Cover des Buches Mädchen in Scherben (ISBN: 9783733504151)
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Rezension zu Mädchen in Scherben von Kathleen Glasgow

"Geh deinen Weg Charlotte"

von MelE vor 6 Jahren

Kurzmeinung: Hier und da schwächelt die Story leicht und neigt dazu oberflächlich zu werden. Manches ist eindeutig zu viel, anderes zu wenig.

Rezension

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MelEvor 6 Jahren
"Mädchen in Scherben" ist ein sehr gelungener Jugendroman, dessen Altersempfehlung ab 14 Jahren meiner Meinung nach zu niedrig angesetzt wurde. Charlotte ist eine gebrochene Persönlichkeit, die sich ihren Weg zurück ins Leben ohne Schmerz und Leid bahnen muss. Kurze Einblicke in Charlottes Leben geben einen guten Einblick in den Scherbenhaufen, der dazu führt, dass das Mädchen gebrochen ist, z.B. zerbrochen wurde. Der Titel des Romans ist wunderbar gewählt und sehr treffend. Für junge Leser_innen ist das Buch an manchen Stellen sicherlich überfordernd. Dies bezieht sich auf Charlottes Erleben und ihre Wahrnehmung von Sexualität. Sexualität zum Überleben zu nutzen ist nicht der Weg den ich meinen Kindern wünschen würde. Die Jugendsprache die sich die Autorin bedient war mir zu grob und störte sehr. Die Story an sich wirkt authentisch, wenn auch an manchen Stellen zu glatt. Charlotte ist eine gespaltene Persönlichkeit und die Vergangenheit holt sie immer wieder ein. Der Verarbeitungsprozess ist schleichend und wenn ihr nicht Menschen zur Unterstützung zur Seite gestellt worden wären, wäre ihre Notfallbox sicherlich mehrfach zum Einsatz gekommen. Drogen und Alkohol wirken allerdings wie ein Mahnmal, was mir persönlich sehr zusagte, denn es wirkt eindrücklich und zeigt auch auf, wie sehr diese das Leben zerstören. Auf der anderen Seite zeigt es aber auch auf, dass es für Charlotte ein Vergessen beinhaltet. Ihr Leben ist zerbrochen, in Scherben und um zu vergessen oder zu ertragen greift sie zur Flasche. Es ist grausam zu lesen, wie der Einfluss von Drogen und Alkohol das Leben junger Menschen zerstört. Eindrücklich ist auch die Tatsache, dass junge Menschen ein solides Elternhaus benötigen, was allerdings nur in Nebensätzen auftaucht. Geschlagene Kinder sind zerbrochen. Mir kam mehrfach in Bezug auf Charlotte Borderline in den Sinn, wobei ich natürlich keine Diagnose stellen kann und dies auch nicht will, aber da manche Verhaltensweisen und Charlottes Selbstbild darauf hindeuten, ist dies naheliegend.

"Jeder Mensch kennt diesen Moment, glaube ich, diesen Moment, in den etwas so ... Bedeutsames passiert, dass es dein ganzes Sein in kleine Stücke zerreißt. Dann muss man innehalten. Und ist lange Zeit nur damit beschäftigt, die kleinen Dinge aufzuheben. Es dauert so unendlich lange sie wieder zusammenzusetzen, nicht so wie früher, sondern auf eine ganz neue, nicht notwendigerweise bessere Art. Eher auf eine Art, mit der man einigermaßen leben kann, bis man sicher weiß, dass dieses Stück hierhin gehört und jenes dahin." Zitat S. 399

Letztendlich empfand ich "Mädchen in Scherben" als recht interessant, wobei mir manche Handlungsabläufe zu glatt erschienen. Ein zerbrochener Mensch, der sich seinen Weg zurück ins Leben bahnt und dabei einige Fallstricke überwinden muss, kann dies ohne weitere ärztlicher Betreuung schaffen? Hierzu benötigt er sicherlich andere Hilfen als die, die Charlotte angeboten werden um nicht rückfällig zu werden. Im Verlauf der Story ändert sich Charlies suizidales und selbstzerstörerisches Verhalten rapide, wenn auch in kleinen Schritten, aber ich vermute fast, dass es im wahren Leben mehr benötigt als einen Neuanfang in Arizona.

Ich vergebe eine eingeschränkte Leseempfehlung, da ich nicht komplett zufrieden gestellt wurde. Natürlich war mir bewusst, dass das Lesen von "Mädchen in Scherben" sehr belastend ist, dennoch waren es nur kurze überfordernde Fragmente. Hier und da schwächelt die Story leicht und neigt dazu oberflächlich zu werden. Manches ist eindeutig zu viel, anderes zu wenig. Ein gesundes Mittelmaß hätte mir sehr gefallen. Der Anfang und auch das Ende begeistern allerdings sehr. Wäre das Buch komplett in diesem Schreibstil geschrieben wäre ich restlos begeistert. So muss ich leider feststellen, dass meine hohen Erwartungen im Mittelteil sehr schwächelten und mich nicht mitreißen konnten. Charlotte wirkt hier eindeutig zu blass gezeichnet und die Nebenfiguren die sie begleiten, konnten leider auch nicht punkten. Die eine oder andere Brücke abzubrechen wäre hilfreich für den inneren Heilungsprozess gewesen. Manche Brücken aufzubauen dagegen sehr wertvoll. Charlotte verhält sich nicht immer sinnig, was auf ihr Erleben zurückzuführen ist. Auf der Suche nach Liebe und Geborgenheit machen wir Menschen Fehler, was verständlich ist, wenn man Charlottes Leben näher betrachtet und zu verstehen beginnt. Besonders schön sind die künstlerischen Einblicke, die für Charlotte notwendig sind, um innerlich heilen zu können. Menschen wie Johnny machen allerdings wütend, da sie Rückschläge bedeuten. Insgesamt hätte ich mir ein mehr ausgewogenes Verhältnis zu anderen Menschen gewünscht, die erst zum Ende hin einen positiven Einfluss bewirken konnten.

★★★★ (3,5 Sterne)
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