Cover des Buches Die Gierigen (ISBN: 9783351033781)
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Rezension zu Die Gierigen von Karine Tuil

Oberflächliche Tragik

von Liseron vor 10 Jahren

Rezension

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Liseronvor 10 Jahren

Die drei Protagonisten bewegen sich im Zeithorizont um 2007 mit Rückschau auf 30 Jahre, sie haben sich vor 20 Jahren das letzte Mal gesehen. Das Personal ist durch die Bank nicht besonders sympathisch, die so genannte Elite (Schauplätze Frankreich und USA) wird gnadenlos demaskiert.

Es ist das klassische Motiv, eine Frau zwischen zwei Männern, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Samuel, der intellektuelle Loser, hat Nina seinerzeit durch einen dramatischen Selbstmordversuch beeinflusst, sich für ihn und gegen Samir zu entscheiden. Samir, sexsüchtig und erfolgreich bei den Frauen, hat eine steile Karriere als Anwalt eingeschlagen. Er hat sich von Samuel dessen vermeintliche jüdische Identität geliehen und über seine ärmliche arabische Herkunft gestülpt, was ihm in New York den Zutritt zu Reichtum und gesellschaftlichem Aufstieg verschafft.

Nina und Samuel sehen ihren alten Studienfreund im Fernsehen und nehmen Kontakt auf. Beide setzen ganz bewusst ihre jahrelange Beziehung aufs Spiel, Nina lässt sich auf eine Affäre im goldenen Käfig ein. Samir führt ein riskantes Doppelleben, letztlich explodiert es, da er den Kontakt zu seiner Familie nicht völlig abbrechen lässt und seinen Bruder, zwar nicht ganz uneigennützig, aber immerhin unterstützt. Parallel erlebt Samuel seinen künstlerischen Durchbruch, etwas unglaubwürdig bei seinem Drogenkonsum.

Die Handlung wird rasant vorangetrieben, die Szenen wechseln zwischen den Personen, verschiedentlich wird der Leser durch Cliffhanger fortgezogen. Die Struktur hat etwas von einer Tragödie, der fallende Held, Hybris, retardierende Elemente, Familie als Quelle der Katastrophe und am Ende die Läuterung.

Der Originaltitel Die Erfindung unserer Leben trifft das Thema des Romans meines Erachtens besser, es wird mit Rollen und Identitäten jongliert, die Oberfläche dominiert. Religion und ethnische Zugehörigkeit sind Etiketten im gesellschaftlichen Theater, wer die Etiketten vertauscht, wird aus dem Upper-Class-Warenhaus entfernt. Dass man sich hat täuschen lassen, lässt Vergebung nicht zu.

Spannend zu lesen, zweifelsohne, letztlich lässt mich aber das Schicksal der Figuren, die eher Typen als Charakteren gleichen, kalt. Dies gilt in besonderem Maße für die Frauen. Sprachlich unkompliziert, liest sich der Roman allzu glatt runter. Nett die Idee mit den Fußnoten, die fiktive und reale Personen erläutern, häufig kristallisierte Lebensgeschichten, die in Kurzform Lebenstraum und -wirklichkeit gegenüberstellen. Die Trilogismen, die mal aufzählend, mal als Variation oder Steigerung fungieren, verdichten den Text, nutzen sich als Stilmittel aber auf Dauer ab. Einige poetische Anklänge am Ende kommen etwas spät.

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