heutige Zeit. Beispielsweise wurden viele Zweckbauten, Fabrikanlagen und öffentliche Einrichtungen aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert wie die Rote Flora von den Häuserkämpfern "vor der Abrissbirne bewahrt" (S.16) - der Grundstein für den Denkmalschutz, wie wir ihn mittlerweile für selbstverständlich halten, wurde gesetzt.
"Das Private sollte als politisch verstanden werden und das Politische als Sache eines jeden." (S.15)
Aufgrund der Unterschiedlichkeit der Beteiligten kam es zu einer großen Bandbreite von Vorstellungen und Zielsetzungen, auch die Frage nach Gewaltlegitimation kam auf. "Legal - illegal - scheißegal" Und so entstanden verschiedene Strömungen in der Besetzerszene. Beim Engagement der Besetzter kam es dabei zu einer ständigen Spannung zwischen utopisch und praktisch, denn es gab stets viel zu organisieren oder bei Instandsetzungen zu reparieren und zu improsieren, dennoch brauchte es eine gemeinsame Utopie um Zusammenhalt zu gewähreisten. Besonders, wenn auch unpolitisch motivierte zu den Besetzern stießen oder Gegner und Widersacher gegen die Besetzerszene anzugehen versuchten. Dabei ließ sich, so überraschend dies auf den ersten Blick auch scheinen mag, ein gewisser Wertekonservativismus der Stadteroberer bezüglich Ausrufen wie "kämpfen und bleiben" feststellen.
"Die Revolution ist großartig. Alles andere ist Quark. - Rosa Luxemburg" (S.256)
Beeindruckenderweise haben sich einige der selbstverwalteten und autonomen, besetzten Häuser bis heute gehalten - auch wenn sie mittlerweile nicht mehr als besetzt bezeichnet werden - und gehen gemeinnützigen Zielen nach.

Gemeinsam mit seiner Schwester Barbara Sichtermann besucht Kai Sichtermann, Gründungsmitglied der legendären Band Ton Steine Scherben, zahlreiche Beteiligte, sodass Hausbesetzer selber die Geschichte des Häuserkampfes beschreiben und erklären können. So handelt es sich bei "Das ist unser Haus" um ein Lese-, Bilder- und Geschichtsbuch mit bemerkenswertem inhaltlichen Umfang. Erzählt wird auf abwechslungsreiche, informative, äußerst spannende und sehr beeindruckende Weise von verschiedenen Entwicklungen, Projekten, Ereignissen, Perspektiven und Zusammenhängen.
Beeindruckend sind nicht nur die vielen verschiedenen Textformate und Bildquellen, die einen tiefen Blick in die damalige Zeitgeschichte gewähren, sondern auch die Verknüpfung verschiedener Erfahrungen mit Theorien, Forderungen, Einstellungen, Ansichten oder Beobachtungen von Soziologen, Anwälten oder anderen Fachleuten.
Aus verschiedenen Blickwinkeln werden die Erfahrungen der Hausbesetzer gekonnt mit dem Zeitgeist und geschichtlichen Geschehen in Verbindung gesetzt, sodass man Stück für Stück an Zeitverständnis gewinnen kann.
Erwähnenswert finde ich zudem, dass viele unterschiedliche Quellen verwendet werden - so zum Besipiel Fotografien, Zeitungsausschnitte, Liedtexte oder aus Angst vor Unruhen nicht ausgestrahlte Radiobeiträge. Für mich gab es in dem Buch so viel zu entdecken - und ich bin schwer beeindruckt davon, wie viel Material in dieses Werk eingeflossen ist. Das ermöglicht auch das Weiterlesen, Recherchieren und Einlesen in verschiedene Bereiche. Auf diese Weise bin ich auf Bücher, die ich unbedingt noch lesen muss, Soziologen, mit denen ich mich nun genauer befassen möchte, Filme, welche ich anzuschauen habe und Lieder, die ich zur Zeit rauf und runter höre, gestoßen. Darüber hinaus finden derart viele Gebäude, Initiativen und Organisationen Erwähnung, dass man sich mit diesen und den von ihnen vertretenen Wertevorstellungen über das Buch hinaus noch eingänglicher zu befassen vermag.
Dennoch ist, sofern einen solche weiterführenden Recherchen nicht reizen können, genug Erklärung gegeben als das man das Gelesene auch so verstünde.
Sehr ansprechend ist für mein Empfinden darüber hinaus, dass die Thematik so umfassend behandelt wird. Es bildet sich ein stimmiges Gesamtbild und man kann sehr gut in das Buch abtauchen.
Fasziniert haben mich die vielen verschiedenen Ansatzpunkte, erwähnte Fachliteratur und sehr wissenschaftliche Argumentationsweisen. So wird der Leser ebenfalls für die Gegenwart sensibilisiert - denn das "Recht auf Stadt - Henri Lefebvre" (S. 294) ist heute noch immer ein Thema angesichts steigender Mietpreise und Ähnlichem. Des Weiteren gibt "Das ist unser Haus" wertvolle Denkanstöße zur Verhältnismäßigkeit der Mittel und anderen Themengebieten.

Alles in allem bin ich von diesem 300 Seiten umfassenden Buch mehr als begeistert. Es ist äußerst abwechslunsreich, informativ, spannend, anschaulich, strukturiert, gut recherchiert und verknüpft, sodass es einen tiefen Einblick in die Geschichte der Hausbesetzung - die bis heute andauert - bietet. Von mir gibt es daher eine klare Leseempfehlung und volle 5 Sterne!

Cover des Buches Keine Macht für Niemand (ISBN: 9783896028396)
thursdaynexts avatar

Rezension zu "Keine Macht für Niemand" von Kai Sichtermann

Rezension zu "Keine Macht für Niemand" von Kai Sichtermann
thursdaynextvor 12 Jahren

Rios Stimme und Texte berühren mich heute immer noch so, wie damals als ich sie kennenlernen durfte.

Daher keine Rezension von mir, sondern der liebenswürdigerweise genehmigte Querverweis auf KAIVAIS Rezension die alles was Rio aumacht so wunderbar einfängt , wie ich es nie ausdrücken könnte .

Logischerweise gehen die HERZEN dann bitte auch an Kaivai !!!

Cover des Buches Keine Macht für Niemand (ISBN: 9783896028396)
Kaivais avatar

Rezension zu "Keine Macht für Niemand" von Kai Sichtermann

Rezension zu "Keine Macht für Niemand" von Kai Sichtermann
Kaivaivor 15 Jahren

"Angie: "Kai sollte die Bowle zusammen mit mir im FORD-Transit zum Mariannenplatz fahren. Ich saß hinten mit meinem Zwergkaninchen >Swabble< auf dem Schoß. Vor mir stand der Behälter mit der Bowle. Kai fuhr extrem langsam, damit nichts überschwappte. Kurz vor der Möckernbrücke lief plötzlich ein Kind vors Auto, und Kai mußte eine Vollbremsung machen. Swabble rutschte von meinem Schoß herunter und fiel genau in die Bowle. Das Bad in der Bowle dauerte nur ein paar Sekunden, aber Swabble war den ganzen Tag nicht mehr zu gebrauchen. Und die Bowle? Sollten wir die etwa wegkippen?" "
Ist das lustig? Ist das auch dann lustig, wenn kein Swabble in die Bowle fällt, sondern ein Rio? Ein Rio Grande? Auch Rio ist in die Bowle gefallen. Und hat fortan von ihr gelebt. Seelisch. Zu gebrauchen war er dann nicht mehr. Zu mißbrauchen aber auch nicht. Irgendwo dazwischen bewegte sich der große Fluß, der für Rio Alkohol hieß und der für ihn den Streß minderte, den ein extrovertierter Dompteur im Namen der Liebe und Träume erleiden muß.
Als Ralph Peter Steitz im Jahr 1966 bei Ralph Moebius in Nieder-Roden, heute Rodgau, an der Tür klingelte und sich zwei 16-jährige kennenlernten, wurde der Keim zu einer Band gelegt, die sich Ton Steine Scherben nannte.
Der dritte im Bunde (später folgten noch viele andere), der hieß Kai Sichtermann. Er war der Bassist. Der ruhende Pol. Der Ruhige. Manchmal konnte Rio sein Schweigen nicht ertragen. An einem Tag wollte er nicht mehr vom Frühstückstisch aufstehen, bis Kai etwas sagte. Kai schwieg. Und verließ den Raum. Wenn Rio sein Wort gehalten hätte, würde er heut nach an dem Tisch sitzen. Und vor lauter Langeweile bestimmt singen.
Das wär der Traum. So sollt es sein. Doch in Wirklichkeit: Todesstille. Schade!
Schade ist auch: die alten Ton Steine Scherben hab ich nie kennengelernt. Die wurden mir verschwiegen. Von den Medien. Ich war nicht im Wendland, nicht in Kreuzberg, nicht in St.Pauli. Ich war nicht links. Ich war knapp rechts von meinem Herz, noch ganz eingegraben in mein Zwerchfell.
Ende der Achtziger lernte ich Rio kennen. Und kaufte mir "Rio der erste". Der war jetzt König von Deutschland (übrigens ein Lied, das die Scherben schon in den siebzigern gespielt haben). Und ich zog nach St.Pauli.
Die Verortung war vollzogen. "Alles Lüge" lag hinter mir. Die Fahne mit dem Totenkopf in meiner Hand, "Ole, ole, ole" auf meinen Lippen.
Der Ort ist zuerst ein Symbol. Doch dann, im Lauf der Zeit, tummeln sich die Ereignisse und tummeln sich die Zuträger der Ereignisse und die verpuppen sich und werden zu Schmetterlingen und einer (vielleicht der bunteste oder der mit dem Totenkopf) fängt dich mit seinem Netz. Und hält dich in seiner Liebe fest.
Kai Sichtermann liebte Angie. Sie bekamen ein Scherbenkind. Lisa. Kurz liebte er Emma aus Dänemark. Später trennten sich Kai und Angie.
R.P.S. Lanrue liebte viele Frauen. Britta blieb lange. Rio blieb ewig. Sein Tod erschütterte ihn wie keinen anderen. Er ging nach Portugal. Allein.
Rio liebte Männer. Das war schwer. Verortung wurd auch schwer. Berlin wurd schwer. Landleben wurd schwer. Alkohol wurd schwer.
Singen war leicht. Alles Schwere entlud sich im Singen. So schöne Liebeslieder. Ja, Liebe ist schwer. Doch wenn die Liebe singt, kann es so leicht werden, als hätte ein Pfeil den Erdboden durchdrungen und in dem Pfeil waren Seifenblasen, vieleviele und unplatzbare und die trugen dann die Erde in den Himmel empor.
Dies Buch ist toll. Direkt am Puls der Zeitgeschichte. Null plakativ. Beziehungsdynamisch. Lebendig.
Rio sitzt am Früstückstisch und staunt. Der Kai hat was gesagt. Und dazu noch der Christian und der Jens. Alle im Raum klatschen.

Gespräche aus der Community

Starte mit "Neu" die erste Leserunde, Buchverlosung oder das erste Thema.

Community-Statistik

in 32 Bibliotheken

auf 3 Merkzettel

Listen mit dem Autor*in

Was ist LovelyBooks?

Über Bücher redet man gerne, empfiehlt sie seinen Freund*innen und Bekannten oder kritisiert sie, wenn sie einem nicht gefallen haben. LovelyBooks ist der Ort im Internet, an dem all das möglich ist - die Heimat für Buchliebhaber*innen und Lesebegeisterte. Schön, dass du hier bist!

Mehr Infos

Hol dir mehr von LovelyBooks