Ken Bugul

 3,9 Sterne bei 9 Bewertungen
Autor*in von Die Nacht des Baobab, Riwan oder der Sandweg und weiteren Büchern.

Lebenslauf

Ken Bugul, geboren 1947 als Mariétou Biléoma Mbaye im Senegal, studierte im Senegal und in Belgien. Ihr Künstlername kommt aus dem Wolof und bedeutet so viel wie »eine, die unerwünscht ist«. Nach ihrer Rückkehr aus Belgien heiratete sie und wurde die 28. Frau im Harem. Nach dem Tod ihres Mannes zog sie nach Benin, wo sie seitdem als Kunsthändlerin lebt. 2000 wurde sie mit dem Grand Prix Littéraire de l’Afrique Noire ausgezeichnet.

Quelle: Verlag / vlb

Alle Bücher von Ken Bugul

Cover des Buches Die Nacht des Baobab (ISBN: 9783293207554)

Die Nacht des Baobab

 (6)
Erschienen am 17.10.2016
Cover des Buches Riwan oder der Sandweg (ISBN: 9783293207912)

Riwan oder der Sandweg

 (2)
Erschienen am 19.02.2018
Cover des Buches Keine andere Wahl? (ISBN: 9783726904098)

Keine andere Wahl?

 (0)
Erschienen am 01.01.2022
Cover des Buches Le baobab fou (ISBN: 9782708708037)

Le baobab fou

 (1)
Erschienen am 25.03.2010

Neue Rezensionen zu Ken Bugul

Cover des Buches Die Nacht des Baobab (ISBN: 9783293207554)
S

Rezension zu "Die Nacht des Baobab" von Ken Bugul

Spannende Themen, aber sehr verworren erzählt
Sarangevor 3 Jahren

Kurzer Leseeindruck: Einige spannende Themen und Gedanken rund um traditionelle senegalesische Wertesysteme, Rassismus und (Neo-)Kolonialismus wurden aufgegriffen, aber nicht vertieft. Ich kann nachvollziehen, warum die Autorin zu der völlig entwurzelten Frau wurde, um deren Kindheit, Jugend und junge Erwachsenenzeit es hier geht. Aber die Erzählweise war mir einfach zu sprunghaft und verworren, und das wurde gegen Ende des Buches immer schlimmer. Trotzdem ärgere ich mich nicht darüber, dass ich das Buch gelesen habe, denn es setzt ganz interessante Kontrapunkte zur Ideologie der Négritude, die man heute auch durchaus kritisch sehen kann. Ken Bugul hat das schon sehr früh durchschaut.

Cover des Buches Riwan oder der Sandweg (ISBN: 9783293207912)
A

Rezension zu "Riwan oder der Sandweg" von Ken Bugul

Vom Fortgehen und Zurückkehren. Vom Suchen und Sich-Finden
Almut_Scheller_Mahmoudvor 5 Jahren


Der bereits 1999 erschienene Roman, mit vielen autobiographischen Sequenzen, wurde den 100 einflussreichsten afrikanischen Romanen zugeordnet. 

„Riwan“ schildert uns plastisch und lebendig eine weibliche Odyssee. Die Odyssee einer gebildeten, studierten, schönen Afrikanerin, die nach unglücklichen, unerfüllten Jahren in Europa zurückkehrt in ihr Heimatdorf. Ohne einen prall gefüllten Koffer, ohne Seide, Perlen, Colliers und Brokat. Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, auf der Suche nach sich selbst, nach ihrer ureigensten Identität. Sie fühlt sich zerrissen, zerstört, zerbrochen. Der westliche Lebensstil, die Anforderungen eines modernen Lebens mit stark feministischer Prägnanz haben sie ausgehöhlt.


Ein komplexer Roman mit diversen Ebenen: die moderne junge studierte Frau, die es nach Europa zieht, ihre Rückkehr, die spirituelle Welt der Muradiya, einer senegalesischen Sufi-Bruderschaft,  das polygame traditionelle Frauenleben Afrikas  im Gegensatz zu moderner westlicher Emanzipation mit feministischen Untertönen, die senegalesischen Traditionen mit ihrer strikten Struktur und Hierarchie, die einengen mögen, aber auch Geborgenheit und Sicherheit geben. 

Immer wieder unterbrochen von gesellschaftskritische Aussagen und politischen Protestnoten, die wie Werbeslogans, fast wie im Stakkato, eingestreut sind.  So dass der gesamte Text dadurch rhythmisch und lebendiger wird.  

Wir verfolgen die Häutung der jungen Frau, die endlich ihre „weiße Maske auf schwarzer Haut“  (Frantz Fanon) als Fremdkörper empfindet und ablegt. Die in ihr Heimatdorf als Zufluchtsort zurückkehrt mit der Alternative: leben oder sterben. Und sie findet langsam den Weg, ihren Sandweg, zurück zu sich selbst. Sie lernt die Traditionen kennen und schätzen ohne ihren kritisch-intellektuellen Blick, in Europa geschärft, dabei zu verlieren. Für den Serigne, den Kalifen der Muradiya-Gemeinde, empfindet sie Hochachtung, findet in ihm einen Vertrauten, einen Freund, mit dem sie über alles debattieren kann, mit dem sie sich von gleich zu gleich austauschen kann. 

Alles ändert sich, als der Serigne sie zur Frau erwählt, zur 28. Ehefrau seines Anwesens, seines Lebens. Zum ersten Mal empfindet sie Liebe, Liebe gepaart mit Sanftmut und Zärtlichkeit, in stillem Einvernehmen. Diese Liebe, diese Zuneigung, dieses Vertrauen lösen einen Heilungsprozess in ihr aus und sie bleibt dem Serigne über Jahre engst verbunden. 


Wir erfahren viel über das Äußere und das Innere des Muriden-Kalifats sowie über die Position und Wirkungsfelder des Serigne. Einem Mann mit einer Aura der Güte, des Wissens, des Scharf-sinns, der Weisheit und der Freigiebigkeit. Er verkörperte ein Ganzes. Die Ich-Erzählerin erlebte eine ganz neue Art von Sinnlichkeit, von Liebe und auch von Lust. Die manipulativen Spiele der Wolllust und der Stellungswechsel kamen hier nicht zum Einsatz 

Sokhna-Si singt nicht das Lied der Polygamie, aber sie setzt diese gegen die Aushöhlung westlicher Liebes- und Lebensprinzipien, früher einmal mit romantischer Konnotierung, heute eher ein Optimierungsprozess, ein Leistungsprinzip.  Und betont immer wieder eine ganz andere Sichtweise auf das Leben und die Liebe. Der Serigne war für sie und ihre Mitfrauen der Mann, aber er war nicht ihr Leben. Und natürlich hatte diese afrikanische Frauengemeinschaft nichts mit den westlichen Vorstellungen eines üppigen orientalischen Harems gemeinsam. Es gab keine Rivalität. Das Gesetz hieß: füge dich dem Willen deines Ehemannes, sei unterwürfig. Aber natürlich gab es auch in diesem Vielfrauen-Haushalt Eifersucht. Die aber gemeinsam mit Ritualen wie dem Xaxar-Ritual, gebändigt wurde. In traditionellen Gesellschaften gibt es strikte Regeln, um die Menschen zu schützen und vor Verfehlungen zu bewahren. Traditionen, die bei uns meist nur noch Folklore sind, wobei es doch wichtig wäre, eine Balance zwischen Tradition und Moderne zu finden. 


Als der Serigne sich nach Jahren eine neue Frau nimmt, ein blutjunges Mädchen, geht die Ich-Erzählerin ihren eigenen Weg. Sie ist jetzt stark genug und hat sich selbst gefunden. Sie beginnt zu schreiben. „Ich war zu der geworden, die ich war“. Emanzipiert von den falschen Verlockungen und Verführungen des Westens. Fernab vom westlichen Feminismus, der einfach nur eine weitere - ismus-Schublade war. Von privilegierten Frauen für privilegierte Frauen. „Ich war im Einklang mit mir und meiner Umwelt.“ 

Eingebettet in die soziologischen, religiösen, psychologischen und philosophischen Facetten sind die starken Kurzporträts der Frauen Bousso Niang. Sohkna Mama Faye. Rama. Nabou Samb. Djagua Sylla. Und das Portrait von Riwan, der nicht redete, nicht lachte, nicht weinte, nur den Anweisungen folgte, starren Blickes. Er tat schweigend immer die gleichen Dinge, er schlachtete und kochte, hielt das Feuer am Leben, er war nie krank. Und der als einziger Mann Zutritt zu den Frauen-Gehöften hatte.Wie konnte Riwan all den Frauen und ihren ihn umschmeichelnden Düften widerstehen?

Immer wieder Einsprengsel von sozialkritischen und politischen Statements, das Hinterfragen  der afrikanischen Gesellschaft, der modernen Gesellschaft dort und anderswo. Und auch zu dem ganz anderen Frauenbild: die Frau nicht nur ein Konsumobjekt, sondern ein Kernelement des Lebens. Die Autorin setzt sich auch mit der Rolle der Jungfräulichkeit auseinander. Diesem „roten Fleck“ der Tugend und der Ehre, der eine ganze Familie, einen ganzen Clan ins Unglück stürzen kann. 


Ken Bugul entführt uns mit ihrem Roman in zwei Welten, in eine traditionelle afrikanische und eine moderne westliche. Und für mich klingt durchaus die Frage auf: welche ist die bessere? Nachzudenken, über Traditionen und Moderne, über weibliche Rollenspiele und Schicksale, dazu regt dieser Roman an und führt vielleicht zu Verständnis anderer Lebensarten und zum Tieferschürfen der eigenen Situation, der persönlichen wie der allgemeinen in Europa. 

Abschließend ein Satz von Fernando Pessoa: Nie eine Haremsdame gewesen zu sein.





















Cover des Buches Die Nacht des Baobab (ISBN: 9783293207554)
aus-erlesens avatar

Rezension zu "Die Nacht des Baobab" von Ken Bugul

Vom steinigen Weg den eigenen Weg zu finden
aus-erlesenvor 6 Jahren

Sie muss weg. Raus aus ihrem kleinen Dorf im Senegal. Europa ist das Licht am Ende des Tunnels, durch den die Reise führen wird. Es wird Belgien, und der Tunnel endet bei Weitem noch nicht in Brüssel. 
Ken, so der Name der Erzählerin, unternimmt einen Riesenschritt, den sich viele niemals trauen würden. Wenn man sie nicht dazu treibt. Sie verlässt ihr Dorf, ihre Region, ihr Land, ihren Kontinent … ihre Kultur. Ken ist schlau, deswegen auch das Stipendium im fremden, fernen Europa. Zu ihrem Vater hatte sie nie das typische Vater-Tochter-Verhältnis. Als Oberhaupt der Dorfgemeinschaft war der der Übervater eines jeden einzelnen, jedoch nie der Vater seiner Kinder. Auch Mutter und Tochter konnten kein echtes vertrauensvolles Verhältnis aufbauen. Das, was alle zusammenhielt, war der Baobab. Der Affenbrotbaum. Unter seinem Blätterdach wurden Geschichten erzählt und Schutz gefunden. 
Ihr Brüssel sucht Ken nun ihren Baobab. Doch den soll es hier nicht geben. Freunde findet sie schnell und reichlich. Doch die haben andere Intentionen als sie selbst. Wie eine Puppe wird sie herumgereicht. Eine Trophäe spätkolonialistischer Pubertierender. Einer ist homosexuell, von ihm dachte sie, dass er derjenige sein könnte, der …
Ken stürzt sich ins pralle Leben. Clubtouren, Drogen, Prostitution. Ihr Ritt auf der Rasierklinge fügt ihr Schnittwunden zu, doch niemals so tief, dass das Fleisch verletzt wird. Alles nur an der Oberfläche. In Afrika, im Senegal, in ihrem Dorf haben andere gefahren gelauert. Der Rektor, der sie heiraten will, nur um sich an ihr vergehen zu können oder der Lehrer, der sie bittet sein Messer zu schärfen, damit er ihr die Kehle durchschneiden kann – das hat sie stark gemacht. Sie zu einer selbstbewussten Frau reifen lassen. Doch diese reife ausleben, wäre nie in Frage gekommen. 
Brüssel, Belgien, Europa bietet ihr diese Chance. Allerdings muss sie ihren Weg weitgehend allein beschreiten. 
Ken Bugul beschreibt in „Die Nacht des Baobab“ einen großen Teil ihres eigenen Lebens. Was Fiktion und was Realität ist, wird nicht abschließend klar herausgestellt. Die eindrücklichen Sprachbilder jedoch helfen so manches Schicksal in einem anderen Licht zu sehen. Das Leben in der Fremde ist immer von Geheimnissen umgeben, wird durch die geprägt. Nur so viel preisgeben, dass man weiterkommen kann. Aber niemals die Seele oder gar das Herz offenlegen. Denn dann ist man anfällig für Verletzungen. „Die Nacht des Baobab“ gehört ohne Zweifel zu den reifsten Früchten der literarischen Flora Afrikas.

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