Cover des Buches Das Geräusch des Lichts (ISBN: 9783462049329)
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Rezension zu Das Geräusch des Lichts von Katharina Hagena

Das Warten in immer neuen Varianten

von Code-between-lines vor 8 Jahren

Kurzmeinung: Voller leiser Töne und schöner Bilder, die in einer wunderbaren Sprache gezeichnet werden.

Rezension

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Code-between-linesvor 8 Jahren

Zum Inhalt: Die Rahmenhandlung von Katharina Hagenas Roman spielt sich im Wartezimmer von Doktor Kai N. Dammberg, einem Neurologen, ab. Die Ich-Erzählerin wartet darauf, dass sie aufgerufen wird. Mit im Gepäck hat sie die Angst vor einer gewichtigen Diagnose, die sie heute erwartet, sowie die Gedanken an eine ehemalige Freundin aus Kindertagen, die gemeinsam mit ihrer Tochter ums Leben gekommen ist.

Das Wartezimmer teilt sie sich mit vier weiteren Personen: mit der jungen Frau neben ihr, mit der älteren, sehr angespannt wirkenden Dame auf ihrer anderen Seite, sowie mit einem Mann in den Dreißigern und seinem etwa zwölfjährigen Sohn, der auffällig ruhig zu sein scheint. Und während sie darauf wartet, aufgerufen zu werden, entsteht in ihrer Phantasie eine Geschichte zu jeder ihrer Mitwartenden. In den Geschichten enthalten immer wieder ihre eigenen Gedanken und Ängste, jede Geschichte erscheint als eine mögliche Variante, die eigene Realität zu verarbeiten. Als sie selbst als letzte Person im Wartezimmer verbleibt, erzählt sie schließlich ihre eigene Geschichte.

Eigene Meinung: Durch das Aufsplittern der Handlung in fünf einzelne Geschichten, miteinander verbunden immer nur durch kurze Momentaufnahmen aus dem Wartezimmer, hat Katharina Hagenas Roman etwas Episodenhaftes, wirkt wie eine Sammlung von Kurzgeschichten – ein Genre, das mich oftmals nicht so schnell anspricht. Aber von diesem Buch war ich begeistert. Die Geschichten sind durch gemeinsame Inhalte und wiederkehrende Motive untereinander verbunden – sie spielen alle im Norden Kanadas, eine Szenerie, die so anschaulich und lebendig erzählt wird, dass man beim Lesen häufig meinte, gleich den eiskalten, scharfen Wind im Gesicht zu spüren. Das reale Warten im Wartezimmer der neurologischen Praxis kehrt als gemeinsames Thema in allen Geschichten wieder, und es ist ein Genuss zu lesen, wie kunstvoll und unterschiedlich die Autorin diese Thema immer wieder zu verpacken vermag. So gibt es im Buch sogar eine Grammatik des Wartens (herrlich durchdacht).
Am meisten berührt hat das Buch mich durch seine klare und gefühlvolle Sprache, durch die sanfte Herangehensweise an so unterschiedliche und jeder in seiner Art doch gleichermaßen belastete Charaktere. Noch nirgendwo habe ich eine so berührende, reale und dadurch so schmerzhafte Schilderung der Gedankenblitze und Momentaufnahmen aus dem Kopf eines an Alzheimer leidenden Patienten gelesen.
Jede der erzählten Geschichten bietet sich dem Leser als mögliche Variante der Wahrheit an, wird glaubhaft und doch wieder aufregend phantasievoll geschildert – ein Buch, das mich bei meinem nächsten Arztbesuch, in der S-Bahn oder beim Friseur mit Sicherheit dazu inspirieren wird, mir Gedanken über die Geschichten meiner Mitmenschen zu machen.

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