Depressionen sind doch KEIN Grund, TRAURIG zu sein!
Ida steht zum wiederholten Mal in ihrem Leben vor der Tür einer psychiatrischen Klinik, mit einem Zettel, auf dem wiederum ihr Name und der Grund für ihren Aufenthalt stehen. Drüberleben erzählt von den Tagen nach diesem Tag, von den Nächten, in denen die Monster im Kopf und unter dem Bett wüten, den Momenten, in denen jeder Gedanke ein neuer Einschlag im Krisengebiet ist. Es erzählt von Gruppen, die merkwürdige Namen tragen, von Kaffee in ungesund großen Mengen, von Rückschlägen und kleinen Fortschritten, von Mitpatienten und von Therapeuten. Und vom täglichen Kampf gegen die Angst und gegen 98% Regenwahrscheinlichkeit in ihrem Kopf.
(4 CDs, Laufzeit: 4h 38)

Drüberleben
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Rezension zu "Drüberleben" von Kathrin Weßling
Ein LovelyBooks-Nutzer
06. December 2012 um 05:29Ida hat seit Tagen weder geduscht, noch aufgeräumt, noch ihre Wohnung verlassen, als sie sich entschließt sich in psychiatrische Behandlung zu begeben, Diagnose: Depressionen. Aus den geplanten 6-8 Wochen werden schnell Monate in denen sie sich mit den Rädchen auseinandersetzt, die in ihrem Kopf nicht so ganz ineinander greifen. Dabei ist sie jedoch nicht alleine, denn in der Psychiatrie tummeln sich allerhand kuriose Gestalten, die alle auf der Suche nach einem glücklicheren Selbst sind. Dieses Buch hat mich mit seiner Sprachgewaltigkeit und ungeschönten Darstellung der tristen Welt einer psychisch kranken Protagonistin nahezu umgehauen. Selten habe ich Texte gelesen, die es schaffen ihre Worte so aneinander zu reihen, dass jeder Satz, jeder Absatz in meinem Kopf summt und dabei am liebsten laut ausgesprochen werden will. Inwiefern Ida ein Deckmantel für Bloggerin Katrin Weßling ist, habe ich noch nicht vollends herausgefunden, aber um ehrlich zu sein, interessiert es mich nicht sehr. Habe ich doch eine so wortgewaltige Zeit mit dem Buch verbracht, dass es zweitrangig wurde, wer dahinter steckt und wie sich Diagnose zu Romanidee verhält. Ein bisschen fühlt man sich an Sarah Kuttners „Mängelexemplar“ erinnert, was vom Einband des Buchs noch verstärkt wird. Liest man diesen Roman aber völlig unvoreingenommen, merkt man schnell, dass die beiden Debuts sich zwar ein Thema teilen, aber völlig unterschiedlich damit umgehen. Katrin Weßling schreibt über das Scheitern an sich selbst, ihr fehlt die Schnauze mit der Kuttner sich gerne hervortut, denn Hauptfigur Ida hat keine Schnauze mehr, ist schon zu Anfang winzig klein, ohne Hut und verkriecht sich so in die vermeintlich sichere Parallelwelt einer psychiatrischen Klinik. Was dieses Gebrochensein der Hauptfigur schön macht, ist die Sprache der Autorin, die anfangs noch schwer im Kopf liegt, mit der Zeit aber zur Norm wird und immer sanfter fließt, während die Handlung voran schreitet. Eine Handlung die nicht, wie von mir zu Anfang befürchtet, hinter den sprachlichen Kunststücken des inneren Monologs der Erzählerin zurück bleibt, sondern nach und nach an Bedeutung gewinnt, wobei die Innenschau natürlich nach wie vor wichtig bleibt, passend zu Thema und Schauplatz der Geschichte. Meiner Meinung nach das Beste, was ich in diesem Jahr gelesen habe und vielleicht bald auch das Beste, was du in diesem Jahr gelesen haben wirst. So will ich dir mit sanfter Gewalt dieses beeindruckende Debut unterjubeln, damit auch du in den Genuss von Katrin Weßlings Poetry Slam gestähltem Stil kommen kannst. Und in der Hoffnung auf viele weitere Romane aus ihrer Feder. Katrin Weßling liest selbst, was erst einmal sehr aufregend ist, hört man doch die Stimme zum Buch. Wenn Autoren selbst lesen, kann das natürlich mal in die Hose gehen (siehe Leyla von Feridun Zaimoglu) doch Katrin Weßling macht ihre Sache so gut, dass ich mir dachte – die hat doch sicher geübt. Und ja das hat sie, Poetry Slams sei Dank kommt ihre Prosa von ihr selbst gelesen noch besser zur Geltung, als es ein x-beliebiger Sprecher hätte bewerkstelligen können. Das Hörbuch ist also eine aufregende, spritzige, sprachgewaltige Alternative oder Ergänzung zum Buch. Ein beeindruckendes Debut, das ich ohne Zögern an die Spitze meiner Jahresrangliste setzen werde.