Wenn ich Texte von Eduard von Keyserling lese, bin ich immer wieder irritiert, dass dieser faszinierende Autor bis heute nicht gebührend gewürdigt wurde, was man zum Beispiel auch daran erkennt, dass nie eine Werkausgabe verlegt wurde, die diesen Namen verdiente. Alles ist verstreut, über zig Verlage, in unterschiedlichsten Buchausstattungen, vieles womöglich gar nicht mehr verfügbar. Für mich kaum nachvollziehbar, würde ich Keyserling zum Beispiel deutlich über Fontane stellen.
Auch "Harmonie" ist eine großartige Erzählung, auch wenn der Titel allenfalls ironisch bis sarkastisch gemeint ist. Und auch wenn diese wieder, und das wäre mein einziger Einwand gegen Keyserling, im Milieu des niedergehenden Landadels spielt, so handelt der Text vor allem von einem: der völligen Unfähigkeit, sich zu verständigen, zumal unter den Geschlechtern, noch mehr von der des von einer Italienreise heimkehrenden Gutsherren mit seiner Frau, die er in der Lebenskrise nach dem Tod des gemeinsamen Kindes zurückließ, um sich zu "bilden". Er ist auch sonst nicht zimperlich, kühlt seine Triebhaftigkeit an den weiblichen Bediensteten, merkt viel zu spät, wenn er es denn überhaupt merkt, was er seiner Frau antut.
Die Bibliothek Suhrkamp-Ausgabe enthält zudem noch den Essay "Über die Liebe", die zeigt, dass Keyserling auch theoretisch nicht völlig unbeleckt ist, dass die Einfühlung in die Psychologie seiner Figuren auf tiefen Einsichten beruht, die auch heute noch erhellend sind.
Es gibt sicherlich noch bessere Texte als "Harmonie", "Am Südhang" zum Beispiel, aber selbst die zweite Reihe von Keyserling ist vielfach besser als das meiste, was sich heute auf Long- und Shortlists für irgendwelche Literaturpreise tummelt. Mit der oben genannten Einschränkung spielt Keyserling für mich beinahe in derselben Liga wie Tschechow, Henry James, Schnitzler, Alice Munro.
Leseempfehlung!
Karl Walser
4 Sterne bei 46 Bewertungen
Lebenslauf
Der 1877 in Biel/Bienne geborene Schweizer Maler und Illustrator arbeitete u. a. als Buchgestalter für den Bruno Cassirer Verlag. Er illustrierte auch die Bücher seines Bruders, dem Schriftsteller Robert Walser. Walser starb 1943 in Bern.
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Karl Walser
Knulp
Erschienen am 06.09.2015
Fritz Kochers Aufsätze
Erschienen am 22.08.2001
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Rezension zu "Knulp" von Hermann Hesse
Rezension "Knulp" von Hermann Hesse
Ein LovelyBooks-Nutzervor 9 Jahren-
Das Buch ist ganz schön zu lesen, allerdings ist mir Knulp einfach zu perfekt. Obwohl er Landstreicher ist, sind seine Kleider sauber, ist er immer frisch rasiert und zudem kommt er gut bei den Frauen an. Außerdem spielt er diverse Musikinstrumente, verfasst Gedichte, singt und ist allgemein auf fast jedem Gebiet tiefergehend gebildet.
Dennoch fand ich das Ende traurig.
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