Warnung:
Kann Anregung zum Lebenswandel enthalten
Ob ich Mariana Leky lesen oder gar hören will, muss ich immer sehr genau abwägen, denn das letzte Mal als ich das getan habe, ging es mir einige Wochen sehr seltsam.
Im Nachhinein betrachtet wurde mit «Was man von hier aus sehen kann» damals meine praktisch mit Geburt erschienene Angst, nicht mehr da zu sein, vermutlich nochmal ordentlich angeschoben, andererseits sah ich das Leben, was ich gerade führte, unangenehm klar vor mir, und final gesehen hingen diese zwei Dinge doch eigentlich sehr eng zusammen.
Pünktlich zum Polterabend – Abschied von Altem
«Kummer aller Art» bekomme ich als Hörbuch zur Rezension zugeteilt, als ich gerade vor ein paar Wochen mein Lebensziel der letzten drei Jahre und eigentlich meines ganzen aktuellen Lebensentwurfs begraben musste.
Das ärgerliche an Lebenszielen ist, dass sie weniger eindeutig verenden und kompostieren als physische Lebewesen. Das Lebensziel ist ein Wiedergänger. Klopft regelmäßig von innen an meine Schädeldecke, «hallo, ich bins. Ich bin wieder da. Hast mich doch noch nicht vergessen, oder». Das Lebensziel hat sich selbst ein Denkmal gesetzt, einen Grabstein will es nicht, «hör mal, das sieht ja aus, als wäre ich tot und verschwunden und Schluss mit Allem».
So hing ich dann mit einer gewissen Desorientierung in meinem Leben und beschloss, dass gerade eh alles kreuz und quer steht in meinem Kopf, und deshalb auch ein weiteres Buch von Mariana Leky nicht mehr viel Chaos würde anrichten können. Ich behielt Recht, und dieses Mal war es doch tatsächlich gleichzeitig irgendwie erdend und beruhigend.
Die eigentliche Rezension
Mit den in «Kummer aller Art» versammelten Situationsportraits ist es Mariana Leky aus meiner Perspektive erneut gelungen, absolut große und auch zuweilen schwere Lebensthemen in eine eigenwillig schöne, schwebende Form zu bringen. Wenn ich den Geschichten lausche, wird mir mein Alltag ein bisschen egal, ich bin geradezu abwesend in meiner Gegenwart, dafür aber ganz anwesend im Leben der vertraut klingenden Charaktere, die durch «Kummer aller Art» stolpern, tanzen, traben. Hier wird das Leben klein, die großen Fragen verlieren an Schlagkraft, und alles ist von einer magisch-schönen Skurrilität getragen. Da fällt es doch geradezu schwer, nach dem Hören oder auch Lesen mental wieder in die eigene Umgebung zurückzukehren und die große Aufregung um eigentlich ganz klare Fragen nachzuvollziehen.
Fazit
Wenn man feststellt, dass Mariana Lekys Schreibstil an die eigene Art, Psyche und Lebenswahrnehmung anknüpft, dann sollte man dies stets im Hinterkopf behalten – denn manche Wahrheiten sind ganz zart, aber doch mit reichlich Schlagkraft in ihre Texte eingeflochten. Das geht dann schonmal unter die Gürtellinie. Darauf sollte man gefasst sein. Wenn man sich das aber im Vorfeld bewusst macht, kann es nur intensiv werden. Mein Herz und mein Sprachzentrum sind gehüpft vor Freude und Zuhausegefühl.