Karin Reschke liebt Reflexionen, Erinnerungen, Alltagsbeobachtungen, in denen manchmal etwas Bedrohliches aufscheint. Mitten am Tag im quirligen Berlin bedroht ein Wildbeuter die Erzählerin mit einer Pistole, ohne dass wir erfahren, wer der Mann ist (und was ein Wildbeuter ist). Doch der Erzählton bleibt die meiste Zeit ruhig und abgeklärt, wir bewegen uns in Literaten- und Intellektuellenkreisen, es finden lange Diskussionen statt, fast wie in den Siebzigern des vorigen Jahrhunderts. Und doch ist es unsere Wirklichkeit, die die Erzählerin durchstreift, sie besucht Internetcafés und führt Skype-Gespräche mit der Schwester in New York.
Wer etwas sperrige, klug konstruierte Texte mag, in denen auf Handlung und Dialoge weitgehend verzichtet wird, findet hier eine Goldgrube. In langen, von Monologen beherrschten Absätzen werden wir durch die Orte der Erinnerung und eine verhangene, oftmals graue Gegenwart der Großstadt geführt – immer mit einfühlsamer Erzählstimme, die sich mit Vorliebe den Tieren zuwendet: Hunde, Katzen, Ratten und dann auch andere Tiere, die sich um uns herum zu versammeln scheinen.
Mit ihrem assoziativen Stil zeigt uns Karin Reschke in einer Novelle und drei Erzählungen in ihrem neuen Erzählband „Alles im Lot“, wie die Welt um uns herum alles andere als im Lot ist, das Leben nie sein Tempo verliert und wie viel Einsatz die moderne Gegenwart von uns verlangt, damit die Bilanz unseres Lebens nicht zur reinen Verlustrechnung wird.