Dieses Buch beginnt etwas holprig. Den Einstieg von Herausgeber Vito von Eichborn fand ich eher uninteressant. Danach wurde es ein wenig besser, blieb jedoch weitestgehend ohne Spannung. Es erscheint wie ein einfacher Großstadtroman. Von dem utopischen Thriller, der einem im Untertitel versprochen wurde, bemerkt man wenig. Eine langsame Besserung erfährt das Buch, als die ersten merkwürdigen Ereignisse auftreten. Ab diesem Punkt beginnen sich die Fäden langsam zu verweben und es kommt Spannung in das Buch, die sich zunehmend steigert.
"Camouflage" ist das erste Buch, bei dem ich meine Meinung am Ende noch einmal grundlegend ändern musste, denn die einzelnen inhaltlichen Fäden sind so gut miteinander verwoben, dass man von dem Ende vollkommen überrascht wird. Man rechnet einfach nicht damit. Ich dachte anschließend, ich könne durch genaueres Lesen bestimmter Stellen dieses Ende vorhersehen, aber nein: Kathrin Elfman gelingt es, eine Wendung zu gestalten, die man nicht im Geringsten erwartet. Vorher war ich enttäuscht gewesen, da ich mir von einem "utopischen Thriller" deutlich mehr erwartet hatte, aber mit dem Finale: Wow, nicht schlecht. Das kommt ganz dicht an meine Erwartungen heran, auch wenn ich mir im Rest des Buches mehr Spannung gewünscht hätte. Abgesehen von dem Finale ist es mir doch zu viel Großstadtroman.
Eine Aufwertung bekommt der Roman durch eine Art kleine Zwischenkapitel unter dem Titel "Zur selben Zeit". Es sind immer nur kleine Ausschnitte, die wie unvollständige Zitate aus Nachrichtensendungen und Zeitungen erscheinen und die ich lange Zeit nicht in den Kontext einordnen konnte. Auch das ist mir weitestgehend erst am Ende gelungen. Letztendlich muss ich sagen, dass ich diese Zwischenkapitel gut fand, denn sie haben das Trugbild eines schlichten Großstadtromans immer wieder durchbrochen und neues Interesse geweckt. Spätestens nach dem dritten "Zur selben Zeit" ging es mir persönlich zu, dass ich wissen wollte, wie es in derart gehäufter Form zu diesen meist sehr tragischen Ereignissen kommen kann.
In Bezug auf die Figuren konnte mich "Camouflage" nicht überzeugen. Trotz dargestellter Gedanken und unterschiedlichen Charakterzügen blieben die Figuren in meinen Augen platt und durchaus etwas unsympathisch. Abgesehen von Sky, einer Praktikantin, und Kiki, Hannahs Schwester, bin ich mit den Figuren nicht wirklich warm geworden.
Sprachlich konnte dieses Buch wieder überzeugen. Die Formulierungen sind komplex, Wiederholungen bei Worten und Satzkonstruktionen gibt es kaum und wenn sie vorhanden sind, erscheinen sie wie stilistische Mittel. Diesbezüglich sind auch eine Reihe von Metaphern anzuführen, die die Sprache bereichern und lebhafter erscheinen lassen. Stellenweise war mir die Sprache jedoch etwas zu umgangssprachlich.
Zum Schluss noch ein paar Worte zur Gestaltung...
Das Cover finde ich in Ordnung. Irgendwie fasziniert mich diese Träne, da sie wirklich echt aussieht. Als ich sie das erste Mal wirklich bewusst wahrgenommen habe, dachte ich, auch meinem Buch sei ein Wassertropfen. Ansonsten finde ich das Cover eher langweilig. Zum Inhalt kann ich kaum einen Bezug herstellen.
Fazit
"Camouflage" bedeutet "Tarnung" und ist als Titel äußerst treffend. Wenn man dieses Buch einmal komplett durchgelesen hat, weiß man, wie viel man für Wahrheit und Wirklichkeit hielt und wie viel dennoch schlichte Tarnung war. Ein Trugbild. Die Frage, was nun wirklich real sei, bleibt auch nach dem Lesen bestehen und lässt einen nicht so schnell wieder los. In diesem Bezug hat Kathrin Elfman wirklich großartige Arbeit geleistet.
Leider gibt es dennoch deutliche Schwächen, so zum Beispiel die fehlende Spannung und schwach dargestellte Figuren. Ein Buch, das bereits im Untertitel als "utopischer Thriller" bezeichnet wird, sollte auch überwiegend als solcher erscheinen und nicht vorrangig ein "Großstadtroman" sein.
Kathrin Elfman
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Kathrin Elfman
Camouflage
Camouflage - und dann kommt die Angst
Neue Rezensionen zu Kathrin Elfman
Utopischer Roman? Sci-Fi?
Eigentlich überhaupt nicht mein Lesegeschmack, aber ich hatte schon einiges über dieses Buch gehört und musste es einfach lesen.
Zum Glück!
Kathrin Elfman erweist sich als eine außergewöhnliche Wort- und Sprachakrobatin, deren Stil das Lesen wirklich zu einem reinen Vergnügen macht.
Zugegeben, anfangs fällt es nicht ganz leicht, dem umfangreichen und vielschichtigen, filigran strukturierten Plot von "Camouflage" zu folgen. Doch die vorbildlich und sehr lebendig gezeichneten Protagonisten erleichtern den Einstieg, denn sie sind so authentisch, dass man sie nach wenigen Seiten persönlich zu kennen glaubt!
Scheinbar planlos stolpern sie in die mysteriöse und spannende Handlung hinein, und erst nach und nach verbdinen sich die einzelnen Fäden, bis sich vor den AUgen des Lesers ein furioses, atemberaubendes High-Tech-Drama entspinnt.
Kathrin Elfman bringt totz aller Spannung, auch humorvolle Momente aufblitzen zu lassen. Sie überrascht mit plötzlichen Wendungen und führt die Leserschaft geschickt in die Irre, bis der unerwartete Schluss einen absoluten Höhepunkt setzt!
Suspense pur, spannend bis zur letzten Seite!
Realität und "Surrealität" verschwimmen in dieser Geschichte, in der sich merkwürdige Ungereimtheiten häufen - der Vergleich mit dem Grundthema der "Matrix"-Filme liegt nahe, aber nur am Rande, denn Kathrin Elfmans Story entwickelt eine berauschende Eigendynamik.
Dass dieses Buch als Kultbuch bezeichnet wird, kommt nicht von ungefähr, denn so utopisch, wie es angekündigt wird, ist das Geschehen in der Story nicht. Vielmehr hat uns die Utopie längst eingeholt. Genau das ist der Punkt, der "Camouflage" so überaus kribbelnd macht. Kathrin Elfmans pointierte Schreibe ist spannend von der ersten Seite an und sie versteht es, durchaus auch Wortwitz einzustreuen.
Das Ende kommt überraschend, als würde man gegen eine Wand laufen, die man die ganze Zeit schon gesehen hat, aber nicht wahrhaben wollte. Fast wie im richtigen Leben! Aber nach dem Lesen dieses Buches wird man nicht mehr so sicher sein, was nun im Leben Realität ist und was nicht.
Vorwarnung: Man sollte sich nichts weiter vornehmen, wenn man "Camouflage" zu lesen beginnt. Man kann es nämlich nur schwer aus der Hand legen!
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