Cover des Buches Scherbengold (ISBN: B073M947GJ)
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Rezension zu Scherbengold von Kathrin Hövekamp

Wie man aus Scherben Gold macht, oder endlich erkennt, was eigentlich ist!

von Antek vor 7 Jahren

Rezension

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Antekvor 7 Jahren

Mein bester Kumpel Andy ist wohl angekommen, glücklich und jetzt wird er sogar stolzer Papa, mit diesem Gedanken betritt Jakob seine Wohnung, sieht auf den ersten Blick, dass der Platz von Caros, „I-Aah Hausschuhen“ leer ist, obwohl sie eigentlich bei der Arbeit sein müsste und ahnt in dem Moment, hier läuft etwas schief. Lücken in den Regalen und im Kleiderschrank tun ihr Übriges dazu, da hätte es der einzigen Worte Caros „Wir haben einfach nicht mehr funktioniert“, bevor sie Hals über Kopf die Wohnung verlässt, fast auch nicht mehr gebraucht, um zu erkennen, es ist aus. Wie mies ist das denn, ohne eine weitere Erklärung einfach so verlassen? Die Frage nach dem Warum und eine Flucht in den Alkohol lassen ihn die ersten Tage mit Trennungsschmerz irgendwie überstehen, bis irgendwann die bittere Erkenntnis aufploppt, ich wurde ja schon mein Leben lang immer von den Frauen verlassen. Mit Hilfe einer Kiste alter Fotos und einer Liste aller Ex-Freundinnen macht sich Jakob auf die Suche nach dem roten Faden in seiner Trennungshistorie. Ist er schuld daran, dass alle Beziehungen scheitern? Mit einem „Jakob steigert sich rein –Gütesiegel“ geht er akribisch der Frage nach ob er einfach „als Partner die globale Niete ist“.

Ist man das, wenn man in der zweiten Klasse, wegen eine Packung Diddel Sticker verlassen wurde, gegen die ein lächerlicher Kork Sticker einfach nicht mithalten kann, oder wenn sich „die Gesprächsthemen einfach ausdünnen, wie die Luft am Mount Everest“, wenn man gerade eben mal nicht am Knutschen ist? Kann eine Beziehung zu einer Frau funktionieren, wenn die zwar scheinbar perfekt ist, aber einfach nicht so toll küsst, wie die Erinnerung an den ultimativen Kuss ist, auch wenn die im „mit Alko Pops mariniertem Hirn“ verankert wurde? Wie wichtig ist Humor in einer Beziehung, oder lässt es sich auch ohne ganz gut zusammenleben, wenn man sich nur nicht oft genug sieht? Sind vielleicht lockere Beziehungen eher die richtige Lebensform für ihn und kann der Vorteil von Realität Wunschgedanken auf Dauer erfolgreich verdrängen? Das alles ist nur eine kleine Auswahl an Fragen, denen sich Jakob bei seiner „Zeitreise“ stellen muss.

„Die Liebe sollte man nicht mit Logik und Verstand erschlagen“, denn „das Unvorhersehbare macht sie spannend und einzigartig“. Bevor Jakob zu dieser Erkenntnis kommt, geht er aber ebenfalls recht akribisch und mit zum Teil ausschweifenden Gedanken und Diskussionen der Frage nach, was ist eigentlich Liebe? Bei Erich Fromm angefangen, der Liebe als Egoismus zu zweit beschreibt, über Satre, der klar legt, dass Liebe, wie viele Gefühle, so eng mit eigenen Erfahrungen und Erwartungen verknüpft ist, dass es fast unmöglich erscheint, dass eine zweite Person exakt das Gleiche darunter versteht, bis hin zur Frage, ob man heute einem Hollywood-versuchten Ideal hinterher läuft, bekommt man so allerhand Erklärungsansätze geboten. Hier muss die Autorin gut recherchiert haben.

Aber nicht nur eine Betrachtung von Ex Beziehungen und eine Suche nach einer allgemeingültigen Definition nach Liebe bekommt man als Leser geboten, die Autorin hat noch etwas in petto, was natürlich auch mit Liebe zu tun und die Geschichte für mich spannend gemacht hat.Iabe so richtig auf ein von mir erhofftes Ende hin gefiebert, das ich dann auch glücklicherweise auch bekommen habe. Aber hier will ich nicht zu viel verraten, selber lesen ist angesagt.

Die Erinnerungen Jakobs an seine gescheiterten Beziehungen, entführen den Leser gleichzeitig gekonnt in die Welt der ausgehenden Achtziger, Neunziger und auch der 00er Jahre. Schlaghosen, Stickeralben, Diddl, das erste Nokia Handy oder im Fernsehen Herzblatt und Rudi Carell als Kuppler der Nation, sind nur einige wenige Beispiele. Ich bin nur wenig älter als Jakob und fühlte mich daher mehr als gelungen in meine Jugend- und Studentenzeit zurückversetzt.

Jakob ordnet Zitate falsch zu, heißt es in der Beschreibung. Da mir viele Namen, gerade von Schauspielern und Musikern nichts sagten, kann ich nicht beurteilen, was falsch war, konnte daher auch nicht über eventuell, damit verknüpfte Witze schmunzeln.

Der humorvolle, kurzweilige Schreibstil der Autorin liest sich locker, leicht und ich bin fast durch den Roman geflogen. Ich konnte unheimlich viel schmunzeln, dafür haben unzählige witzige Szenen gesorgt. Ich muss z.B. jetzt noch bei der Vorstellung grinsen, dass Andy, der „Typ mit der Kostümier-Störung“, die ultimative Verkleidung geschaffen hat, doch leider nicht mehr durch die Tür passt. Kreative Wortschöpfungen und originelle Vergleiche machen das Lesen ebenfalls zum Genuss. Bei „drölf von zehn“, die Steigerung von zwölf angefangen, über „Quatschigkeit“ als Charaktereigenschaft oder „wartungsintensiv“ als Beschreibung für die neue Freundin, die die „von Hormonsuppe ertränkten Logikzentren meines Gehirns“ toll finden, bis hin zur „Geschwindigkeit einer eurasischen Plattenverschiebung“, in der einer mit Spargel gekämpft.

Der schüchterne, anständige Jakob war mir von Anfang an super sympathisch. Seine Stärke liegt auf jeden Fall nicht in zwischenmenschlicher Kommunikation mit fremden Personen, was vielleicht auch an seiner schwierigen Mutter liegt, die darin „sicher kein leuchtendes Vorbild war“. „Jakob Nicht-Reaktionen“ sind typisch für ihn. Eine ganz andere Seite lernt man allerdings von ihm kennen, wenn er mit seiner „Familie“, die aus Kumpel Andy und bester Freundin Hanna besteht, zusammen ist. Hier sprüht er geradezu vor Humor, kann unbeschwert sein und glücklich. Hanna hat es mir in der Clique, die seit Kindertagen bestehen kann, dabei ganz besonders angetan und wohl nicht nur mir.

„Nur weil jemand großartig ist, heißt das noch lange nicht, dass man mit ihm zusammen großartig ist.“ Wie schwer die Suche nach demjenigen sein kann, mit dem man gemeinsam großartig sein kann, erfährt man in „Scherbengold“ auf amüsante Art und Weise. Ich hatte gelungene Unterhaltung, eine tolle Zeitreise und auch wenn mir vielleicht die eine oder andere gedankliche Ausschweifung etwas knapper genügt hätte, hat der Roman meiner Meinung nach auf jeden Fall sehr gute 4 Sterne verdient.

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