Rezension zu Am Rio de la Plata von Karl May
Rezension zu "Am Rio de la Plata" von Heiko Grauel
von M.Lehmann-Pape
Rezension
M
M.Lehmann-Papevor 13 Jahren
Ein abenteuerlicher Reisebericht Wer Karl May ausschließlich als Jugendautoren versteht, tut ihm sicherlich immer noch Unrecht. Sicherlich sind seine Themen, eher entschärfte Abenteuergeschichten, nicht mehr zeitgemäß Erwachsen angesichts moderner Thriller zu wenig Sex and Crime tummeln sich im Argentinien dieses Hörbuches. Zum zweiten mag Karl Mays durchgängige Neigung, dem „Edlen“ das Wort zu reden und damit, unterschwellig ständig spürbar, erzieherisch tätig zu werden, in Richtung einer noch zu prägenden Jugend verstanden werden können. Andererseits aber hat May sich selbst immer als erwachsenen Schriftsteller betrachtet und wurde zu seiner Zeit auch durchaus dementsprechend verstanden und behandelt. In seiner filigranen und eleganten Sprache finden sich keine jugendlichen Aphorismen, in seiner, für die damalige Zeit, gründlichen Recherche schlägt sich das ernsthafte Ansinnen nieder, Bücher mit Gehalt zu verfassen. Mittels seiner langsamen und gründlichen Erzählweise kann May damit durchaus auch in der gegenwärtigen Zeit neu entdeckt werden, denn durch seine sprachliche Kompetenz und seine Neigung, alles, was er an Land, Leuten und Bräuchen, an Flora und Fauna behandelt, gründlich zu Gehör zu bringen erschließen sich immer noch fremde Mentalitäten in der Tiefe. Nach diesem „Brechen einer Lanze“ für den Schriftsteller Karl May ist nun das vorliegende Hörbuch ebenso durchweg zu empfehlen. Zu Beginn der Geschichte finden wir den gängigen „Ich“ Erzähler Mays in Montevideo, wo er durch seine äußere Ähnlichkeit mit einem aufständischen Obersten verwechselt wird, diesen politischen Irrungen entweicht und sich in Gesellschaft einer Teesammler Gemeinschaft auf Entdeckungsreise durch das Argentinien des 19. Jahrhunderts begibt. Rasch gerät das „Ich“, wie gewohnt bei May, in einen Konflikt zwischen den aufrechten Teesammlern und einer Bande diebischer Freischärler, zudem ergibt die Suche nach einem sagenhaften Schatz der alten Inkas den roten Faden für diesen ersten Band einer zweibändigen Abenteuergeschichte (Fortsetzung in „Durch die Kordilleren“). Alle vier von May bevorzugten Charakterisierungen tauchen im Buch auf. Der überlegene „Geistesmensch“, der durch seine Verstandes-, aber auch geschulte Körperkraft risikoreiche Situationen meistert. Die armen, aber grundehrlichen Menschen, die den Lebenskampf annehmen und bestehen, die intriganten und unbelehrbaren Gegner und auch die ein oder andere Person (ein Lieblingsmotiv Mays), die, noch schwach, zwischen gut und böse schwanken und durch den Kontakt zu den „Guten“ ihre Entwicklung zur Reife hin finden. Alles also ist in bester Weise vorbereitet für eine ausgedehnte Beschreibung des Landes, der Umstände, der Menschen, der Natur- und Tierwelt des damaligen Argentiniens mit mancherlei Verwicklungen, Gefangennahmen, Befreiungen und Kämpfen. Mit einer Laufzeit von 15 Stunden, im MP3 Format auf einer CD versammelt (damit äußerst handlich ohne jeden Qualitätsverlust zu 6-7teiligen Hörbuchern!), gelingt es Heiko Grauel, die Geschichte äußerst lebendig zu erzählen. Respekt vor seinen Möglichkeiten der Nuancierungen, die jeder Person eine eigene Stimme und einen eigenen Charakter verleihen. Diese lebendige und kundige Art des Erzählens macht das Hören zu einem echten Erlebnis, die Aufteilung in 30 Unterkapitel erleichtert die Orientierung auf der CD ungemein, denn 15 Stunden am Stück hörst sicherlich niemand, daher ist es gut, jederzeit wieder einsteigen zu können, ohne lange auf der CD suchen zu müssen.