Rezension zu "Krähenritter: Ein Dornenritter-Kurzroman" von Kaja Evert
Nachdem mir „Dornenritter“ gut gefallen hat, habe ich mir natürlich auch „Krähenritter“ geholt. An den Vorgänger kommt der Kurzroman aber nicht heran.
Schreibstil:
Wie auch bei „Dornenritter“ ist der Schreibstil gelungen: flüssig und bildhaft.
5 Sterne
Charaktere:
Die Figuren zeigen im Verlauf des Romans Kontur. Am Anfang schwächeln sie in meinen Augen jedoch ordentlich. Da wäre mehr drin gewesen.
4 Sterne
Handlung und Struktur:
Der Anfang dümpelt erst einmal vor sich hin. Bei diesem Einstieg kam so überhaupt keine Stimmung bei mir auf. Nicht nur, weil die Spannung gefehlt hat, auch weil ich ihn irgendwie banal fand und das Verhalten der Figuren kindisch. Hinzu kommen noch ein paar hölzerne Dialogzeilen, die ich aus dem anderen Band so von der Autorin überhaupt nicht kannte. Die Handlung nimmt dann durchaus noch an Fahrt auf – aber bei einem Buch, das so kurz ist, kann man es sich m.E. nicht leisten, die ersten 50 Seiten zu verschenken.
4 Sterne
Tiefgang:
Gavin behandelt Steyn schlecht und der lässt es sich gefallen. Dass er das tut, liegt wohl auch daran, dass immer, wenn Gavin ihn berührt, sein Hirn sofort aussetzt. Ja, das war im Vorgängerband auch schon so, aber da war es ja auch noch eine frische Liebe, deswegen fand ich es in Ordnung. Hier finde ich es sehr merkwürdig. Und würde Gavin einfach nur mal vernünftig kommunizieren, wäre der ganze Konflikt ohnehin hinfällig. Und ebenfalls merkwürdig: Der Text scheint eher Position für den beziehungsunfähigen und (passiv) aggressiven Gavin zu beziehen und verurteilt Steyn. Das hat für mich etwas von Victim-Blaming. Es ist eine durch und durch seltsame Beziehung, die die beiden da führen, gesund wirkt sie jedenfalls nicht – dennoch stellt sie der Text durch das positive Ende als irgendwie romantisch da. Das sind Narrative über Beziehungen, die in der aktuellen Literatur gerne verbreitet werden – daran ändert es auch nichts, dass wir es hier nicht mit einer heteronormativen Beziehung zu tun haben.
Kurzum: Hier steckt einiges drinnen, was ich fragwürdig finde. Ich schätze, über diese Punkte kann man aber auch diskutieren – was immerhin schon mal etwas Positives ist. Eindimensional ist der Roman nun nämlich nicht. Das ist auch der Grund, warum ich doch noch die 4 Sterne vergebe.
4 Sterne
Worldbuilding:
Die Welt wirkt wie das Mittelalter (mit der Ausnahme, dass hier auch Frauen Ritter werden können). Tatsächlich hatte ich wirklich das Gefühl, in einem mittelalterlichen Roman gelandet zu sein – und das im positiven Sinne. Vielleicht liegt das auch daran, dass Namen wie „Sigune“ natürlich direkt aus dem „Parzival“ Wolframs von Eschenbach stammen. Auch die düstere Atmosphäre von „Dornenritter“ kann dieser Roman wieder einfangen.
4,5 Sterne
„Krähenritter“ ist schwächer als „Dornenritter“. Im Verlauf findet der Text durchaus zu den Stärken von „Dornenritter“ zurück, verbindet spannende Handlung mit Beziehungsdynamiken in einer düsteren Atmosphäre. Aber das geschieht eigentlich erst in der zweiten Hälfte des Romans, sodass ich das Gefühl hatte, dass das Buch, gerade als es interessant wurde, auch schon wieder vorbei ist. Denn gerade der Anfang schwächelt stark, auch handwerklich. „Krähenritter“ ist deswegen für mich kein Must-Read nach „Dornenritter“, für Zwischendurch aber in Ordnung.
Gesamtwertung: 4,3 Sterne, macht gerundet 4 Sterne