Rezension zu Sämtliche unfrisierte Gedanken von Karl Dedecius
Rezension zu "Sämtliche unfrisierte Gedanken" von Karl Dedecius
von Hallogen
Rezension
Hallogenvor 14 Jahren
Aphorismen sollte man wirken lassen. Bei Lec neige ich aber dazu, sie zu verschlingen. Er ist ein ganz großer Autor dieses Genres, vielleicht sogar der beste Aphoristiker überhaupt (obwohl man mit solchen Urteilen vorsichtg sein sollte). Einfach grandios, was er da hintereinander abspult. Eigentlich müsste ich jetzt alle zitieren, die mir gefallen, aber das ist unmöglich. Trotzdem mal drei schöne Beispiele: "Viele, die ihrer Zeit vorausgeeilt waren, mussten auf sie in sehr unbequemen Unterkünften warten.", "Wenn die Angst blass ist, braucht sie Blut." und "Ohne die Kenntnis einer fremden Sprache wirst du niemals das Schweigen des Ausländers verstehen können." Lec kann aber auch sehr direkt sein: "Säge nicht am Ast, auf dem du sitzt, es sei denn, man wollte dich daran hängen." oder "Hört auf, geistige Dürre fruchtbar zu machen." Mein liebster ist noch immer: "Einst war die schmutzige Pfütze weißer Schnee: ich machte hochachtungsvoll einen Bogen um sie.", aber ich glaube hier findet jeder seinen eigenen Aphorismus, denn Lec deckt alle Bereiche des Lebens ab. Ich kann aber nur davor warnen, allzu viele hintereinander zu lesen: man fängt dann plötzlich selbst an, in Epigrammen zu denken ;-) Zum Abschluss noch einer, mit dem sicher jeder sein ganz persönliches Bild verbindet: "Guter Rat für Schriftsteller: Im gewissen Augenblick zu schreiben aufhören: Sogar, bevor man angefangen hat."