Cover des Buches Wildauge (ISBN: 9783869710822)
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Rezension zu Wildauge von Katja Kettu

Eine unmögliche Liebe....

von Miamou vor 9 Jahren

Kurzmeinung: Sprachgewaltig, bildgewaltig, einmalig....

Rezension

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Miamouvor 9 Jahren

… in einer unmöglichen Zeit. Katja Kettus großer Roman - archaisch, sinnlich, erdig, rau.
Lappland im Sommer 1944. Als Johannes Angelhurst ihr zum ersten Mal begegnet, ist sie gerade dabei, der Tochter des Schnapshändlers bei einer schweren Geburt zu helfen. Ihr Blick ist so frei und ungestüm - fast wie der eines wilden Tieres. Sie ist die Hebamme von Petsamo. Die meisten Dorfbewohner finden sie seltsam und begegnen ihr mit zwiespältigen Gefühlen, weil sie zu viel über das Geheimnis von Leben und Tod weiß. Johannes ist deutscher Offizier, er soll als Fotograf die finnischen Verbündeten porträtieren. „Wildauge“ - so sein Spitzname für die Hebamme - fühlt sich sofort zu dem schweigsamen Mann in seiner schwarzen Uniform hingezogen. Sie ist sich sicher: Er ist ihr Mann. Überallhin würde sie ihm folgen, so stark sind Bestimmung und Begehren. Und so lässt sie sich, als er in ein Kriegsgefangenenlager abkommandiert wird, dort als Krankenschwester einschleusen. Zwischen beiden entbrennt eine bedingungslose, wilde Leidenschaft. Doch im Lager passieren grauenvolle Dinge. Keiner darf in die Nähe des Kuhstalls, in den die weiblichen Gefangenen gebracht werden. Und Johannes, der den Auftrag bekommen hat, ein riesiges Bassin auszuheben, schüttet immer größere Mengen einer Droge in sich hinein, die ihn stumpf und brutal macht. Katja Kettu nimmt nicht nur ihre Figuren, sondern auch ihre Leser in die Mangel. Ein kantiges, eigensinniges Buch mit einem überbordenden Reichtum an urwüchsigen Bildern und Wendungen.
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„Wildauge“ ist Katja Kettus dritter Roman und der erste den ich von ihr gelesen habe. So eine Art von Roman ist mir bis jetzt noch nie untergekommen.


Die Figuren in „Wildauge“ sind weit entfernt von Schwarz – und Weiß – Malerei. Vorderhand steht der SS – Offizier Johannes für das Böse. Doch je weiter man liest, umso mehr kommen einem da Zweifel. Nur mithilfe von Drogen erträgt er die Gewalt im Gefangenenlager, er leidet an Wahnvorstellungen und ist kriegstraumatisiert. Man gerät in Gefahr mit ihm zu sympathisieren, wenn da nicht sein sehr stolzes Auftreten wäre und seine Feigheit sich gegen offensichtliche Ungerechtigkeiten einzusetzen. „Wildauge“ schenkt Leben und wird als die Gute gesehen, aber auch dabei muss man vorsichtig sein. Sie macht sich schuldig, indem sie im Gefangenenlager an missbrauchten Frauen Abtreibungen für medizinische Zwecke der Nazis vornimmt. Die Beziehung zwischen den beiden wirkt mal sehr zärtlich, aber dann im nächsten Moment wieder so roh, wie der Krieg selbst.


Die Sprache ist sehr derb und ruppig, gleichzeitig aber auch sehr bildgewaltig was das Buch interessanterweise zu etwas Besonderem macht. Ich hatte öfter den Eindruck, dass damit die wirklich schrecklichen Gräuel des Krieges ein wenig überdeckt wurden, weil die Sprache alleine während des Lesens schon erschüttert.

Um den Inhalt zu erfassen braucht es sehr große Aufmerksamkeit. Oft gibt es kleine Seitenhiebe oder scheinbar unwichtige Aussagen, die dann im Verlauf der Geschichte wieder vorkommen und dann erst ein Ganzes ergeben. Generell ergibt sich erst nach der ersten Hälfte des Buches eine Klarheit, in welche Richtung die Geschichte läuft.

Der Beginn des Buches und auch der weitere Verlauf waren für mich sehr packend. Die letzten Kapitel jedoch fand ich sehr zäh. Die Flucht aus dem Gefangenenlager war mir ein bisschen zu verwirrend und unrealistisch abgehandelt. Auch das Ende selbst erschien mir – obwohl es etwas Romantisch – Intimes hatte – doch eher unwahrscheinlich.

Trotzdem ein einmaliges Leseerlebnis….das Buch bekommt von mir eine klare Empfehlung.

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