Rezension zu "Surazo" von Karin Harrasser
Das Buch erschien 2022 im Verlag Matthes & Seitz, Berlin. Karin Harrasser erzählt darin Teile der Geschichte von Hans und Monika Ertl. Er, der Kameramann Leni Riefenstahls, eng verbandelt mit vielen nationalsozialistischen Verbrechern und seine Tochter, die sich der linken Guerilla ELN (Ejército de Liberación Nacional = Nationale Befreiungsarmee) in Bolivien anschloss. Höchstwahrscheinlich erschoss sie den ehemaligen bolivianischen Geheimdienstchef Roberto Quintanilla Pereira, als er Konsul in Hamburg war. Quintanilla war ein brutaler Mensch und verantwortlich für die Morde an Ernesto „Che“ Guevara und „Inti“ Peredo Leigue. 1973 wurde Monika Ertl von bolivianischen Sicherheitskräften in La Paz erschossen.
Die Betrachtung des Schicksals von Vater und Tochter Ertl liefert daher politisches und Familiendrama in einem und beinhaltet daneben noch jede Menge True Crime. Die Autorin nimmt sich viel Zeit, die in Bolivien vorherrschenden politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten darzustellen, in die hinein Hans Ertl zunächst allein und einige Jahre später seine Familie ausgewandert sind. Es ist zwar richtig und wichtig, die Ambivalenz unter den deutschen Auswanderern nach Bolivien zu betrachten, aber meiner Ansicht nach nimmt das viel zu viel Raum ein, so dass die Beschäftigung mit den eigentlichen Protagonisten zu kurz kommt.
Der Stil Harrassers hat mir nicht gut gefallen, sie erzählt quasi in Collagen, was es sehr erschwert, sich wirklich ein Bild vom Lebensweg – und ein Lebensweg wird nun mal chronologisch abgelaufen – der beiden Hauptfiguren zu machen. Entwicklungen und Wendepunkte, schicksalhafte Ereignisse und Begegnungen werden so mehr verschleiert als herausgearbeitet. Manchmal habe ich ernsthaft nicht gewusst, wer da zu den Lesern spricht, z.B. bei den Zeilen zu den Clubs Alemán und Republicano Alemán (Matthes & Seitz Verlag , 03/2022, S. 121/122).
Karin Harrasser erklärt freimütig, dass sie aus anderen Gründen mit ihren Recherchen in Bolivien begonnen hat und nur eher zufällig auf die Ertls gestoßen ist und ich finde, das merkt man dem Buch an. Die Biografien, vor allem im Fall Monika Ertl, wirken wie ein Nebenprodukt ihrer Nachforschungen. Dazu passt, dass sich Harrasser damit auseinandersetzt, wie und warum Regis Debray Monika Ertl in seinem Roman „Ein Leben für ein Leben“ dargestellt und charakterisiert hat. Das ist aber für eine Biografie, in der es u.a. um Monika Ertl geht, unerheblich.
Am Ende muss ich leider festhalten, ich habe ein bisschen was gelernt über das Leben von Hans Ertl, aber im Grunde sehr wenig bis nichts über das Leben von Monika Ertl. Zwei Sterne.