Die australische Schriftstellerin Kate Grenville schaut hier auf Elizabeth Macarthur, die Ehefrau John Macarthurs, einem englischen Soldaten und später dann einem australischen Politiker und Unternehmer. Unsere männlich dominierte Welt schaut natürlich auf die männlichen Persönlichkeiten der Geschichte mit einem patriarchalen Auge. Das den Frauen in der Geschichte der Erde eine andere Position bestimmt ist als die meist bisher bekannte, könnte schon einigen Vertreterinnen unseres Geschlechts aufgefallen sein. Kate Grenville ist dies bei Elizabeth Macarthur aufgefallen und sie hat ein mitreißendes Buch um diese Pionierin in Australien geschrieben. Ein interessantes Buch! "Ein Raum aus Blättern" gibt einerseits einen Einblick in die Geschichte Australiens und liefert gleichzeitig einen feministischen Blick auf die westliche Welt.
Denn diese Elizabeth Macarthur könnte nicht dieses fügsame Frauchen gewesen sein, für die man die Frauen der damaligen Zeit so vorschnell hält. Ihr Ehemann John Macarthur war ein dominanter und um seine Interessen kreisender Mann, der öfters längere Zeit nicht in Australien war. Der also in dieser Zeit auch nicht die Geschäfte der Farm in Australien leiten konnte. Eine Farm, die Elizabeth-Farm genannt wurde. Warum nannte ein recht egomaner Mann eine Farm nach seiner Frau? Könnte dies auf eine gewisse Ebenbürtigkeit der Eheleute hindeuten? Vielleicht. Denn so viel Auswahl beim fähigen Personal wird es wohl in der Zeit der Kolonisierung Australiens für John Macarthur nicht gegeben haben, so dass der Ehefrau von John Macarthur wohl eine andere Rolle zukommt und sie wohl maßgeblich eine führende Rolle als Unternehmerin geführt haben wird und bei der Schafzucht eine bedeutende Rolle gespielt haben wird. Zu diesem Schluss kommt die australische Autorin Kate Grenville und dieser Schluss gefällt mir sehr. Denn bei den ganzen bekannten Interessen von John Macarthur wirkt die Schafzucht etwas deplatziert. Und auch wenn dies nur Vermutungen sind, so treffen sie bei mir auf fruchtbaren Boden. Wer etwas über die Geschichte Australiens erfahren möchte und wer offen ist für mögliche Umdeutungen des bisher bekannten weiblichen Lebens auf der Erde, der ist hier bei diesem Buch von Kate Grenville völlig richtig.
Kate Grenville
Lebenslauf
Alle Bücher von Kate Grenville
Der verborgene Fluss
Der Sternenleser
Ein Raum aus Blättern
Sarahs Traum
Eine Ahnung von Vollkommenheit
The Secret River
The Lieutenant
Sarah Thornhill
Neue Rezensionen zu Kate Grenville
In diesem Buch lässt Kate Grenville Elizabeth Macarthur von ihrem Leben erzählen, unter anderem wie sie mit Anfang 20 mit ihrem Mann John 1790 nach Australien reist, das zu jener Zeit eine Sträflingskolonie war. Es war keine Liebesheirat, die die Beiden zusammenbrachte, aber man arrangiert sich. Für Elizabeth ist es schwer, denn ihr Mann hat nur ein Ziel: gesellschaftlichen Aufstieg um jeden Preis - für Gefühle ist da kein Platz. Doch sie lässt sich nicht so leicht unterkriegen und erkämpft sich in diesem fremden Land nach und nach ihren Freiraum und eine gewisse Selbständigkeit.
John Macarthur war der Erste, der die Schafzucht in Australien zum Geschäft machte und damit ein Vermögen verdiente. Doch wie so häufig in solchen Fällen hatte daran auch die Ehefrau ihren Anteil, was die Geschichte jedoch meist verschweigt. Elizabeth war die erste akademisch ausgebildete Frau in Australien und als John aus politischen und geschäftlichen Gründen mehrfach für mehrere Jahre in Großbritannien blieb, war sie somit allein für die Farm verantwortlich. Doch ihr Wirken und ihr Erfolg blieben stets im Hintergrund.
Die australische Schriftstellerin Kate Grenville will ihr nun späte Gerechtigkeit widerfahren lassen und lässt uns in diesem Roman an ihren Memoiren teilhaben, wobei sich Grenville von Briefen inspirieren lässt, die Elizabeth an ihre beste Freundin, ihre Mutter und ihren Mann nach Großbritannien geschrieben hat. Nur wenig von den Geschehnissen in diesem Buch sind tatsächlich belegt, zu wenig aussagekräftig ist die Korrespondenz. Doch die Autorin lässt Elizabeth recht glaubwürdig von ihrem Leben erzählen, das geprägt war von der Liebe zur Natur, einer überwiegend glücklichen Kindheit, ihrem hartnäckigen Wunsch nach Selbstbestimmung und einem nicht enden wollenden Wissensdurst. Und wie sie letztendlich zu der Frau wurde, die in der Lage war, erfolgreich eine Farm nach ihren Vorstellungen zu leiten und zu führen - ganz ohne Mann ;-)
Eine gelungene, fiktive Biographie mit viel Gefühl (für mich etwas zu viel), die aber genau so hätte geschehen sein können.
Rezension zu "Ein Raum aus Blättern" von Kate Grenville
Die Autorin verspricht uns die Aufzeichnung der geheimen Lebenserinnerungen von Elizabeth Macarthur, die in Australien landläufig bekannt ist, gilt sie doch gemeinsam mit ihrem Mann als Pionierin der Schafzucht und Wollproduktion. Elizabeths Konterfei zierte 1995 sogar eine 5-Dollar-Münze. Zeit ihres Lebens dokumentierte Elizabeth ihre Erlebnisse und Erinnerungen in zahlreichen Briefen, die sie heim nach Großbritannien schickte. Sie sollen die Grundlage dieses Romans bilden.
Erzählt wird stringent aus der Perspektive der Ich-Erzählerin Elizabeth, die bereits als Kind von der Mutter zum geliebten Großvater und anschließend zur Pfarrersfamilie Kingdon abgeschoben wird. Sie muss früh lernen, ihre Neugier und Willensstärke zu unterdrücken. Mädchen dieser Zeit dürfen weder allzu klug sein, noch ungefragt ihre Meinung kundtun. Ihre Wege scheinen vorbestimmt, münden in einer möglichst aussichtsreichen Ehe. Allerdings hat Elizabeth als mittelloses Mündel geringe Aussichten auf eine gute Partie. Ein folgenreicher Fehltritt bindet sie 1788 an den undurchsichtigen Leutnant John Macarthur, der eine Stelle in der neu gegründeten Strafkolonie Sydney in New South Wales antreten soll. Schon die Reise dorthin ist für die hochschwangere Elizabeth extrem beschwerlich. Schnell muss sie reifen. Den Rat einer Reisegenossin nimmt sie sich zu Herzen, er wird ihr Lebensmotto sein: „Aber das kann ich ihnen sagen, Kindchen. Das Leben ist lang. Es hat mehr Wegbiegungen, als Sie zählen können. Eine Frau kann allerlei tun, sie muss nur auf den rechten Augenblick warten.“ (S. 95)
Ehemann John sucht in der neuen Welt konsequent seinen Vorteil, liebt Intrigenspiele, macht sich mächtige Feinde und pflegt sein überhöhtes Ego. Mit der Zeit lernt Elizabeth damit umzugehen. Es gelingt ihr sogar, ihn und seine Machenschaften im Hintergrund zu manipulieren, so dass allzu schädliche Auswirkungen verhindert und sogar Vorteile für die Familie erreicht werden können. Trotz der zahlreichen Kinderschar wird die Ehe nie glücklich, die Schilderungen aus dem Ehebett manifestieren das drastisch. Elizabeth kann das ausblenden. Ihre regelmäßigen Einladungen im Salon werden eine feste Größe im sozialen Leben der kleinen Kolonie. Elizabeth beherrscht das gesellschaftliche Parkett, was ebenso wie die gestelzten Dialoge amüsant und unterhaltsam zu lesen ist. Es gelingt John Macarthur schließlich durch umfassende Ränkespiele, Land zu bekommen und eine Farm zu gründen, die den Grundstein für die spätere Popularität des Ehepaares legt. Es ist imposant, wie sich Elizabeth auch dort in das Landleben einfügt und für sich Bereiche entdeckt, die sie mit Zufriedenheit erfüllen.
Ich habe den Roman gelesen, ohne mich zuvor über die Protagonisten zu informieren. Insofern las ich ihn als Lebensgeschichte einer beeindruckenden Frau, die trotz widriger Umstände nie verzweifelt, sondern immer überlegt nach Chancen sucht. Elizabeth nutzt die wenigen Möglichkeiten, die sich ihr als Frau bieten, um sich auch naturwissenschaftlich oder botanisch weiterzubilden – ein Privileg. Ihr Ehemann bleibt allerdings eine Zumutung. Das wird immer wieder sehr ausführlich dargelegt und ändert sich nicht. Elisabeth ist diejenige, die versucht, Verständnis für ihn zu entwickeln, um Einfluss nehmen zu können. Sie kümmert sich um die Familie, später erfolgreich um die Farm und passt sich an die Gegebenheiten an.
Der Erzählstil ist leichtfüßig, etwas altmodisch anmutend und doch modern, mit leicht ironischem Unterton, der die erzählten Erlebnisse nicht allzu ernst nimmt. Man erfährt viel über das koloniale Leben, in dem trotz Hunger und widriger Umstände Prioritäten gesetzt werden: Etikette, Stil, Ehre, Höflichkeit und Tafelsilber sind elementarste Werte. Man befindet sich noch am Anfang der Kolonialherrschaft. Die Ureinwohner gelten als Wilde, die ihre Kinder auffressen: „Diese Erkenntnis wurde herumerzählt, und nie fragte jemand: Woher wissen Sie das? Vermutungen wuchsen sich zu einer Geschichte aus, die, wenn sie erst kursierte, wasserdicht war wie ein Fass. Ein solches Fass konnte Unwahrheiten rund um die Welt befördern, immer weiter in die Zukunft, ohne jemals leckzuschlagen.“ (S. 240)
Wer bei diesem Roman eine kritische Auseinandersetzung mit dem Britischen Kolonialismus erwartet, wird enttäuscht sein. Das Buch beschränkt sich auf den Mikrokosmos der beeindruckenden Elizabeth Macarthur, die immense Stärke zeigt, kleine Freiheiten genießt, ohne auszubrechen, und die mit der Zeit die australische Wildnis als ihre neue Heimat anerkennt. Trotzdem bekommt man einen guten Eindruck vom Leben der ersten britischen Siedler in Australien, sowie über Schwierigkeiten und Widerstände, die sich ihnen im Laufe der Jahre entgegenstellen.
Die Geschichte wird unterhaltsam und fesselnd erzählt. Die Autorin vermag Natur und Pflanzen sehr atmosphärisch und mit großer Poesie zu beschreiben: „Die Nacht glich einem Geschöpf, das sich versteckte und erst, wenn die Menschen schliefen, zu einem Eigenleben erwachte, in nahezu unmerklichen kühlen Luftbewegungen mal aus dieser, mal aus jener Richtung atmete, im Laub flüsterte und mich in seine Geheimnisse einweihte. (S. 55)
Zum Ende hin erlaubt sich Kate Grenville einen originellen Kunstgriff, der das Gelesene in einem anderen Licht erscheinen lässt. „Ein Raum aus Blättern“ ist ein lesenswerter, stilistisch ansprechender Unterhaltungsroman, der uns das Leben und Wirken einer hierzulande unbekannten Persönlichkeit näher bringt, ohne den Anspruch zu erheben, eine Biografie zu ersetzen.
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Zusätzliche Informationen
Kate Grenville wurde am 24. Oktober 1950 in Australien geboren.
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