Katja Oskamp startet mit Mitte 40 noch einmal neu. Sie wird Fußpflegerin und zwar nicht irgendwo, sondern in Berlin-Marzahn mitten Plattenbauwohngebiet. Ihr Kind ist ausgezogen, der Mann krank und sie möchte etwas anderes machen als erfolglos zu schreiben. Ihr Umfeld bringt ihr wenig Verständnis entgegen: „Ich erzählte zuerst niemandem von meiner Umschulungsaktion. Als ich es dann doch tat und lachend mit dem Zertifikat wedelte, schlugen mir Ekel, Unverständnis und schwer zu ertragendes Mitleid entgegen.“
Nichtsdestotrotz oder gerade deshalb beginnt sie in Marzahn in einem Fußpflegesalon zu arbeiten. Sie beschreibt ihre Arbeit und erzählt die kleinen und großen Geschichten, deren Füße sie umsorgt.
Aber nicht nur die Geschichten der Kund*innen erzählt sie, auch von ihren Arbeitskolleginnen und deren Leben.
Und sie erzählt die Geschichte der Frauen, die beginnen unsichtbar zu werden in der Mitte des Lebens.
Es ist ein richtig schönes Buch, das an einem Nachmittag schnell gelesen werden kann oder – um es ein bisschen mehr zu genießen – in kleinen Häppchen, Geschichte für Geschichte. Denn es sind bezaubernde, traurige und auch witzige Geschichten von Katja Oskamps Kundinnen und Kunden aus Marzahn. Die Autorin schreibt ganz liebe- und respektvoll von den Menschen, deren Füße sie pflegt.
Treffsicher beschreibt sie Gemüts- und Gefühlslage und nur ein einziges Mal schimmert ihre nicht ganz so gute Meinung durch. Sie macht aus den kleinen Geschichten der Menschen, die ihr ihre Füße anvertrauen, große Geschichten und gibt ihnen die Bedeutung, die sie für diese Menschen haben.
Auch wirft sie einen ganz anderen Blick auf Berlin-Marzahn, als das sonst gemacht wird. Sie macht es persönlicher und es werden die Menschen sichtbar, das, was man vergisst, wenn einfach nur der Begriff „Plattenbau“ gebraucht wird.
Aber es ist auch ein Buch vom Zufrieden-Werden, sich einpendeln auf einen anderen Lebensrhythmus, sich in der Unsichtbarkeit wohlfühlen bzw. sie sich auch zunutze machen. Denn, wenn du nicht wirklich wahrgenommen wirst, kannst du dich auch einfacher ausleben.
Dieser Teil des Buches ist noch einmal auf einer ganz anderen Ebene, denn das Leben in der Mitte des Lebens ist ein Umbruch und es ist nicht immer leicht, damit umzugehen. Denn diese Unsichtbarkeit ist nicht einfach an den Schriftstellerinnen-Haaren herbeigezogen, das Gefühl haben viele Frauen in dieser Zeit, in der so viel im Außen und im Innen passiert.