Cover des Buches Glasflügel (ISBN: 9783257071238)
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Rezension zu Glasflügel von Katrine Engberg

Purzelbaumfabrik...

von parden vor 5 Jahren

Kurzmeinung: Ein leiser Thriller mit einem lauten Thema: Kinder und Jugendliche in der Psychiatrie, ausgeliefert in gleich mehrfacher Hinsicht.

Rezension

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pardenvor 5 Jahren

PURZELBAUMFABRIK...

Jeppe Kørner ermittelt in einem spektakulären Mordfall, der ganz Kopenhagen beschäftigt: Im ältesten Brunnen der Stadt, inmitten der Fußgängerzone, wurde eine Leiche gefunden. Auf die Hilfe seiner Kollegin Anette Werner kann er diesmal nicht zählen, denn die muss sich statt um den Mordfall um ihr Baby kümmern. Bald schon stößt Kørner auf eine düstere Einrichtung für hilfsbedürftige Jugendliche und auf Leute, die ihre eigene Vorstellung von Fürsorge haben.

Sommerfuglen - Schmetterling. Das klingt leicht und beschwingt, doch stellt sich das in diesem Krimi als eine privat geführte psychiatrische Wohnstätte für Kinder und Jugendliche heraus. Seit zwei Jahren ist diese Wohnstätte nun geschlossen, und doch wirft Sommerfuglen einen großen Schatten auf das heutige Kopenhagen.

Denn ehemalige Angestellte des Wohnheims werden nach und nach tot in Springbrunnen und Seen der Stadt aufgefunden, ausgeblutet und nackt. Verdächtige gibt es mehr als genug, und Polizeiassistent Jeppe Kørner kommt den zahlreichen Spuren kaum hinterher. Doch wirklich voran kommt er nicht, und der Druck der Öffentlichkeit und in den eigenen Reihen wächst: ein Ermittlungserfolg muss her!


"...der zarte Glasflügler. Zerbrechlich, beinahe durchsichtig. Aber nur scheinbar. So lagern etwa die Larven des Glasflüglers das Gift des Nachtjasmins in ihren Körpern ein, so dass sie auch nach dem Schlüpfen für ihre Feinde tödlich sind. Der unscheinbare Schmetterling ist der gefährlichste." (S. 105)


Band drei der Reihe um Jeppe Kørner ist ein düsterer, leiser Thriller. Erzählt wird aus wechselnden Perspektiven - nicht nur Jeppe Kørner ermittelt hier, der privat in einer unklaren Übergangssituation feststeckt, sondern auch seine ehemalige Kollegin Anette Werner, die sich mit ihrer drei Monate alten Tochter gerade in Elternzeit befindet. Anette hat Probleme mit ihrer Mutterrolle und lenkt sich mit den Ermittlungen nebenher ab von der ewigen Schlaflosigkeit und dem Gefühl, keinen Erwartungen gerecht zu werden. Die Perspektive des Täters taucht hier episodenhaft auf, genau wie die der alternden Krimiautorin Esther de Laurenti, die ich bereits aus Band eins kenne. Und Personen aus dem Umkreis des geschlossenen Wohnheims Sommerfuglen geraten hier ebenso immer wieder in den Fokus des Geschehens.


"Ich würde einen Knall bekommen." Jeppe sah ihn überrascht an. "Einen Knall? Wovon?" - "Wenn ich da arbeiten müsste. In so einer Purzelbaumfabrik." Der kindliche Ausdruck ließ Jeppe laut auflachen. "Purzelbaumfabrik! Das ist ein ultramodernes Krankenhaus mit allen erdenklichen Therapieangeboten." - "Na ja, das meine ich doch. Die ganze Zeit hat man es mit Leuten zu tun, die in einer anderen Welt leben. Nach einer Weile weiß man doch gar nicht mehr, wo oben und unten ist." (S. 280 f.)


Im Fokus der verzweigten Erzählung steht ein düsterer Aspekt des dänischen Gesundheitssystems. Neben Überforderungserscheinungen des medizinischen Personals bei chronischer Unterbesetzung durch radikale Sparmaßnahmen wird hier sehr deutlich, in welchem Abseits sich psychisch kranke Menschen befinden. Weggesperrt und meist mit reichlich Medikamenten und sonstigen Behandlungsmethoden eingedeckt, sind sie weit entfernt von einem normalen Leben und der Teilhabe an der Gesellschaft. Gerade für betroffene Jugendliche und junge Erwachsene eine schwer zu verkraftende Situation.

Sommerfuglen als psychiatrische Wohnstätte sollte gerade solche Jugendliche auffangen. Doch Jeppe Kørner entdeckt hier ganz eigene Machenschaften, die ein noch dunkleres Licht werfen auf den Umgang mit psychisch kranken Menschen.


"War es tatsächlich denkbar, dass es in Dänemark junge Menschen gab, die keinerlei Zukunft hatten? Ein Gedanke, den Jeppe schlimm fand. Mit siebzehn müsste die Welt ein Gabentisch der Möglichkeiten sein, das Dasein eine einzige große lebendige Zukunft. Nicht eine endlose Wiederholung von wohlmeinender, aber unzureichender Fürsorge und einsamen Tagen." (S. 362)


Doch neben diesen düsteren Themen ist dies in erster Linie ein Thriller. Jeppe Kørner zeichnet sich nicht gerade durch fulminante Ermittlungsarbeit aus, manches wirkt gar nur wenig professionell. Dennoch bleibt er am Ball und erlebt mit seinem neuen Kollegen am Ende einen gehörigen Showdown, der es in sich hat.

Ein leiser Thriller mit einem lauten Thema - und mit Figuren, die zunehmend vertraut werden und denen ich in einem weiteren Band gerne wiederbegegnen würde.


© Parden

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