Cover des Buches Damals in Nagasaki (ISBN: 3442727383)
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Rezension zu Damals in Nagasaki von Kazuo Ishiguro

murkamimäßig mysteriöse Geschichte

von awogfli vor 6 Jahren

Rezension

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awogflivor 6 Jahren
Dieser Roman von Ishiguro erinnert mich sehr an Murakami, es ist alles etwas mysteriös mit vielen wagen Andeutungen und auch sehr japanisch von der Prägung der Figuren her. Frauen müssen sich sehr unterwürfig darstellen, tun sie es nicht, stoßen sie auf komplettes Unverständnis und auch Männer können das selbstgewählte Korsett der gesellschaftlichen Konventionen nicht ablegen, selbst im Streit und in der Konfrontation werden noch höfliche Floskeln ausgetauscht und gleich einem Eiertanz wird um das eigentliche Konfrontationsthema herumgelabert.

Im Prinzip geht es um ein Frauenschicksal - und hier möchte ich diesmal gleich die Spolierwarnung setzen, denn ohne Diskussion des etwas mysteriösen Endes kann ich der Beurteilung des Buches diesmal nicht gerecht werden. Denn das Ende ist die Krux....

Im Handlungsstrang der Gegenwart erinnert sich Etsuko, deren ältere Tochter sich soeben in London umgebracht hat, an lange verdrängte und zurückliegende Ereignisse, die damals in Nagasaki stattgefunden haben.

Zu Beginn scheint es so, als handle die Geschichte in Nagasaki von zwei Frauen, die eine genannt Sachiko ist alleinstehend, hat eine Tochter und ist als Mutter eine selbstsüchtige Versagerin, die sich mit dem ausländischen Soldaten Frank herumtreibt und auf die Bedürfnisse ihres ca. 10-jährigen Kindes Mariko keine Rücksicht nimmt. Im Gegenteil, sie lässt das Kind immer alleine, sorgt sich nicht mal um sie und will mit Frank aus Japan nach Amerika verschwinden. Leider ist Frank nicht der zuverlässigste und schiebt das Vorhaben immer wieder auf. Sachiko ist ihm komplett hörig und vergisst sogar darüber ihre Tochter.

Etsuko, ihre damalige Freundin ist verheiratet, schwanger, recht liebevoll und sorgt sich gelegentlich um die Tochter der Freundin. So nach und nach bekommt der Leser ganz unterschwellig mit, dass in Etsukos Ehe nicht alles zum besten steht. Die beiden Frauen verbringen einige Zeit miteinander und freunden sich trotz ihrer Unterschiedlichkeit an.

Am Ende gibt es eine mysteriöse offene Brückenszene, mit einem Twist, in der quasi Sachiko und Etsuko die Rollen tauschen, denn Etsuko verspricht Mariko, der Tochter der Freundin, dass sie sie aus der Situation herausholt, wenn das Experiment mit Frank nicht funktionieren sollte.

Diese Szene und die Verzahnung der Lebensbiografien der beiden Frauen lässt mich vermuten und spekulieren, dass Etsuko und Sachiko eine Person sind, die eine ist das böse Selbst auf das alles projiziert wird und dessen Handungen auch gleich in einer anderen Person entsorgt werden. Diese Interpretation bedeutet aber, dass Etsuko ihren Ehemann mit einem Soldaten betrügt, von diesem schwanger ist, ihre ältere eheliche Tochter völlig ignoriert und diese Handlung aber auf ihr böses Alter-Ego Sachiko überträgt. Der andere Aspekt ihrer Persönlichkeit ist die treusorgende unterwürfige, schwangere Ehefrau Etsuko diese würde nie betrügen, ist einigermaßen loyal zum Ehemann kann am Ende aber die Ehe auch nicht durchhalten.

Kein Wunder, dass sich Etsukos ältere Tochter im englischen Exil dann irgendwann umbringt, denn sie wurde ja schon damals in Nagasaki quasi entsorgt und wurde auch in England immer von ihrem Stiefvater von der Mutter und von der jüngeren Schwester zurückgesetzt.


Fazit: Ein gutes Buch, das theoretisch durch die vagen Andeutungen und komplexen Verflechtungen viel Interpretationsspielraum bezüglich des Endes zulässt. Auch eine andere Auslegungsvariante der Geschichte wäre logisch möglich aber nicht so wahrscheinlich. Auf jeden Fall ist es ein Werk mit Diksussionsbedarf, das sehr gut in der Gruppe gelesen werden kann. Die Art des Romans mit den vielen mysteriösen Andeutungen und dem Twist, ist sehr murakami-mäßig. Weil Meister Murakami himself das aber noch um eine Nuance besser kann, gebe ich zwar nur 4,5 Sterne, die ich aber gerne auf 5 aufrunde.
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