Falls Sie den Autor nicht kennen: Karl Heinz Bohrer war FAZ-Redakteur und England-Korrespondent sowie später Professor für Literaturwissenschaften. In "Granatsplitter" erzählt er von seiner Jugend in Köln im zweiten Weltkrieg, im Nachkriegsdeutschland und seiner weiteren Ausbildung in England.
Eindrücke und Schilderungen aus dem 2. Weltkrieg aus erster Hand sind spannend, insofern beginnt der Band verheißungsvoll. Doch die schillernd beschriebenen Splitter werden rasch matt: Wir werden in Bohrers Familiengeschichte hineingezogen, in Erkenntnis- und moralische Fragen während der Adoleszenz etc. pp. In weiteren Teilen werden wir Zeuge seiner Internats- und Studienzeit in England, was - bei allem Respekt - immer fader wurde.
Bestimmt war es für Bohrer zur damaligen Zeit ein unerhörtes Abenteuer, längere Zeit in England zu verbringen. Nur liegt in der Lektüre kein besonderer Gewinn für den heutigen Leser. Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, der faszinierenden Innenwelt eines großen Intellektuellen und seinen Erinnerungen beizuwohnen, sondern habe mich dezent gelangweilt. Da hatte Marcel Reich-Ranicki in seinen Erinnerungen deutlich mehr zu bieten.
Die Erklärung gibt der Autor selbst am Schluss: Das Buch liest sich zwar wie eine Autobiographie, soll aber eine (fiktive) Erzählung sein, geschrieben aus der Perspektive des Heranwachsenden. Für mich hat das nur begrenzt funktioniert; die Jubelgesänge der Kritikergemeinde kann ich mir nur so erklären, dass ein Ex-Kollege unter Artenschutz steht und freundlich besprochen wird.
In einer Fußnote muss ich sagen, dass Bohrer mich mit einem ziemlich erratischen Gebrauch des Konjunktivs in der indirekten Rede gequält hat (tue vs. täte etc. pp.) - das hätte ich einem Literaturprofessor schon zugetraut.
Karl Heinz Bohrer
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Karl Heinz Bohrer
Granatsplitter
Jetzt
Der Abschied
Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins
Granatsplitter: Eine Erzählung
Ästhetik und Rhetorik: Lektüren zu Paul de Man (edition suhrkamp)
Ästhetische Negativität
Das Erscheinen des Dionysos: Antike Mythologie und moderne Metapher
Neue Rezensionen zu Karl Heinz Bohrer
Keiner würde sagen, dass ein wissenschaftliches Werk "lustig" ist. Aber Gérard Genette streut in seine wirklich umfangreiche Arbeit immer wieder derart witzige Kommentare oder Bemerkungen ein, dass ich wirklich lachen musste.
Das lockert das doch eigentlich trockene Thema immer wieder ein wenig auf und macht Spaß.
Genette formuliert hier als erster eine systematische Einteilung von Bezügen, die Texte untereinander haben können. Er verortet zunächst verschiedene Arten der "Transtextualität" und erläutert im Großteil des Buches eine spezielle Art, die Hypertextualität, anhand zahlreicher Beispiele.
Wirklich lesenswert wird es, wenn man der französischen Sprache und Literatur mächtig ist, denn dann erschließen sich einem die Beispiele in höherem Maße.
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