Rezension zu "Das Mädchen, das rückwärts ging" von Kate Hamer
Die Horrorvorstellung für alle Mütter: das Verschwinden des eigenen Kindes von jetzt auf gleich, ohne Spur oder Lebenszeichen. Das jahrelange Hoffen und Bangen, die Selbstvorwürfe, die zermürbenden Alpträume und die zwanghafte Suche.
Der Roman schildert aus zwei Blickwinkeln im Wechsel die Perspektive der verzweifelten Mutter und des entrissenen Kindes. Carmel war acht Jahre, als sie verloren ging. Sie wirkte wie ein besonders sensibles und intelligentes Kind, wird aber durch das perfide Vorgehen des vermeintlichen Großvaters in eine Art Paralleluniversum gezogen.
Der Autorin gelingt ein gut aufgebauter und ausgewogener Spannungsbogen. Die ersten 100 Seiten habe ich regelrecht verschlungen, obwohl eigentlich kein Thriller entsteht eine ähnlich dichte Anspannung. Die einzelnen Tage nach dem Verschwinden werden sehr differenziert erzählt. Doch im weiteren Verlauf kommt es dann im Erzählfluss zu größeren zeitlichen Abstände, die auch die Einkehr des Alltäglichen gelungen verkörpern.
Im Fokus stehen so bei der Mutter von Carmel auch die Veränderungen ihrer Beziehungen zu ihrem Exmann und ihren Eltern nach dem Verschwinden ihrer Tochter. Wie kann das Leben weitergehen, welche Chancen bestehen, dass man einen Spaziergang zur Erholung und nicht Suche nach Zeichen nach der Tochter benutzt?
Im Blick auf den Handlungsstrang mit Carmel gibt es eine ausgeprägte religiöse Komponente und viel Mysteriöses. Es geht zum Glück nicht um direkte Unterdrückung und Gewalt, die Entführung läuft viel subtiler und letztendlich seelisch grausamer ab. Irgendwie klammert man sich an den Strohhalm, dass die Sache für sie gut ausgehen wird.
Auch der Stil von Kate Hamer hat mir sehr gut gefallen, bzw. die Übersetzungsarbeit von Brigitte Jakobeit. Ihre Ausdrucksfähigkeit hat mich umfassend angesprochen, so würde ich auch gerne schreiben können.
Unweigerlich kamen beim Lesen Gedanken an Maddie, deren Verschwinden nun auch schon fast 8 Jahre zurück liegt.
Fazit: Eine fiktive Geschichte, die mich nicht unberührt gelassen hat, da zu keinem Zeitpunkt für mich der Aspekt „Fiktion“ im Vordergrund gestanden hat. Der Roman konnte mich rundum überzeugen.