Der Roman enthält durchaus immer wieder Formulierungen, die mir ausnehmend gut gefallen haben, weil sie so gesellschaftskritisch sind. Auch blitzt hie und da richtige Komik auf, davon hätte ich gerne mehr gehabt, denn kritisch sein und zugleich komisch schließt sich keineswegs gegenseitig aus. Mir hat allerdings nicht diese Aufdoppelung an Themen und Problematiken gefallen. Es kam mir so vor, als müssten all diese Themen dringend mit in den Roman gepackt werden, damit er lebendig bleibt. Aber am Ende führte das dazu, dass die Figuren teils schnittmusterartig wirkten, die Themen im Grunde genommen nur an der Oberfläche schwammen und weil stets neues Problemmaterial dazu genommen wurde, am Ende nichts richtig tiefergehend behandelt wurde. Und manchmal wirkte diese bemüht kurzweilige Art zu schreiben kurzweilig, manchmal kippte es aber auch in die Längen und meine Gedanken drifteten aus dem Hörbuch raus. Konsequent weniger Themen, konsequent mehr Situationskomik und noch intensiveres Eingehen auf ein paar ausgesuchte Schwerpunkte hätte diesem Buch sicherlich sehr gut getan.
Katja Riemann
Lebenslauf
Quelle: Verlag / vlb
Alle Bücher von Katja Riemann
Nebel und Feuer
Jeder hat. Niemand darf.
Der Chor der Engel
Zeit der Zäune
Der Name der Sonne
Jeder hat. Niemand darf.
Die Vögel
Von Sonne, Mond und Engeln
Neue Rezensionen zu Katja Riemann
Obwohl ich kein Fan von Märchen bin, gibt es doch einige wenige, die mir dennoch gut gefallen. Dazu gehört auch dieses hier.
Es weist einige Parallelen zu Rumpelstilzchen auf, wie mir beim Vorlesen für meine beiden Söhne aufgefallen ist.
Interessant finde ich die Sichtweise, dass nicht der Himmel, sondern zwei unterschiedliche Wesen für Hitze und Regen zuständig sein sollen. Kindgerechte Erklärung des Wetters. Einfach und verständlich gestaltet.
«Sie steht mit dem Rücken zum Abgrund. Nackt. Im Fenster des fünften Stocks. Altbau. Die verputzte, ungestrichene Wand fällt steil und bedrohlich herab wie ein lautloser Wasserfall. Unter ihr, keine fünfzig Meter entfernt, liegt ein Friedhof. Kann man sich nicht aussuchen. Die beiden Fensterflügel sind nach innen geöffnet, der untere Teil des Fensters ist fest verbaut, und sie steht außen, auf einem gemauerten Absatz, der für Schuhgröße 36 taugt, mit dem Rücken gen Friedhof, und hält sich am Fensterrahmen fest. Der vordere Teil ihres Fußes, die Ballen und Zehen, stehen auf dem Sims, die Ferse ragt in die Luft und könnte runterfallen, wäre sie nicht am vorderen Fußteil festgewachsen. Füße sind zumeist aus einem Guss. Wenn man Füße hat. Wenn man nicht ohne Füße geboren wurde. Das kann passieren.»
Wenn eine Schauspielerin oder ein Schauspieler einen Roman schreiben, so kann das in die Hose gehen, wie es mir kürzlich mit Michael Cane ging – oder es klingt richtig gut, es gibt Beispiele genug für beide Seiten. Drum war ich gespannt, was ich hier zu erwarten hatte. Und ich war mehr als positiv überrascht! In der Eröffnungsszene steht die Musikerin Johaenne auf ihrem Fenstersims im fünften Stock, der Friedhof ist praktischerweise gleich nebenan. Der Mann, den sie unbändig liebt, hat sie verlassen, die Liebe zu ihm jedoch ist geblieben. Das hält sie nicht aus. Sie hat ihr Testament geschrieben, verteilt ihren Besitz an Freundinnen und Musiker, das Haus in Brandenburg soll die Schwester erben. Es ist Nacht, nur der Mond kann sie sehen – mit dem sie ein Zwiegespräch hält, begreift, dass sie gar nicht sterben will, nur unendlich traurig ist.
«Der Mond ist runtergefallen, auf die Startbahn Tempelhof. Night-Kiter schmeißen sich in sein Licht hinein und cruisen auf den Wellen, die sich beim Aufprall gebildet haben. Eine Welle aus Mondlicht auf dem alten Naziflughafen. Das wär’s. Das hat sie nicht geschafft: im Mond baden. Und jetzt kann sie nicht einmal sehen, wie das Gepinkelte die Mauer runterläuft. Oder doch? Sie beugt den Kopf nach unten, oh, keine gute Idee, die Oberschenkel werden weich, runtersehen ist nicht gut, die Höhenangst. Schnell den Blick abwenden, nach vorn sehen, in die dunkle Wohnung hinein und atmen. Atmen ist leben. Atem ist meine neue Droge, sagte ihr unlängst ein Kumpel und kiffte trotzdem weiter. Ihre Beinchen. Werden weich oder steif oder beides. Das hat sie nicht bedacht, dass der Körper hier zum Gegner des Willens wird.»
Sie besitzt diesen Bungalow in Brandenburg, den sie das Nest nennt, in das sie ihre Freundinnen einlädt, Jamal und Shenmi, die Pianistin Ayo und dazu gesellt sich ein kleiner Hund. Es ist das Haus von Johaennes verstorbenen Vater. Ein Nebel bedeckt plötzlich die halbe Welt, ein Vulkan ist ausgebrochen; später kommen Feuersbrünste und Heuschreckenschwärme dazu. Um sie herum bricht das Chaos aus, die Welt steht Kopf, der Mob zieht durch die Straßen, die Frauen brauchen Essen und Hundefutter, trauen sich nicht in die Stadt. Das Nachbarhaus macht den Frauen Angst und sie entdecken dort merkwürdige, ja bedrohliche Dinge. Man könnte jetzt richtig viel stöhnen und kritisieren bei all dem Wirrwar: Dialog, Monolog, Erzählung in der dritten Person - Reales, Irreales, ein wenig Crime, ein wenig Fantasie und jede Menge Drama, gespickt mit allen Themen querbeet, die die Welt zu bieten hat. Ziemlich viele Gedankenspiele – dabei recht gute, dann wieder weniger Interessantes, Mainstreem, Dialoge zwischen den Freundinnen. Das hört sich wirr und durcheinander an. Das ist es auch, eingebunden in eine schräge Rahmenhandlung, die auf einen Kinderfahrschein passt. Aber trotzdem hat mich der Text gepackt und es hat mir Spaß gemacht, zuzuhören.
«Die Hoffnung war, dass sich alles zurechtschweigen würde. Tat es aber nicht. Die ungesagten Worte nahmen immer mehr Platz in ihrer Beziehung ein, es wurde eng in ihr. Sie hätte die Beklommenheit in Form des Balls gern ausgespuckt, aber er war in ihr festgewachsen, wie ein Krebsgeschwür. Ich stecke zwischen zwei Zeiten. Dem Vorhin und dem Nachher. Und ich weiß nicht, auf welcher Seite ich sein möchte, wenn das nur jemand für mich lösen würde. Wenn der Schmerz nur aufhörte, die Ohnmacht, das Gefühl des Abgeschnitten-worden-Seins, der Verlust, der Kummer, die Verlorenheit, die Trauer um die jetzt ehemalige Liebe und nur vermeintliche Verbundenheit. Und nichts, nichts konnte sie mehr ändern, verbessern, rückgängig machen, so war es jetzt, und sie meinte, daran zu Grunde zu gehen und wollte zu Grunde gehen und wagte es nicht.»
Vier Frauen in einer apokalyptischen Szenerie, die sich gegenseitig Halt geben. Johaenne ist unsagbar traurig. «Der geliebte Mann war einfach weggegangen und hatte seine Liebe vor die Tür geworfen.» Auch die anderen drei Freundinnen haben ihre Probleme, und Shenmi macht im Nachbarhaus eine ziemlich erschreckende Entdeckung. Vier Frauen belastet mit Problemen stehen im Chaos zusammen und sind sich gegenseitig eine große Stütze, ziehen die Kraft aus den anderen, um sich wieder aufzurichten. Was mir gefallen hat ist die Kreativität in diesem Text, absurde und humorvolle Betrachtungen, das alles wohlformuliert in klangvollem Rhythmus mit einem guten Gefühl für Sprache. Ich glaube, das war es, was micht gepackt hat. Gesprochen hat die Autorin es selbst, was sicherlich auch ein Vorteil ist. «Nebel und Feuer» ist Katja Riemanns erster Roman. Wer Schräge Texte mag, der liegt hier richtig.
Katja Riemann ist eine der bekanntesten Schauspielerinnen im deutschsprachigen Raum, die sich sowohl mit feinem Gespür zwischen kommerziellem Kino und arthouse bewegt als auch im Theater und der Musikwelt zu Hause ist. Sie ist UNICEF-Botschafterin und erhielt für ihr Engagement 2010 das Bundesverdienstkreuz am Band. Zuletzt erschienen ihre Sachbücher »Jeder hat. Niemand darf. Projektreisen« über humanitäre Arbeit und »Zeit der Zäune« über Orte der Flucht. Mit »Nebel und Feuer« gibt sie ihr Debüt als Romanautorin.
Gespräche aus der Community
Gibt es auf LovelyBooks Menschen, die Schauspieler werden wollen? Ich habe beim Lesen (trotz meines hohen Alters Lust dazu gekriegt!
Matthias Brandt: "Dieses Buch ist so nützlich und geistreich, verständlich und unterhaltsam, dass es sogar den Wenigen gefallen dürfte, die nicht Schauspieler werden wollen. Für alle anderen ist es Pflichtlektüre. Geschrieben hat es der beste Lehrer, den ich hatte."
Ich Interesse mich schon seit einer lange Zeit für die Schauspielerei und würde sehr gerne dieses Buch gewinnen.
Natürlich würde ich auch eine Rezession schreiben.
Ich würde es gerne als Taschenbuch nehmen.
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