Kathrine Kressmann Taylor

 4,6 Sterne bei 291 Bewertungen

Lebenslauf

Kathrine Kressmann Taylor, 1903 in Portland geboren, arbeitete nach dem Studium als Journalistin und Werbetexterin. 1938 veröffentlichte sie den Briefroman Adressat unbekannt, der über sechzig Jahre später auch in Frankreich und Deutschland zum Bestseller wurde. Ihr zweiter Roman Bis zu jenem Tag (1942) mehrte ihren Ruhm, und sie lehrte fortan am Gettysburg College. Später lebte sie abwechselnd in Minneapolis und in Florenz. Sie starb 1996.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Kathrine Kressmann Taylor

Cover des Buches Adressat unbekannt (ISBN: 9783455405866)

Adressat unbekannt

(286)
Erschienen am 17.09.2016
Cover des Buches So träumen die Frauen (ISBN: 9783455405743)

So träumen die Frauen

(5)
Erschienen am 14.05.2016

Neue Rezensionen zu Kathrine Kressmann Taylor

Cover des Buches Adressat unbekannt (ISBN: 9783455405866)
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Rezension zu "Adressat unbekannt" von Kathrine Kressmann Taylor

xxholidayxx
Ein literarisches Mahnmal gegen das Vergessen und ein Plädoyer für Wachsamkeit

Ich hatte nicht erwartet, daß Du für mein Volk zur Waffe greifen würdest, weil es mein Volk ist, sondern weil Du ein Mann warst, der die Gerechtigkeit liebte. (Buchzitat Seite 41)


Adressat unbekannt von Kathrine Kressmann Taylor ist ein kurzweiliger, aber äußerst eindringlicher Briefroman, der die zerstörerische Kraft von Ideologien und die Tragik einer zerbrochenen Freundschaft thematisiert. Die 1903 geborene Autorin war Journalistin und Werbetexterin und veröffentlichte 1938 diesen Kurzroman, der weltweit große Beachtung fand, jedoch lange in Vergessenheit geriet. Erst in den 1990er-Jahren wurde das Werk wiederentdeckt und erfreut sich seither wachsender Aktualität.

Worum geht's genau?

Der Roman erzählt in nur 18 Briefen und einem Telegramm die Geschichte zweier Männer, deren Freundschaft durch die politische Radikalisierung in den Jahren um Hitlers Machtergreifung zerbricht. Der Deutsche Martin Schulse und der amerikanische Jude Max Eisenstein, früher Geschäftspartner und enge Freunde, tauschen sich über Briefe aus. Doch mit der Zeit zeigt sich, wie die nationalsozialistische Ideologie Martin verändert – bis hin zu Verrat und letztlich bitterer Rache. Trotz seiner Kürze entfaltet der Roman eine enorme emotionale Tiefe und beleuchtet auf schockierende Weise die Verführbarkeit durch totalitäre Systeme.

Meine Meinung

Das Buch wurde mir von einer Bekannten empfohlen, und obwohl ich zunächst nicht wusste, worum es ging, habe ich es kurzerhand bestellt. Schon das Vorwort von Elke Heidenreich hat mich begeistert: Die Autorin gibt darin interessante Einblicke in die Entstehungsgeschichte und die Bedeutung des Romans. Heidenreichs Resümee zum Buch: „Wenn es auf Leben und Tod geht, das zeigt die Autorin, dann geht es nur noch ums Überleben. Dann spielt Menschlichkeit keine Rolle mehr, auf beiden Seiten nicht. “

Beim Lesen war ich tief erschüttert. Es ist unglaublich, wie Kathrine Kressmann Taylor es schafft, auf nur knapp 50 Seiten eine derart kraftvolle und tragische Geschichte zu erzählen. Der kurze, prägnante Stil lässt kein Wort zu viel erscheinen, kein Detail fehlt. Die Entwicklung von Martin, der zunehmend den Ideologien des Nationalsozialismus verfällt, und der verzweifelte, verletzte Ton in Max' Briefen sind aufwühlend und schockierend zugleich. Mich hat die schlichte, aber umso beklemmendere Art, mit der Taylor zeigt, wie schnell politische Überzeugungen Freundschaften zerstören können, nachhaltig beeindruckt und zum Nachdenken gebracht – nicht nur über die Vergangenheit, sondern auch über die Gegenwart. Es verdeutlicht auf erschreckende Weise, wie Ideologien Menschen verändern können und wie gefährlich es ist, sich von ihnen einnehmen zu lassen. Die Botschaft ist universell und zeitlos: Adressat unbekannt ist ein Mahnmal gegen das Vergessen und ein Plädoyer für Wachsamkeit gegenüber Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.

Fazit

Adressat unbekannt ist ein literarisches Meisterwerk, das trotz seiner Kürze eine enorme Wucht entfaltet. Kathrine Kressmann Taylor zeigt in bewegender Schlichtheit, wie Ideologien Freundschaften zerstören und Leben ruinieren können. Für alle, die sich mit der Vergangenheit auseinandersetzen und die Gegenwart besser verstehen wollen, ist dieses Buch ein absolutes Muss. 5 von 5 Sternen.

Cover des Buches Adressat unbekannt (ISBN: 9783455405866)
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Rezension zu "Adressat unbekannt" von Kathrine Kressmann Taylor

Maseli
Der Einfluss politischer Ereignisse auf Menschen am Beispiel Schulse-Eisenstein

San Francisco im Spätherbst 1933. Max erhält einen an seine Schwester Griselle adressierten Brief mit Anschrift in Berlin ungeöffnet mit dem Stempel „Adressat unbekannt“ zurück. 

Max und Martin, beide um die 40, kennen sich vom 1. Weltkrieg. 14 Jahre sind seither vergangen und in den USA haben sie zusammen die Galerie Schulse – Eisenstein gegründet. Doch Martin möchte wieder in seine deutsche Heimat zurückkehren und tut dies 1932. Er richtet sich als amerikanischer Millionär in München in einem repräsentativen Schloss ein, während Max in San Francisco, Kalifornien zurückbleibt und die mittlerweile gut eingeführte Galerie leitet. 

Du findest ein demokratisches Deutschland vor, ein Land mit einer tief verwurzelten Kultur, in dem der Geist einer wunderbaren politischen Freiheit aufzublühen beginnt.

Der Briefwechsel zwischen den beiden Freunden und Geschäftspartner beginnt am 12. November 1932.

1933 kommt Hitler an die Macht und Max betrachtet den Mann aus der Ferne. Er mag ihn nicht, und Martin aus Deutschland beschreibt ihm seine Innenansicht zu den Ereignissen in Deutschland.

Der Mann ist wie ein elektrischer Schock, so stark, wie nur ein begnadeter Redner oder ein Fanatiker sein kann.

Alte Bekannte bedrängen Martin, aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten und seiner gesellschaftlichen Stellungs in den öffentlichen Dienst einzutreten. Martin kommt dem Drängen recht schnell nach und tritt eine Stille in der Deutschen Völkischen Bank an. Noch hegt er Zweifel, ob die Entwicklung in seinem Land gut ist und vertraut sich seinem Freund in Übersee an.

Max in San Francisco hingegen beunruhigen die Presseberichte über Deutschland. Er ist Jude und seine Schwester verweilt zurzeit in Wien, wo sie ein Bühnenengagement als Schauspielerin hat.

Wir vergessen dich nicht, Maxel.

Dann überschlagen sich die Ereignisse. 

Meine persönlichen Leseeindrücke

„Adressat unbekannt“ ist Geschichtsunterricht im Schnelldurchlauf! In etwa 50 Seiten durchlebt man den Aufstieg eines armen Deutschlands, das mit Hitler einen Führer erkoren hat, der Hoffnung gibt und ein Volk aus seiner Verzweiflung zieht. Die Deutschen folgen der Leitidee ihres Führers willenlos und sehen ihre Zukunft wie eine überwältigende Welle, die auf sie zurollt. 

Was dann mit dem nach Deutschland zurückgekehrten amerikanischen Millionär genau geschieht, kann ich nur erahnen. Auf jeden Fall offenbaren seine Aussagen einen erschreckenden, unerklärlich entbrannten Judenhass und zeugen zeitgleich von einem unerklärlichen Enthusiasmus für Hitlers Handeln, der den Deutschen die Idee eines großen Volkes einpfercht und sie von 14 Jahre Schmach befreit. Das dafür Opfer notwendig sind, wir gerne in Kauf genommen.

Der Jude ist überall und zu allen Zeiten der Sündenbock.

Die Entwicklung ist geradezu beängstigend. Ein Mensch macht eine 180° Wende durch, das lese ich in wenigen Zeilen. Wie kann sich eines Freundes Herz nur so wandeln? Diese Frage beschäftigt mich sehr, sie erschüttert mich bis ins Mark. Wie wird man von einem liberal denkenden Menschen, der das Falsche vom Richtigen unterscheiden kann, zu einen Mitläufer, einen Patrioten mit Scheuklappen vor den Augen? Ab wann verklärt eine klare Geisteshaltung und wie lange kann man populistischen Strömungen widerstehen? Mir wird angst und bange.

Das Büchlein mit den wenigen Seiten fülle ich mit meinen Gedanken, es geht ja auch gar nicht anders, und reime und fantasiere mir zusammen, was wohl zwischen den einzelnen Korrespondenzen vorgefallen ist, welche Überlegungen und Umstände den Schreiben veranlasst haben mag, die Zeilen zu verfassen. 

Der erste Höhepunkt ist erreicht, als eine Todesnachricht überbracht wird. Dies ist schon schlimm genug, kaum unvorstellbar und führt zu einer unvorhersehbar, kaltblütig und berechnenden Reaktion. Das Blatt wendet sich. Die Rollen vertauschen sich, der Überflieger wird zum Verlierer, und der neue Gewinner für immer gezeichnet bleiben.

Das Ende ein gewaltiger Schock, und es bleibt die Frage im Raum, wie es möglich ist, dass zwei Menschen, die doch freundschaftlich und geschäftlich eng verbunden waren, sich so zugrunde richten konnten.

Die zeitlose Botschaft von „Adressat unbekannt“ wendet sich an unser moralisches Empfinden, und nicht zuletzt deshalb hat dieser Band einen Platz in jedem Bücherregal verdient. Lois Rosenthal – Herausgeberin der Zeitschrift Story

Ich hatte das Buch ausgeliehen, jetzt steht es in meiner Bibliothek als Mahnmal für meine klare Geisteshaltung.

Fazit

„Adressat unbekannt“ ist ein Büchlein, das mit ungeheurer Wucht den Aufstieg Hitlers in Deutschland erklärt und anhand der Freunde Martin Schulse und Max Eisenstein erzählt, welchen Einfluss politische Geschehnisse auf liberal denkenden Menschen haben kann. Der eine mutiert zum Patrioten, der andere zum Rächer, dies alles in einem rasanten Tempo von 18 Briefen und 1 Telegramm in knapp eineinhalb Jahren.

Cover des Buches Adressat unbekannt (ISBN: 9783455650136)
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Rezension zu "Adressat unbekannt" von Kathrine Kressmann Taylor

EmmaWinter
Mein treuer alter Gefährte

Zwei Männer betreiben in San Francisco eine erfolgreiche Galerie. Der Jude Max Eisenstein ist alleinstehend, geht aber in der Familie von Martin Schulse ein und aus wie ein enger Verwandter und ist jeden Sonntag zum Essen eingeladen. 1932 zieht die Familie Schluse zurück nach Deutschland, die Kinder sollen dort zur Schule gehen. Wir lernen die beiden Männer ab diesem Zeitpunkt kennen, durch Briefe, die sie sich über den Atlantik schicken. Innerhalb kürzester Zeit verändert sich der Ton zwischen den einst so engen Freunden drastisch.

Auf nur 63 Seiten mit 17 Briefen und einem Telegramm über einen Zeitraum von Mitte November 1932 bis Anfang März 1934 wird eine Geschichte erzählt, die zeigt, wie die um sich greifende NS-Gesinnung wirkte. "Du findest ein demokratisches Deutschland vor, ein Land mit einer tief verwurzelten Kultur, in dem der Geist einer  wunderbaren politischen Freiheit aufzublühen beginnt." (S. 8) Diese Annahme findet Max bereits nach wenigen Briefen widerlegt. Wie sich die Geschichte bis zu ihrem überraschenden Schluss entwickelt, ist spannend und erschütternd zugleich zu lesen. Ein unglaublich treffender Titel, der noch besser zeigt, um was es hier geht, als der Originaltitel (Address unknown), den hier geht es um die Menschen hinter der Adresse.

Ein beeindruckendes Zeitdokument, denn die Erstveröffentlichung erschien 1938. Ein schmales Büchlein, das man sich als Schullektüre wünscht. Unbedingte Leseempfehlung.

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