Izy Lewin ist Lebenskünstlerin, Tochter, Jazz-Pianistin, Geliebte und Suchende. Sie ist eine 26-jährige Berlinerin/Russin/Jüdin/Deutsche. Sie weiß nicht zu wem oder was sie dazu gehört. Ihre einzige Sicherheit ist die Liebe zu Timur. Sie liebt Timur. Timur ist mit Astrid zusammen und kommt nicht von ihr los. Liebt er sie?
Auf der Suche nach Zugehörigkeit läuft sie planlos durchs Leben. Sie ist wütend, kritisch und naiv in einem. Es macht Spaß, ihren Spuren zu folgen und dennoch schüttelt man stetig den Kopf über sie.
Keine Ahnung habt ihr! Könnt ihr auch gar nicht! Und ich hätte euch gern fest in den Kiefer gegriffen, und in die starren Augen geschrien – VORDERGRUND! MigrationsVOR-DER-GRUND! - S.67
Sie isst kaum, trinkt viel – vor allem Wodka – und ist vor allem übernächtigt. Alles passiert in einem Rausch und dabei sucht sie und sucht sie. Wann ist man erwachsen und was macht einen dazu? In welche Kategorien passt sie? Was ist deutsch und was ist russisch an ihr? Muss man das unterscheiden? Was wünscht sich ihre Generation von der Welt?
So viele Fragen! Die Antworten werden teilweise mitgeliefert, ob sie befriedigen, ist ihr eigentlich egal.
Ich verstehe zwar nicht, was der Scheiß soll, aber sollen sie doch alle. Was die alle so denken, wer ich bin oder nicht. Und auch du solltest so was lassen. Lass die mal schön mit ihrem Gotteskack weiter ihren Babel-Turm bauen. Alles nur Heldensagen, Abenteuerliches und eine fette Schippe Moral. Diese geilen, wirklich geilen Märchen. Da kann ich aber auch im Namen von Hans Christian Andersen, weil ich so sehr glaube an die Herrschaft der Eiskönigin, die jeden Winter Schnee über uns streut, anfangen, gegen alle, die das nicht so sehen, Krieg auszurufen. Wer den besseren imaginären Freund hat. Da streiten die sich drum... - S. 99
Die Ich-Perspektive ist tatsächlich überzeugend. Der Stakkato-Schreibstil lädt dazu ein, in Izys Gedankenwelt mit zu treiben – und zu stolpern. Immer wieder spricht sie Timur in ihren Gedanken direkt mit 'du' an. Das ist sehr sympathisch und zeigt ihre offene und verletzliche Liebe zu ihm und ihre Sehnsucht nach ihm.
So viele Bücher. Wenn es nach mir ginge, ich würde inmitten von Büchern wohnen, hast du gesagt. Deshalb weist du auch, was zu welcher Epoche gehört. Ich liebe die vielen Schubladen deines Gehirns. Besonders die Geheimfächer. Du zeigst mir immer, was drin ist. - S. 211
Mal unglaublich rau und dann wieder brutal einfühlend liest sich Izys Welt zusammen.
'Ich habe keine Mutter mehr', sagt sie oft. 'Sie fehlt mir schrecklich', sagt sie. 'Es ist ganz traurig, wenn man niemandes Kindes mehr ist', sagt sie. Und ihre Seele, bunt und voll lustiger Fantasterei, kniet zu Boden und schluchzt hilflose und bittere Tränen. Sie ist das Mädchen, das allein am Strand lebt und mit dem Meer sprechen kann. Und ist so stark, und fühlt sich so allein. Wenn man niedmandes Kind mehr ist... - S. 153
Ihre Freunde sind auch alle auf der Suche. Auf der Suche nach dem nächsten tollen Erlebnis, auf der Suche nach der Wahrheit, auf der Suche nach dem Rausch. Fili, Stascha und Len sind wunderbar ausgeführte Charakter und sie erinnern mich stark an Berlin. Diese langen durchzechten Nächte, in denen über alles und nichts gesprochen wird – das kommt mir vage bekannt vor und überzeugt mich darum um so mehr.
Die neue Weltordnung macht Kriege überflüssig, keine Waffen, keine Bomben. Nur Waffeln und Bonbons und Essbares für alle: AK47-Waffeln, Wasserstoff-Bonbon, Langstecken-Wärmesuch-Kroketten. - S. 241
Das Buch ist ein wunderbares Debüt.
Vielen Dank, Frau Kaufmann. Schön, dass sie schreiben.