Katharina Geiser

 4,3 Sterne bei 3 Bewertungen
Autor*in von Die Wünsche gehören uns, Diese Gezeiten und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Geboren 1956, studierte Germanistik, Englisch und Pädagogik. Sie lebt am Zürichsee und zwischen Eider und Treene in Schleswig-Holstein.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Katharina Geiser

Cover des Buches Die Wünsche gehören uns (ISBN: 9783990274132)

Die Wünsche gehören uns

(2)
Erschienen am 27.02.2025
Cover des Buches Vierfleck oder Das Glück (ISBN: 9783990270653)

Vierfleck oder Das Glück

(0)
Erschienen am 02.02.2015
Cover des Buches Diese Gezeiten (ISBN: 9783902497895)

Diese Gezeiten

(1)
Erschienen am 01.08.2011

Neue Rezensionen zu Katharina Geiser

Cover des Buches Die Wünsche gehören uns (ISBN: 9783990274132)
Hyperikums avatar

Rezension zu "Die Wünsche gehören uns" von Katharina Geiser

Hyperikum
Wunderbares Zeitzeugnis

Anna und Idi führen Elise den kleinen Berg hinauf. Oben angekommen, starren die Halbschwestern verstohlen auf den kleinen Koffer mit den abgenutzten Verschlägen, in der Hand ihrer Mutter. Sie ist sich sicher, dass sie die beiden nie wieder sehen wird. Sie drehen sich um und gehen mit lächerlich kleinen Schritten und nach vorn gebeugtem Oberkörper den Hang hinab. Sie schickt ihnen keine guten Wünsche hinterher, als sie ihnen nachschaut. 

Neben ihr erscheint ein Mann mit seinem Leiterwagen, der sich ihr als Johann Kempf vorstellt. Ihre Beine schmerzen so stark, dass er ihr das Gesäß nach oben drücken muss, während sie die beschwerlichen Stiegen zu erklimmen versucht. Sie kommen bei einem heruntergekommenen Haus an. Eine freundliche Schwester heißt sie willkommen und erklärt in groben Zügen das Konzept. Sie wird mit fünf Diakonissen, Frauen, Männern und Kindern in einer Gemeinschaft leben. Manche sind unheilbar krank, andere gesund und debil. Bei Oberschwester Otilia muss sie ihren Schmuck und ihr Geld abgeben, denn die Kostgelder der Heimatgemeinden sind knapp. Bis dahin war Elise sich sicher gewesen, dass Anna ihren Platz bezahlte. Das Brüggli sei schließlich ein Armenhaus. 

Schwester Burga führt Elise zu ihrem Zimmer im ersten Stock, einen Raum, den sie mit sieben anderen Frauen teilen wird. Die Betten stehen so eng nebeneinander, dass kein Nachttischchen, nicht einmal ein Stuhl zwischen sie passt. Während Elise sich auf ihr Bett sinken lässt, schweifen ihre Gedanken in ihre jüngste Vergangenheit ab. Sie hatte ihren Körper verkauft, um ihre minderjährige Schwester versorgen zu können. Ihre damalige beste Freundin Flora hatte es ebenso gemacht für drei Franken pro Freier. Die war aber verpfiffen worden und verschwand, weil ihre Tätigkeit einen Mangel an Moral und ein Übermaß an Faulheit aufweisen würde, im Zuchthaus. Später war Elise Wäscherin in der Wäscherei ihres Mannes. Sie stieg immer in das noch dampfende Wasser und stampfte den Berg aus Laken und Uniformen. Jetzt sickert ihr das Wundwasser in die Verbände.

Fazit: Katharina Geiser ist eine historische Aufarbeitung eines Schweizer Armenhauses der 50er-Jahre gelungen. Sie erzählt die Geschichte Elises, die sich wirklich so ereignet hat, aus der Erinnerung ihrer eigenen Großmutter. Elise lebte ein entbehrungsreiches Leben, wie so viele Frauen dieser Zeit. Am Ende schoben ihre Kinder sie in dieses Auffangasyl für sozial schwache, straffällig gewordene und behinderte Menschen ab. Elise hätte bei ihrer Schwester leben können, aber die wurde gar nicht informiert. Die Autorin lässt Elise immer wieder in ihre Vergangenheit schweifen und ich erfahre alles über ihr Leben. Gleichzeitig entblättern sich, durch Elises Interaktionen mit den Heimbewohnern, die Umstände, die sie an diesen Ort gebracht haben. Die Zeiten waren hart in einer Gesellschaft, in der sich Rechtschaffenheit breitmachte und Moral sich an männlichen Vorstellungen orientierte. Die Klassenunterschiede waren riesig, Frauen zumeist wertlose Haushaltshilfen oder Arbeiterinnen. Hygiene und Gesundheitsversorgung oder einfach nur Essen waren knapp bemessen. Die Geschichte ist sehr lebendig geschrieben, ich war mittendrin im Schlafsaal, im Speisesaal. Jede Charaktereigenschaft ist vertreten und alle prallen aufeinander. Ein wunderbares, gut recherchiertes Zeitzeugnis, das ich sehr gerne gelesen habe. Am Ende des Buches finden sich Skizzen oder Porträts der einzelnen Bewohner und Pflegekräfte und deren Gründe für ihren Aufenthalt und die Autorin schenkt einen Einblick in die Entstehung ihrer Geschichte.

Cover des Buches Die Wünsche gehören uns (ISBN: 9783990274132)
buchstaeblichverliebts avatar

Rezension zu "Die Wünsche gehören uns" von Katharina Geiser

buchstaeblichverliebt
Anspruchsvoller Schreibstil

"Hier im Brüggli würden Körper und Seelen aufbewahrt, begann sie. Genau genommen versorge man in erster Linie verlebte Körper, beschädigte, von anderen verstoßene oder von sich selbst überforderte. Und auch solche, die so leer wären, wie ausgeschleckte Suppenteller." [S. 40] 


Vom Leben der Bewohner in einem Schweizer Armenasyl. 


Elise wird von ihren Kindern in einem Armenasyl untergebracht. 

Schon allein das Wort hört sich schrecklich an und im Grunde ist es ein Auffanglager und eine Verwahrstelle, für gescheiterte Existenzen. 

Von Diakonissen geleitet, wird Frömmigkeit gepredigt und die Asylsuchenden mit dem Nötigsten versorgt. 

Aber auch "das täglich Brot" kann die Herkunft manch armer Seele nicht auslöschen und so erfährt Elise nach und nach die Geschichte eines jeden Einzelnen.


Hierbei ist besonders das Namensverzeichnis am Ende des Buches sehr hilfreich, denn es sind wirklich sehr viele Personen, über die hier berichtet wird. 

Das erfordert stellenweise höchste Konzentration, denn auch sprachlich ist es aus meiner Sicht herausfordend.


Die Erinnerungen an ein längst vergangenes Leben, außerhalb der Mauern des Armenhauses, sind für die Bewohner meist das Einzige, was ihnen geblieben ist, nur wenige hüten ein materielles Erinnerungsstück wie einen kostbaren Schatz, denn Besitztümer können ihren Besitzer wechseln und Verluste sind schwer zu bewältigen, deswegen hüten die Menschen ihre Gedanken, Wünsche und Träume. 


"Man tue gut daran, ein unsichtbares Album schöner Erinnerungen anzulegen und alles Betrübliche auszusortieren und zu vergessen." [S. 150] 


Das war beim Lesen gelegentlich  deprimierend, jedoch gab es auch Lichtblicke, in Form von kleinen Freuden, die den Bewohnern zuteil wurden. 


"Denn weißt du, ein wenig Glut für etwas Glück steckt in uns allen, sie verlöscht nie ganz." [S. 150]


Mein abschließendes Fazit:

Ich liebe dieses wundervolle Cover, jedoch hat dieses Buch mich sprachlich wirklich auf den Prüfstand gestellt und meine Konzentration sehr ausgereizt, auch wenn ich mir einige Textstellen markiert habe, weshalb ich eine Empfehlung nur bedingt dafür aussprechen mag.

Cover des Buches Diese Gezeiten (ISBN: 9783902497895)
ekoeppings avatar

Rezension zu "Diese Gezeiten" von Katharina Geiser

ekoepping
Lebensentwurf zweier unangepasster und äußerst couragierter Frauen

Es ist ein einfacher Grabstein, moosbewachsen. Darauf zwei Davidsterne und die Namen zweier Frauen: Lucy Renée Mathilde Schwob und Suzanne Alberte Malherbe, Stiefschwestern und zugleich ein Liebespaar. Um 18 Jahre überlebte Suzanne ihre Lebensgefährtin. Bis zu Lucys Tod verbrachten sie nicht nur den Großteil ihres Lebens miteinander, sie waren auch künstlerische Weggefährtinnen. Unter den Pseudonymen Claude Cahun und Marcel Moore waren sie fester Bestandteil der surrealistischen Kreise um André Breton, Henri Michaux, Georges Bataille. Es entstanden gemeinsame Arbeiten im Bereich der künstlerischen Collage und der Fotografie, in denen sie auf äußerst radikale Weise mit Geschlechteridentitäten experimentierten und gängige Weiblichkeitsbilder hinterfragten.
Im Jahr 1937 erwarben Suzanne und Lucy das Landgut „La Roquaise“ auf der Kanalinsel Jersey, um sich weitab vom Trubel der Pariser Bohème ganz ihrer künstlerischen Arbeit und ihrer Beziehung zu widmen. Hier auf Jersey, auf dem Friedhof der St. Brelades Church, findet sich der Grabstein. Hier war es auch, wo die Schweizer Autorin Katharina Geiser auf die beiden Frauen aufmerksam wurde. Ihr Roman „Diese Gezeiten“ nähert sich dem Teil des Lebens der Künstlerinnen, den sie auf der Insel verbracht haben.
Am 1. Juli 1940 wird die Insel, strategisch günstig zwischen Frankreich und England gelegen, von den Nationalsozialisten besetzt. Lucy und Suzanne engagieren sich mit Beginn der Besatzungszeit im Widerstand: sie gestalten Flugblätter, Plakate, Desertationsaufrufe an die deutschen Soldaten, die sie auf eigene Faust auf der Insel verteilen. Vier Jahre lang bleibt ihre Untergrundtätigkeit unentdeckt, im Juli 1944 werden sie jedoch verhaftet und wegen Truppenzersetzung zum Tode verurteilt. Die Befreiung durch die Aliierten verhindert glücklicherweise die Vollstreckung des Urteils.
„Diese Gezeiten“ beschreibt den Lebensentwurf zweier unangepasster und äußerst couragierter Frauen. Er ist sprachlich höchst anspruchsvoll aufgebaut und orientiert sich in liebevoll beobachteten Details an der Biografie der Künstlerinnen. Zugleich befreit er sich weit genug davon, um als eigenständiges literarisches Werk für sich zu stehen.

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