Rezension zu Wir haben Raketen geangelt von Karen Köhler
Vom Weglaufen und Ankommen
von franzzi
Kurzmeinung: Vom Weglaufen und Aushalten erzählen diese Geschichten. Vom Verlieren und Nichtloslassenkönnen. Von schwindenden&unüberwindlichen Schatten.
Rezension
franzzivor 8 Jahren
Karen Köhlers Protagonisten reisen viel, laufen weg, laufen davon vor düsteren Erlebnissen. Manche wortwörtlich, manche im übertragenen Sinne. Fast alle sind blockiert durch diese Schatten. Erzählen davon. Alle Geschichten in der Ich-Form. Manche erlöst es, manche trifft es erst recht. Manche kommen an, andere kommen nicht weiter. Vor allem »Cowboy&Indianer« habe ich geliebt. Eine Geschichte, in der Köhler all ihre Stärken ausspielen kann. Das Leitmotiv von Cowboy und Indianer, Jäger und Gejagtem, Mächtigen und Ohnmächtigen. Das Spiel mit der Sprache, mit dem Angedeutetem, dem Ungesagten. Sie hat ja nur wenige Seiten, um die Protagonisten und ihre Geschichten an uns zu tragen. Den meisten Platz nimmt sich die 1974 geborene Autorin, für Cowboy&Indianer. Zum Glück. Köhler, die sonst Theaterstücke schreibt, macht die Welt mit wenigen Worten für den Leser schier greifbar. Sie schafft in fast allen Geschichten, die Distanz zwischen Leser und Erzähler abzuschmelzen. Nicht nur in jener, in der die Ich-Erzählerin kurz vor dem Verdursten in der amerikanischen Wüste von einem auch so verkleideten Indianer gerettet wird und einen nervenaufreibenden Roadtrip durch die Staaten - und durch ihr Trauma antritt. Auch »Findling«, die Geschichte buchstäblicher Aussteiger, lebt davon. Ebenso das titelgebende »Wir haben Raketen geangelt«. Andere Geschichten wie »Starcode Red« wirken nicht so zu Ende gefeilt, ihr fehlen die Stringenz, die Tiefe, der Sog. Sie hinterlassen eher Achselzucken als ein Gefühl. Doch das bleiben die Ausnahmen. Die meisten Helden, starke wie schwache - meist beides zur gleichen Zeit - rühren, machen nachdenklich, rütteln am Alltagstrott und rufen: Angel Raketen mit den Guten, solange Du kannst. Und es wirkt.