„Ich arbeite bei Regen und Wind und sengender Sonne. Aber ich bleibe guter Dinge, indem ich mich auf die Tage der Ruhe freue. Ich bin nämlich nur einer von mehreren Fährleuten, wir wechseln uns ab, und jeder bekommt seine Ruhezeit, wenn auch erst nach langen Arbeitswochen. Wir haben alle unseren besonderen Ort, den wir an unseren Ruhetagen aufsuchen, und dies Freunde, ist meiner.“
Da ich bereits „Alles, was wir geben mussten“ und „Klara und die Sonne“ von Kazuo Ishiguro gelesen habe, kannte ich zumindest die Art des Schriftstellers aber „Der begrabene Riese" hat mich dennoch überrascht und lässt mich auch nachhaltig nicht los.
Ishiguros Darstellungen der Protagonisten sind fesselnd und emotional zugleich, in all ihrer Sachlichkeit. Landschaften und Situationen beschreibt Ishiguro ebenso unverkennbar.
Es fällt mir sehr schwer, dieses Buch zu bewerten weil es etwas mit mir macht, ich es aber nicht in schwarz und weiß einteilen kann, daher weiche ich hier mal von meiner Pros/Contra Bewertung ab.
In diesem Buch begleiten wir das Ehepaar Axl und Beatrice, die mit einem ominösen Nebel des Vergessens kämpfen und sich zu Beginn des Buches dazu entscheiden, ihren Sohn zu (be)suchen.
Auf diesem Weg geschehen surreale Situationen und Weggefährten stoßen dazu. Der Roman verlangt dem Leser jedoch einiges an Durchhaltevermögen ab. Besonders begeistert haben mich die Begegnungen mit dem Fährmann und die Liebe dieses zauberhaften alten Ehepaares. Sprachlich und emotional ist dieses Buch fesselnd aber zwischendurch durchaus langatmig und etwas verstrickend. Das Ende ist emotional und berührend, hinterlässt jedoch unglaublich viele offene Fragen. Das Pärchen Beatrice und Axl wirkt liebevoll und der Leser stellt fest, dass die Ehe der Beiden durch viele Unwegsamkeiten gegangen ist. So liebevoll das Pärchen auch ist, so sehr sorgt leider die Grundsituation und die daraus entstehende Naivität der Beiden auch für Distanz. (Sicher gewollt aber für mich eher unnötig) Die Fantasyelemente nehmen dem Roman leider die Glaubwürdigkeit. Drachen, Ritter, Menschenfresser und die Tafelrunde wirken lange wie Metaphern oder eben Fantasiegebilde, die sich eher in den Köpfen abspielen, hiermit meint es der Autor jedoch ernst. Das war der wohl enttäuschendste Aspekt für mich an diesem Buch. Ich liebe Fantasy, habe sie hier aber ganz und gar nicht gebraucht. Erinnerungskultur und Identität bestimmen diesen Roman. Ein hochkomplexes Werk und wieder eine Bereicherung meines Leseschatzes aber leider mit einigen Schwächen.