Als jüngstes Kind der Familie ist es die achtjährige Anna gewohnt, dass sie mit ihren Geschwistern nicht mithalten kann. Besonders schwer fällt es ihr in der Schule, denn die Buchstaben an der Tafel wollen einfach nicht stillhalten wenn Anna versucht sie zu lesen. Doch im Jahr 1934 hat auch Annas Vater Sorgen, denn die neuen Gesetze und verschwundene Bekannte lassen nichts gutes für die Zukunft hoffen. Als sich nun die Möglichkeit ergibt nach Kanada auszuwandern, zögert Ernst Solden daher keinen Moment und die Familie bricht gemeinsam auf in ein neues Leben. Anna hat Angst vor allem was neu ist, aber für sie wird dies zur großen Chance. Beim Medizintest für die Schule stellt sich heraus, dass Anna so schlecht sieht, dass sie auch mit einer Brille nicht die volle Sehkraft erreichen wird.
"Alles Liebe, Deine Anna" von Autorin Jean Little gehört zu meinen liebsten Kinderbüchern. Die Geschichte wird aus der Perspektive von Anna erzählt und greift direkt mehrere wichtige Themen kindgerecht auf. Die Erzählstimme von Anna wirkt auf mich sehr authentisch und ihre Gedanken nachvollziehbar. Ich habe das Buch das erste Mal gelesen als ich ca. neun Jahre alt war und greife seitdem immer wieder dazu. Anna ist anders als andere Kinder. Sie merkt, dass sie nicht mithalten kann, dass sie ungeschickt ist, unsportlich und viel langsamer als ihre älteren Geschwister. Doch keiner ahnt, dass dies zum größten Teil an ihren schlechten Augen liegt und so öffnet sich für Anna eine neue Welt als sie eine Brille erhält. Neben Anna geht es jedoch auch um den aufkommenden Nationalsozalismus in Deutschland ab 1933 und die ersten Auswirkungen die dies im Alltag zeigte. Gezeigt wird dies am Beispiel einer Familie die sich selber nichts zu schulden kommen ließ, aber dennoch befürchten muss in den Focus zu geraten, weil sie ihre eigene Meinung vertreten. Es geht jedoch auch darum, sich in einem neuen Land zurechtzufinden, neue Freundschaften zu schließen und wie wichtig Familienzusammenhalt und Freunde in schwierigen Situationen ist.
Die Schilderung von Anna, die Wahrnehmung ihrer Sehbehinderung und ihre neue Schule wirken sehr realitätsnah, was wahrscheinlich auch daran liegt, dass die Autorin selber von Geburt an sehbehindert ist und daher genau wusste wovon sie schreibt.
Für mich ist "Alles Liebe, Deine Anna" ein sehr guter Einstieg um Kinder mit der Zeit des Nationalsozialismus vertraut zu machen und gleichzeitig nicht direkt zu überfordern. Obwohl das Buch inzwischen schon recht alt ist, wirkt es auf mich zeitlos und kann auch heute noch gut gelesen werden.
Die Gedanken sind frei