Einem Wirbelwind gleich bewegt sich Karl Bruckmaier durch eine Geschichte der Popmusik, sprengt Landesgrenzen und Zeitrahmen und hält beinahe bis zuletzt Tempo und Niveau. Das ist ganz besonders der Geräuschkulisse zu verdanken, die er meisterhaft schwarz auf weiß auf 316 Seiten vor dem Leser ausbreitet. Schließlich, so erklärt schon der Klappentext, ist die Geschichte der Popmusik ein Geräusch: "Ein Schaben und Kratzen. Ein Jaulen und Heulen und Zähneknirschen. Ein Trommelruf..."
Bruckmaiers Zeitreise beginnt vor mehr als tausend Jahren, im Jahr 822 in Cordoba. Hier ist Ziryab, Herr über zehntausend Lieder, ein Superstar. Die arabische Laute ergänzt er um eine fünfte Saite und der neuartige Klang, den er aus Bagdad an den Hof des Kalifen bringt ist eine Mischung aus persischer und indischer Musik. Fast achthundert Jahre nach Ziryabs Tod schreibt ein arabischer Historiker: "Nicht vor seiner Zeit und nicht nach seiner Zeit [...] hat es in seiner Zunft einen gegeben, der mehr geliebt, der mehr bewundert worden wäre."
Von diesem Punkt an geht es weiter - im elften Jahrhundert hält die Trommel in Europa Einzug, als Muslime aus dem Maghreb nach Spanien gerufen werden um ihren Glaubensbrüdern im Kampf gegen das südwärts ziehende Christentum beizustehen. In den kommenden Jahrhunderten fasst sie in Europa Fuß; 1540 lässt sich das Wort "drum" im Englischen nachweisen und der sich rasch entwickelnde Sklavenhandel bringt afrikanische Rhythmen über den Atlantik, wo sie sich in Nord- und Südamerika zu Jazz und Latin Music entwickeln.
Schnell wird klar: Bruckmaier ist davon überzeugt, dass man die Geschichte des Pop nicht besser versteht, wenn man nur möglichst viele Namen und Lebensdaten von Musikern, Produzenten und Managern kennt. Und so schildert er zwar besonders in der zweiten Buchhälfte einige interessante Einzelschicksale von Menschen, die mir vorher kaum bis gar kein Begriff waren, und von denen jeder auf seine Art Popmusik (und das beinhaltet Jazz, Folk, Country und Rock ebenso wie "Pop") geprägt und entwickelt hat - wie zum Beispiel John Hammond, Ahmed Ertegun, oder John Fahey . Doch speziell die erste Hälfte des Buches wird von ganz anderen Dingen dominiert. Einen Großteil dieser ersten Hälfte widmet Bruckmaier nämlich den kulturellen und gesellschaftlichen Umständen unter denen sich in den USA Popmusik entwickelt. So beschreibt er im Detail die Zustände auf den Sklavenschiffen, die den Atlantik überqueren, das Leben auf den Plantagen, die Entwicklung der U.S.-amerikanischen Gesellschaft. Es geht um die Erfindung des Plattenspielers und die Art und Weise in der religiöse und rassistische Weltanschauungen die Produktion von Musik auf Schellacks beeinflussten. Das fand ich persönlich hochinteressant und sehr spannend; wer auf eine Musikgeschichte im engsten Sinne aus ist, wird da vielleicht anderer Meinung sein.
Alleine schon wegen der Vielfalt an Themen, die angeschnitten werden, ist das Buch abwechslungsreich und unterhaltsam. Bruckmaier schreibt locker, streut Liedzeilen und Anglizismen ein und offenbart trotz aller Lässigkeit fundiertes historisches Wissen. Und doch - kurz vor Schluss verlor ich die Lust ein wenig, was wohl vor allem dem Eindruck geschuldet war, dass Bruckmaier das Selbe passiert ist. Angekommen in den 1970er/80er Jahren wird die Erzählung oberflächlicher und Bruckmaier hechtet auf der Zielgeraden dem Ende entgegen - wenn auch mit der ein oder anderen eingestreuten Verschnaufpause, die den Lesefluss auf den letzten Seiten entscheidend stört. Schade, aber zu verkraften.
Karl Bruckmaier
Lebenslauf
Alle Bücher von Karl Bruckmaier
The Story of Pop
Nancy Cunards Negro
Neue Rezensionen zu Karl Bruckmaier
Sehr eindringliche Beschreibung des Wandels eines Mädchens durch den Verfall der Gesellschaft. Im Gegensatz zu anderen Dystopen, die bereits an einem Tiefpunkt beginnen (z.B. 1984) ist hier die Situation am Anfang noch relativ normal. Dadurch erschüttert das Ende umso mehr.
Am liebsten würde ich nur schreiben: „Der Titel sagt alles“ dieses würde diesem Buch aber in keinster Weise gerecht!
Die Geschichte spielt in der Zukunft, sie ist auch als SiFi eingestuft, aber der einzige Grund der sie zu einem Science-Fiction-Roman macht ist aus meiner Sicht die Tatsache das die Geschichte in der Zukunft spielt. Alle anderen Gegebenheiten sind heute genauso möglich. Natürlich steht die USA heute nicht unter einem permanenten Kriegsrecht, natürlich werden heute nicht 5 Präsidenten in einem Jahr ermordet und natürlich gehört es derzeit nicht zum guten Ton sich mit Gewalt das zu nehmen was man anders nicht bekommt! Oder doch??
Nun ja, nur gut dass wir noch in die U-Bahnen unserer Städte gehen können ohne Angst vor übergriffen haben zu müssen! Nur gut dass wir die sozial schwachen auffangen und ihnen helfen anständig und Gewaltfrei durchs Leben zu marschieren! Nur gut dass die körperlich Arbeit an der Basis immer noch eine Familie ernähren kann und nur gut dass das Gefälle zwischen arm und reich noch nicht zu groß ist!!
(Ihr haltet mich für Zynisch und Ironisch?? Dann lest das Buch und bildet euch eure eigene Meinung!!)
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