Karin Uttendörfer

 3 Sterne bei 2 Bewertungen
Autor*in von Paris.

Lebenslauf

Karin Uttendörfer arbeitet als Übersetzerin, Autorin und Herausgeberin in Berlin und Paris. Zu den von ihr übersetzten Autoren gehören u. a. Eric Hazan, Jacques Yonnet, Marcel Aymé, Judith Perrignon und Mathieu Riboulet. 2017 war sie Mitglied der Jury für den Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis. Für ihre Übersetzung von Jean-Baptiste Del Amos Tierreich wurde sie 2019 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Karin Uttendörfer

Cover des Buches Paris (ISBN: 9783803112446)

Paris

(2)
Erschienen am 01.02.2007

Neue Rezensionen zu Karin Uttendörfer

Cover des Buches Der Menschensohn (ISBN: 9783751810197)
L

Rezension zu "Der Menschensohn" von Jean-Baptiste Del Amo

Lust_auf_literatur
Der Menschensohn

»Und die rasende Wut der Väter wird wieder aufleben

bei den Söhnen in jeder Generation.«

Seneca, Thyestes


Das Eingangszitat und die ersten Seiten, die steinzeitliche Szenen schildern, machen mir sofort klar: das wird archaisch werden.

Und es wurde wahrhaft archaisch und brachial, sowohl inhaltlich als auch literarisch.


Jean-Baptist Del Amo ist ein französischer Autor und hat bereits mehrere aufsehenerregende und preisgekrönte Romane veröffentlich. Auf Deutsch ist zuletzt „Tierreich“ erschienen. „Der Menschensohn“ ist sein vierter Roman.


Und der Roman mutet fast wie ein Kammerspiel an: die Figuren sind sehr reduziert, es gibt einen Vater, eine Mutter und ein Kind. Es gibt keinen Namen. Der Schauplatz ist eine abgelegene Hütte in den Bergen. Oder besser gesagt die ungezähmte Natur.


In Rückblenden erfahre ich mehr über die kleine Familie. Der Vater hatte die Mutter vor einigen Jahren, als der Junge noch klein war, verlassen und ist einfach verschwunden. Die sehr junge Mutter musste sich und das Kind alleine durchbringen und hat sich aber nach einer Weile in ihrem neuen Alltag zurechtgefunden.

Da taucht plötzlich der Vater wieder auf und fordert eine zweite Chance ein. Der Junge ist mittlerweile 9 Jahre alt.

Für einen Neuanfang will der Vater die Mutter und das Kind mit in die Berge nehmen, in die Hütte in der er selbst einst mit seinem Vater aufgewachsen ist. Er hatte die Hütte damals als junger Erwachsener verlassen, weil sein Vater nicht mehr Herr seiner Sinne war und gegen sich und die Natur gewütet hat.

Der Alte ist dann dort oben einsam und elend gestorben.


»Aber trotzdem, aber trotzdem, allein zu enden, und auch noch so, das ist nicht menschlich. Das wünscht man keinem.«


Vom zurückgekehrten Vater, der jetzt die Führungsrolle in der Familie beansprucht, geht ein Gefühl der Bedrohung aus, und so fügt sich die Mutter und alle ziehen in die Berghütte.


Dort ist Familie dann alleine mit sich und der Natur. Die Natur oben in den Bergen ist wild, atemberaubend schön und nicht kontrollierbar. Genauso wie die Natur beschreibt Del Amo auch den Vater und die Mutter. Neben die wunderbaren Naturschilderungen stellt er die Beschreibungen der ursprünglichen Körperlichkeiten von Mann und Frau.

Es ist die Erzählperspektive des Jungen, aus der ich die Geschichte verfolge.


Der Vater, der in der Hütte aufgewachsen ist, erzählt dem Jungen von seinem Alten, der damals vor der Zivilisation und aus Trauer in die Berge floh. Der Junge erkennt, dass viele der fehlgeleiteten Glaubenssätze des Alten, die aus Schmerz und Angst geboren wurden, auch in seinem Vater stecken.  

Allmählich wird klar, dass es zwischen dem Vater und der Mutter tiefe Gräben und verdrängte Gefühle gibt. 

Und es gibt auch Geheimnisse, die oben in den Bergen immer mehr an Gewicht gewinnen…


Ich habe eine Weile darüber nachgedacht, ob ich die harten Aussagen des Romans als nihilistisch empfinde und denke jetzt, dass das nicht der Kern ist. Ich denke vielmehr, dass Del Amo in „Der Menschensohn“ zeigt, wie dünn die Schicht der Zivilisation und der Vernunft ist, die uns von instinkt- und triebgesteuerten Tieren unterschiedet. Er zeigt, wie schnell sich ein Mensch (ein Mann?) in seiner eigenen Glaubenswelt verlieren kann, die andere Menschen zu Feinden werden lässt. Und vor allem aber, dass in uns Überlebensinstinkte stecken, die vielleicht in unserem modernen Alltag keine große Rolle mehr spielen, aber in Gefahrensituation und bei Bedrohung wieder in den Vordergrund treten.


Und die Bedrohung ist bei Del Amo permanent präsent und geht nicht von der Natur aus, sondern vom Menschen (Mann?).

Wirklich sehr atmosphärisch baut Del Amo einen krassen Spannungsbogen auf, der sich gegen Ende hin stark verdichtet. Seinen Schreibstil empfinde ich genauso brachial wie die Geschichte, denn er ist jenseits von Befindlichkeiten oder Sentimentalitäten.

Als ganz großes Kino und überrascht lese ich, wie er auf den letzten Seiten wieder die steinzeitlichen Szenen der ersten Seiten aufgreift.


Ich beendete das Buch mit angehaltenen Atem.


Definitiv ein Roman der am anderen Ende der Skala vom Feel-Good Buch steht und dich in Kontakt mit den düsteren Seiten des Menschseins bringen kann.

Dabei spannend und fesselnd geschrieben wie ein Thriller!

Cover des Buches Der Menschensohn (ISBN: 9783751810197)
yellowdogs avatar

Rezension zu "Der Menschensohn" von Jean-Baptiste Del Amo

yellowdog
Eine Sprache der schillernden Opaleszenz

Jean-Baptiste Del Amo ist ein preisgekrönter französischer Autor auf der Suche nach dem Essentiellen. Das spürt man schon im ersten Abschnitt, kursiv gehalten und besonders beeindruckend.

Die herausragende Sprache prägt das Buch. Es ist anspruchsvolle Literatur, doch die Sprache nimmt den Leser schnell gefangen.

Erst dann setzt die eigentliche Romanhandlung ein.

Ein Mann war 6 Jahre verschwunden und taucht plötzlich bei Frau und dem 9jährigen Sohn wieder auf. Der ist geschockt, dass der Vater wieder da ist und einfach so seinen Platz wieder einnehmen will. Der Mann nimmt die beiden mit in eine abgelegene Gegend in den Bergen. Der Versuch eines Neuanfangs, doch schließlich kippt die Stimmung um. Eine bedrohliche Atmosphäre durchzieht den Roman.

Alle 3 Figuren sind übrigens namenlos. Das macht das ganze abstrakt.

Die Übersetzung erfolgt aus dem Französischen von Karin Uttendörfer und mein Eindruck ist, auch das eine große Leistung.

Cover des Buches Nagori (ISBN: 9783957579560)
Vorleser2s avatar

Rezension zu "Nagori" von Ryoko Sekiguchi

Vorleser2
Über Jahreszeiten und was sie mit Haikus verbindet

Vier Jahreszeiten, vierundzwanzig Jahreszeiten oder sogar zweiundsiebzig Jahreszeiten, aber in manchen Ländern gibt es auch nur zwei Jahreszeiten wie warm oder kalt oder Regenzeit und Trockenzeit. Und auch beispielsweise in Frankreich ist es im März nicht überall gleich warm, so dass Früchte und Gemüse unterschiedlich Saison haben können. Was ist dann eigentlich noch saisonal? Und wie passen Jahreszeiten und Haikus zusammen?

Sekiguchi sagt, dass den Japaner eine besondere Sensibilität für die Jahreszeiten nachgesagt werde und das der traditionelle japanische Kalender vierundzwanzig bzw. sogar zweiundsiebzig Jahreszeiten zähle, was sehr viele Minijahreszeiten bedeute. Weiter gibt es drei Begriffe, die die saisonale Eigenschaft von Lebensmitteln beschriebe: hashiri, sakral, nagori, am ehesten gleichzusetzen mit den Begriffen Frühsaison, Hauptsaison und Nachsaison.

„Eine Nagori-Frucht zum Beispiel ist eine Frucht am Ende der Saison, die überreife Frucht. Sie verabschiedet sich von uns bis zum nächsten Jahr, und wehmütig sehnst du dich schon nach ihr zurück.“

Während die heutige Zeit viel auf hashiri, die Frische, Jugend, und Energie, das knackige und rohe bzw. nur leicht gegarte setzt, liegt in nagori die Süße, die Sehnsucht nach einer Sache, die nicht mehr da ist.

Während ihres Rom-Aufenthaltes in der Villa Medici spürt Sekiguchi besonders den Jahreszeiten nach. Mit den anderen auserwählten Künstlern kann sie ein Jahr in der Villa in materiellem Komfort und in geräumigen Ateliers in Rom arbeiten und leben, „Uns wurde für ein Jahr das volle Leben geschenkt“; aber eben nur dieses eine Jahr. Und so nimmt sie voller Bewusstsein und wechselnden Jahreszeiten und ihre Gerüche und färben in sich auf.

„Jeder Tag ließ uns ein neues Leben entdecken, einen neuen Duft, eine Veränderung in der Natur - hashiri -, und wir genossen es, eingetaucht in ihre Fülle - sakral -, während unserer augenblickliches Leben schon voranschritt, hin zur vollendeten Zukunft, gefangen in einen rückschauenden Blick - nagori."

Während dieses Aufenthalts beschließt Sekiguchi, ein Buch über nagori zu schreiben, die verschiedenen Jahreszeiten und ihre Verbindung zu japanischen Haikus. Entstanden ist ein wundervolles Buch, sehr schön gestaltet und herrlich in der Hand liegend.


Wir danken Matthes & Seitz für das Rezensionsexemplar.

Mehr findet ihr unter: http://dievorleser.blogspot.com/2021/11/uber-jahreszeiten-und-was-sie-mit.html

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