Rezension zu "Ein Stern fliegt vorbei. Wissenschaftlich-phantastischer Roman." von Karl-Heinz. Tuschel
RogerSuffoGerade entdeckte ich, dass das Buch neu aufgelegt worden ist. Es wäre sehr interessant, die Überarbeitung mit der Urfassung zu vergleichen. Ohne wesentliche Veränderungen kann ich es mir heute nicht vorstellen ... Hier geht es um jenes in der aufstrebenden DDR entstandene: Ich habe das Buch bis zu Enede gelesen und es nicht bereut. Trotzdem habe ich mich mehrmals vergewissert: Es stammt aus dem Jahr 1967. Mit welcher Naivität darin davon ausgegangen wird, dass in einer noch lange nach uns heute liegenden Zeit mit Loch- und Magnetstreifen gearbeitet werden würde, dass man von schweren Rechnersystemen ausgeht, deren Leistungsfähigkeit weit hinter der heute erreichten liegt, dann wird das Buch irgendwie mottenfraßig. Dazu kommt, dass die Hinweise, die abstrakt zu erklären versucht, dass man, also wie man im Kommunismus lebt. Diese Passagen riechen nach vorauseilendem Gehorsam, mit dem der Autor dass Wohlwollen der Kulturfunktionäre zu gewinnen hoffte. Für mich kontraproduktiv wirkt die größenwahnsinnige Perspektive des Buches, also dass es geschrieben ist, als sei es von einem Menschen aus der Zukunft der geschilderten Zukunft rückblickend geschrieben. Das wirkt zum einen unlogisch, weil der Erzähler so tut, als wisse er etwas, was seine Zeitgenossen nicht wüssten, das nimmt aber auch viele Möglichkeiten, Spannung zu erzeugen. Es ist letztlich eine Schilderung, wie toll doch die Menschheit gewesen sei, dass sie das alles gelöst habe – womit eben viel vorweg genommen ist.
Dabei ist die Handlungsidee eigentlich extrem: Ein Materiefeld mit mehreren Planetoiden nähert sich dem Sonnensystem auf einem Kurs, der das wahrscheinliche Ende des Lebens auf der Erde bedeuten würde. Dies ist das Ergebnis einer verschlüsselten Botschaft von Außerirdischen. 100 Jahre haben die Erdenbewohner Zeit. Zeit also für Erkundungsflüge und Erfahrungen mit dem Verhalten von Menschen im Verlauf von Langzeitflügen. Da kommt zweimal auch ein wenig Spannung auf: Einmal als eine psychosomatische Lethargie-Erkrankung um sich greift und das andere Mal, als eine Virenmutation eines der Raumschiffe im engsten Sinn die Substanz eines der Schiffe angreift,
Alle handelnden Personen sind positive Charaktere. Kleine Reibereien entstehen durch (psychische) „Krankheiten“ und Selbstüberforderung bei der Arbeit. Ihre Lösung wird durch eine klärendes Eingreifen Nahestehender erreicht – wenn auch nicht immer am optimalen Zeitpunkt.
Ein Detail gefiel mir in seiner (Nicht-)Darstellung: Die familiären Nebeninfos machen klar: Lutz Gemba hat einen afrikanischen Einschlag im Äußeren, aber niemand hält für erforderlich, es in irgendeiner Weise zu erwähnen.
In erster Linie ist das Buch ein Dokument, wie man sich vor 50 Jahren in der DDR die Zukunft dachte. Traurig dabei, dass Kuschel den Zweifel des Starwissenschaftlers an der Beherrschabarkeit der Hyperfusion zu schweren Kernen keinen positiven Wert zuordnen mag, sie eher in Fortschrittsgläubiskeit untergehen.